André Kuhn setzt sich als Passagier gern in einen Airbus, Flugangst kennt er nicht. Denn der gelernte Werkzeugmacher weiß ja schließlich, wo Teile der Außenhaut herkommen – nämlich aus seinem Handwerksbetrieb Max Eickworth in Bremen-Arsten. Die Teile, die sie dort herstellen, können bis zu zehn Meter lang sein und bis zu 2,50 Meter hoch. Aber dennoch sagt er mit etwas hanseatischem Understatement: "Weniger als ein Prozent in so einem Passagierflieger sind von uns." Doch das Understatement darf er ruhig mal beiseitelassen. Denn Kuhn ist am Freitagabend im Finanzzentrum der Sparkasse Bremen als Handwerker des Jahres ausgezeichnet worden. Der 54-Jährige leitet zusammen mit seinem Stiefvater Peter Eickworth das Unternehmen in dritter und vierter Generation.
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Handwerkskammer-Präses Thomas Kurzke bezeichnete das Unternehmen als einen der Bremer "Hidden Champions", also einen heimlichen Weltmarktführer. Das könnte man auch wörtlich nehmen, denn wer zum ersten Mal ins Industriegebiet nach Arsten fährt, muss durchaus etwas suchen, bis er schließlich bei Eickworth vor der Tür steht. Wer dann allerdings im Unternehmen steht, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus, wieviel Hightech allein im Maschinenpark des Unternehmens steht.
Eickworth stellt nämlich vor allem die Werkzeuge her, die die Produktion eines Fahrzeugs oder eines Flugzeugs erst ermöglichen. Inzwischen produzieren sie auch für die Raumfahrt. Ebenso stellen sie die Prüfwerkzeuge her, um zu schauen, ob denn auch alles präzise hergestellt ist. Wie präzise, lässt sich so ausdrücken: Ein Haar ist zwischen 0,06 und 0,08 Millimetern dick. Bei Eickworth geht es darum, dass Abweichungen weiter darunter im Arbeitsalltag nicht vorkommen. Es geht dabei auch um Zuverlässigkeit.
Lockere Rumpfteile wie bei Boeing – nicht mit Eickworth
Und so kam auf dem Pressetermin vor der Preisverleihung Handwerkskammer-Präses Kurzke auf die Boeing-Maschinen zu sprechen, bei denen sich in den vergangenen Monaten Teile der Rumpfverkleidung gelöst hatten. Darauf sagte Kuhn spontan: "Mit uns wäre so was nicht passiert." Im Unternehmen stehen die verschiedensten CNC-Fräsen – darunter eben eine, die auf einer Länge von zehn Metern Aluminium und andere Teile bearbeiten kann. Die Formen, mit denen die Metalle in die richtige Rundung gebracht werden, stellt Eickworth unter anderem aus einem besonderen Kunstharzpressholz her, das sehr robust ist. Dieses Holz entwickelte Eickworths Großvater Max in den 1930er Jahren zusammen mit Otto Bosse und nannte es "OBO-Holz". Das war genau in der Zeit, als der Flugzeugbau in Bremen aufblühte. Dieses Holz trägt auch jetzt noch mit zum Geschäftserfolg bei.

André Kuhn steht am Freitag im Vordergrund mit dem Preis. Dahinter stehen (von links) der Hauptgeschäftsführer der Bremer Handwerkskammer, Andreas Meyer, Handwerkskammer-Präses Thomas Kurzke und Sparkassen-Firmenkundenvorstand Klaus Windheuser.
Das Unternehmen wächst stetig. Aus den 33 Beschäftigten vor vier Jahren sind inzwischen 38 geworden – gern möchte Kuhn weiter ausbilden. Deshalb verbindet er mit dieser Auszeichnung eine Hoffnung: Dass sich junge Menschen für das interessieren, was Max Eickworth macht: "Wenn irgendwo ein neues Fahrzeug präsentiert wird, kann es sein, dass man ein Jahr vorher schon zum Beispiel an einer Heckleuchte mitgearbeitet hat. Das macht einen schon stolz." Doch auch bei Max Eickworth sei eben leider der Fachkräftemangel zu spüren.
Keine Fließbandarbeit – jeder Auftrag eine neue Herausforderung
Die Bandbreite des Modellbauers sei breit. "Mit dieser Ausbildung braucht man hinterher nicht zu studieren", sagt Kuhn. Man hätte ein gutes Auskommen und arbeite auf Augenhöhe mit den Ingenieuren der Auftraggeber. Und es sei eben keine Fließbandarbeit – jeder neue Auftrag bedeute eine neue Herausforderung. Die könne auch schon mal mit Zeitdruck verbunden sein, wenn es der Auftraggeber mal wieder eilig hat. Der bisherige Rekord: Was eigentlich in einem halben Jahr hergestellt werden sollte, schaffte Kuhn mit seinem Team in neun Wochen: "Da waren einige Nacht- und Wochenendschichten notwendig."
Viele können sich nicht vorstellen, was ein Modellbauer alles am Computer entwirft und dann hämmert, fräst und prüft, um Muster, Modelle und die Werkzeuge für die Massenfertigung herzustellen. Der Begriff „Modellbauer“ habe früher immer wieder zu Missverständnissen geführt, wie Kuhn bereits in einem älteren Gespräch erläuterte: „Als die Gelben Seiten für jeden noch das Standardwerk schlechthin waren, bekamen wir immer wieder Anrufe, und die Leute fragten uns, ob wir ihnen nicht dieses Matchbox-Auto oder jenen Flitzer für die Carrera-Bahn reparieren könnten.“ Doch mit der Auszeichnung "Handwerker des Jahres" für diesen "Hidden Champion" in Arsten wird sich das nun hoffentlich ändern. Das Preisgeld in Höhe von 3000 Euro stiftet Kuhn an den Bremer Bürgerparkverein.