Herr Witthus, Sie sind wohl Bremens bekanntester E-Auto-Fahrer. Seit vielen Jahren sind Sie mit den Alternativen unterwegs und teilen auf Youtube Ihre Erfahrungen. Im neuesten Video sind Sie auf der Suche nach einer Ladesäule in der Stadt – nicht immer erfolgreich.
Dennis Witthus: Genau. Die Suche ist vor allem im letzten Jahr schwieriger geworden, nachdem die Zulassungen für E-Autos sprunghaft angestiegen sind. Die Ladeinfrastruktur ist nicht mitgewachsen.
Wie steht es denn aus Ihrer Sicht ums Ladesäulennetz in Bremen?
Meine Einschätzung ist, andere Städte sind da ganz klar kreativer und weiter. Hamburg hat schon 2014 einen Masterplan entwickelt, wie die Ladeinfrastruktur ausgebaut werden soll. Dort gibt es heute mehr als 1000 Ladepunkte.
Sie wünschen sich also mehr Engagement der Bremer Politik?
Ich wünsche mir mehr offensive Ansprache gegenüber Anbietern. Seit 2019 ist in Bremen nichts Nennenswertes mehr passiert. Das sind im Prinzip zwei Jahre Stillstand, während die E-Mobilität sich mehr oder weniger schnell durchsetzt. Das Konzept, Parkraum weiter zu verknappen durch einzelne Ladesäulen, die im Stadtraum positioniert werden, halte ich für falsch. Vielmehr sollte man Parks an den Rädern der Stadt schaffen mit mindestens acht Ladepunkten. Und es braucht eine ganz andere Ladetechnik.
Inwiefern?
In Bremen gibt es viel zu wenig Schnelllader. Es sind mir an den Ladesäulen schon häufig Menschen begegnet, die in Bremen gestrandet sind, weil sie keine Schnelllader gefunden haben. Da muss man schon ganz schön suchen oder ortskundig sein. Vor zwei Jahren war 50 KW schnell. Die heutigen Autos laden aber schon bis zu 250 KW. Eine Geschwindigkeit von 300 KW wäre also zeitgemäß. Die Nutzer wollen nicht viele Stunden auf einen vollen Akku warten.
Und es pressiert, weil eben mehr Menschen nach Ihrer Beobachtung umsteigen?
Ja. Und wir haben eine neue Generation von E-Auto-Fahrern. Pioniere wie ich haben noch in Kauf genommen, dass anfangs etwas nicht so gut funktioniert hat. E-Mobilität sollte heute aber ganz einfach sein – dazu gehört die Verfügbarkeit von Ladesäulen.
Ihr Video haben mehr als 15.000 Menschen gesehen. Und es gibt 150 Kommentare. Darin geht es um die Reichweite, Ihre Fahrkünste und Kritik an der Ladeinfrastruktur in Bremen. Denken Sie, dass Menschen vor dem E-Auto zurückschrecken, weil der Ausbau nicht ausreicht?
Ja, natürlich. Wir würgen damit die E-Mobilität ab – obwohl sie politisch ja gewollt ist. Das ist mir völlig unverständlich. In den Niederlanden sind ganze Parkdecks mit Strom versorgt. In Bremer Parkhäusern gibt es dagegen wenige Ladestellen. Insgesamt haben wir in der Innenstadt vielleicht 20 Ladepunkte. Das reicht doch nie und nimmer aus, wenn wir alle elektrisch fahren sollen! Insgesamt muss in Deutschland mehr ausgebaut werden, weil sonst das System kollabiert.
In Blumenthal betreiben Sie einen Markt für Heimtextilien. Zur Hälfte besteht der Fuhrpark aus Elektroautos. Wie läuft das?
Relativ problemlos. Der Fuhrpark wird am Haus geladen. Unser Radius für den Handwerksbetrieb ist etwa 70 bis 100 Kilometer groß. Es gibt passende E-Autos, Transporter und Nutzfahrzeuge auf dem Markt, sodass das Ganze funktioniert.
Tauschen Sie sich dazu auch mit anderen Unternehmern aus – wie als Youtuber?
Es fragen ganze viele Unternehmer an, die ihren Fuhrpark auch umstellen wollen. Ich bekomme viele Anrufe und Zuschriften und kann das kaum noch alles beantworten. Das Interesse ist riesengroß. Wir sehen derzeit ja auch, dass die Preise für die Kraftstoffe steigen. E-Mobilität wird in Zukunft die günstigste Form der Individualmobilität sein.
Die Reichweitenangst ist weiterhin verbreitet. Ist das auch die häufigste Frage an Sie: Wie weit kommst Du?
Genau. Das ist die Gretchenfrage der E-Mobilität. Und die richtige Antwort ist: Man kommt mit jedem E-Auto unendlich weit, nur zwischendurch muss man mal zur Ladesäule. Die neuen Modelle haben eine große Reichweite. Da brauchen Sie schneller selbst eine Pause zum Essen und Trinken.
Weil der eigene Akku schon vorher leer ist?
Ja. Meine Kinder haben sich schon beschwert, dass zu wenig Pausen auf der Fahrt in den Urlaub gemacht werden. Es gilt aber für alle, die sich den Kauf eines Elektroautos überlegen: Ihr müsst euer Leben ein bisschen ändern, ein bisschen gelassener sein. 180 auf der Autobahn wird mit einem überdurchschnittlichen Verbrauch bestraft.
Für Sie wäre das Tempolimit also kein Problem?
Ich fahre gerne auch mal schnell, aber ich bin für ein Tempolimit. Für die Fahrt mit einem Elektroauto reichen 100 bis 130 Kilometer pro Stunde. Das Reisen wird entschleunigt.
Das Gespräch führte Lisa Schröder.