Herr Jaeger, die Gewoba steuert auf die nächste Jahresbilanz zu. Können Sie heute schon sagen, wie 2023 für Ihr Unternehmen gelaufen ist?
Christian Jaeger: Wir sind in einer gut planbaren Industrie unterwegs und gehen unsere Ziele langfristig an. Das vergangene Jahr, so viel ist bereits klar, schließt die Gewoba ähnlich ab wie im Jahr davor. Ich rechne mit einem Überschuss zwischen 25 und 30 Millionen Euro.
Ein Wohnungs- und Bauunternehmen trotzt der tiefen Krise in seiner Branche. Wie kann das sein?
Natürlich merken auch wir, dass die Preise zum Beispiel für Rohstoffe und Energie enorm gestiegen sind. Es gibt aber verschiedene Hilfen vom Bund, von denen wir, vor allem aber unsere Mieterinnen und Mieter, profitiert haben. Im vergangenen Jahr hat die Gewoba rund 120 Millionen Euro in die Modernisierung und Instandhaltung ihrer knapp 43.000 Bestandswohnungen investiert. Genauso, wie wir es geplant hatten.
Okay, die Förderprogramme des Bundes – bei den Zinsen helfen sie aber nicht. Die sind in die Höhe geschossen. Wie federt Ihr Unternehmen das ab? Die Gewoba braucht Kapital.
Stimmt. Stimmt beides. Wir brauchen Kapital, und das ist deutlich teurer geworden. Bei uns schlägt die Zinswende wegen der langen Kreditlaufzeiten aber noch nicht durch. Unser Fremdkapital von rund einer Milliarde Euro wird zurzeit im Durchschnitt noch mit ungefähr einem Prozent verzinst. Die Änderung nach oben kommt aber bald durch die Verlängerung bestehender Kredite, und wir müssen uns dafür rüsten. Auf mittlere Sicht wird die Belastung deutlich steigen. Innerhalb der nächsten zehn Jahre erwarten wir eine Vervierfachung des Zinsaufwands.
Das ist enorm. Noch einmal: Was tun Sie dagegen?
Die Gewoba betreibt Zinssicherungsgeschäfte. Und es gibt günstige Förderdarlehen der Europäischen Investitionsbank, an denen wir partizipieren. Das ist für uns mittlerweile ein wichtiger Baustein.
Sie benötigen Geld – auch für den Neubau. Vonovia, Deutschlands größter Wohnungskonzern, hat wegen der hohen Kosten vorerst alle Projekte gestoppt. Wie sieht’s bei Ihnen aus?
Unsere großen Investitionen laufen gerade. Das hängt damit zusammen, dass Bauprojekte einen langen Vorlauf haben. Die Gewoba konnte in den vergangenen Jahren durchschnittlich 200 Wohnungen fertigstellen. Momentan sind wir bei 300 bis 350.
Und in fünf Jahren? Planen Sie weiter? Sind Projekte in der Pipeline?
Wir haben im Augenblick 500 Wohnungen im Bau und 500 in fortgeschrittener Planung. Darüber hinaus wartet die Gewoba ab. Neue Projekte werden unter anderem von der Förderkulisse abhängen. Ideen haben wir natürlich und verfolgen sie auch, indem wir zum Beispiel Grundstücke sichten und mögliche Nutzungen ausknobeln. Wir bauen gerne, glauben Sie mir. Gleichzeitig wollen wir uns aber betriebswirtschaftlich nicht schaden.
Sagen Sie gerne, was und wie die Gewoba baut. Was für sie typisch ist.
Ein gutes Beispiel sind die sogenannten „Seehöfe“ auf dem Gelände der ehemaligen Scharnhorst-Kaserne in Huckelriede. Warum? Das Grundstück kommt von der öffentlichen Hand, in diesem Fall von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Sie unterstützt den Erwerb der Fläche mit 25.000 Euro pro sozial geförderte Wohnung, was natürlich eine gewaltige Hilfe ist. Es gab für das Projekt einen städtebaulichen Wettbewerb, auch das war gut und passt zu unserem Unternehmen, zumal dieser Prozess direkt in die Objektplanung münden konnte. Zusammengenommen ist es genau das, was wir am besten können: Ein ganzes Quartier bauen, hier mit rund 250 Wohnungen, um ihm ein Gewoba-typisches Gepräge zu geben – mit Begegnungsstätten, anderer wichtiger Infrastruktur und Einheiten unterschiedlicher Größe für eine ausgewogene soziale Mischung. Hinzu kommt, dass wir dabei lernen, wieder einfacher und günstiger zu bauen, auch in Serie. Ähnlich wie früher das dreigeschossige Mehrfamilienhaus mit zwei Eingängen – einmal geplant, 15-mal gebaut.
Das ist einer der Wege zu mehr Wohnungen, ein anderer wäre, auf der sogenannten grünen Wiese zu bauen, wie Bundeskanzler Scholz es vorgeschlagen hat. Es gab in Bremen mal Diskussionen über Brokhuchting und die Osterholzer Feldmark.
Ich erkenne in Bremen nicht die Notwendigkeit, im großen Stil neu zu bauen. Die Bevölkerungsprognose geht seitwärts, in fünf Jahren sogar mit einem kleinen Knick nach unten – und das unter der Prämisse, dass wir eine stete Nettozuwanderung erleben. Wir haben in Bremen nicht zu wenige Wohnungen, sondern zu wenige bezahlbare Wohnungen. Und für bezahlbare Wohnungen steht die Gewoba, im Bestand und beim Neubau. Wobei es uns bei begrenzten Ressourcen in erster Linie um die bestehenden Quartiere geht. Wir fühlen uns unseren Mieterinnen und Mietern verpflichtet. Deswegen bauen wir jetzt zum Beispiel je einen Supermarkt in Tenever und in der Gartenstadt Süd. Die werden dort dringend gebraucht.
Die Bauwirtschaft klagt über zu viele Vorschriften. Dass dagegen etwas getan werden muss, sehen mittlerweile auch die Bremer Grünen ein. Sie schlagen unter anderem vor, bei Umbauten nicht mehr die aktuellen Regeln anzuwenden, sondern jene aus dem Entstehungsjahr der Immobilie. Gut so?
Ja, unbedingt, das ist eine totale Vereinfachung. Niedersachsen hat das bereits vorgemacht, und ganz ehrlich, es geht auch gar nicht anders. Aufstockung und Umnutzung werden dadurch wesentlich unkomplizierter. Wir hätten unter solchen Bedingungen zum Beispiel besser mit dem Bundeswehrhochhaus umgehen können.
Weil Sie das Projekt in der Bahnhofsvorstadt ansprechen: Damit hat sich die Gewoba ein dickes Ei ins Nest gelegt. Kosten und Bauzeit sind Ihnen längst davongelaufen. Hand aufs Herz: Wäre ein Abriss besser gewesen?
Nein, auf keinen Fall. Wenn man für den Abriss nur eine Stange Dynamit gebraucht hätte oder die dicke Kugel, hätte es vielleicht einen Sinn ergeben. Das geht aber nicht. Der vorgeschriebene Rückbau mit sortenreiner Trennung der Schadstoffe ist enorm teuer. Aber Sie haben recht, es gibt die Verzögerungen, und teurer wird’s auch. Wenn ab jetzt alles gut läuft, könnte Ende kommenden Jahres immerhin die erste Wohnung bezogen werden . . .
. . . fast zwei Jahre später als geplant. Die Kosten waren mit rund 50 Millionen Euro veranschlagt. Wo liegen Sie jetzt? Bei 70 oder 80 Millionen?
Ich sag‘ mal so: Es sollten keine 80 werden, und 70 würden mir auch wehtun.