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ÖPNV BSAG-Fahrer: "Der Ton ist deutlich rauer geworden"

Seit 27 Jahren ist Michael Rosenbaum Fahrer bei der BSAG. Im Interview spricht Rosenbaum darüber, wie sich seine Arbeit verändert hat und warum er eine Lohnerhöhung für überfällig hält.
03.03.2023, 05:00 Uhr
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BSAG-Fahrer:
Von Felix Wendler

Herr Rosenbaum, Sie arbeiten seit 27 Jahren als Fahrer bei der BSAG. Wie hat sich der Arbeitsalltag in dieser Zeit verändert?

Michael Rosenbaum: In der Anfangszeit war alles noch etwas kollegialer und menschlicher. Jeder hat auf den anderen aufgepasst. Wenn man mal einen Arzttermin hatte, konnte man den Dienst spontan tauschen. Das lag aber auch an dem System, damals wurden die Pläne noch mit der Hand geschrieben. Mittlerweile ist das alles etwas komplizierter. Mal eben zum Arzt zu gehen, ist nicht mehr drin.

Wenn Personal fehlt, ist man weniger flexibel. Liegt es auch daran?

Die Zahl der Mitarbeiter ist zwar insgesamt gestiegen, aber natürlich hat auch die Arbeit über die Jahre hinweg zugenommen. Im Großen und Ganzen ist der Stress mittlerweile extrem groß. Davon sind alle Beschäftigten betroffen. Innerhalb des Unternehmens führt das verständlicherweise zu Unmut. 

Der Personalmangel bei der BSAG ist schon länger bekannt. Der Krankenstand spielt eine Rolle, aber es scheint so, dass gerade der Beruf des Fahrers grundsätzlich an Attraktivität verloren hat. Worauf führen Sie das zurück?

Neben dem Stress ist es die Wertschätzung, die man nicht mehr bekommt. Man kriegt kein Lob, wenn man fünf Jahre lang alles richtig gemacht hat, aber einen Termin beim Gruppenleiter, wenn man einmal etwas falsch gemacht hat. Gute Arbeit wird als selbstverständlich angesehen, dabei sind wir auch nur Menschen, die Fehler machen. 

Welche Rolle spielen die Fahrgäste?

Das Fahrpersonal ist der erste Ansprechpartner, wenn etwas nicht funktioniert. Wir können nichts für technische Defekte, aber kriegen den Frust der Kunden trotzdem ab. Die wollen schnellstmöglich ihr Ziel erreichen, haben Termine. Dann fährt man mit einer Verspätung los, die nächste Haltestelle ist besonders voll: Das ist alles zusätzlicher Stress. Die Kunden können das aber nicht nachvollziehen, die sehen nur die Verspätung. 

Sind die Kunden kritischer geworden?

Mittlerweile kann jeder auf seinem Smartphone minutengenau sehen, wann die Busse und Bahnen abfahren sollen und wie viel Verspätung sie haben. Viele Leute stehen an den Haltestellen, gucken auf die Uhr und schütteln mit dem Kopf. Früher hat man auch mal einen Spruch zu hören bekommen: "Ist ja schön, dass Sie auch endlich kommen" – aber mit einem Lächeln. Das kommt kaum noch vor. Der Ton ist deutlich rauer geworden. Einige Fahrgäste werden wirklich beleidigend. Das beschäftigt einen, man nimmt es mit nach Hause, mit ins Bett und oft auch noch mit in den nächsten Tag.

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Es bleibt nicht immer bei verbalen Übergriffen. Vor einigen Tagen wurde ein Straßenbahnfahrer zusammengeschlagen. Ist das ein Thema im Kollegenkreis?

Das ist ein großes Thema unter den Kollegen. Wir machen einfach nur unseren Job, möchten sicher zur Arbeit und sicher wieder zurück zur Familie kommen. Ich war kürzlich für einige Wochen bei Ticketkontrollen dabei, weil ich mir einen Eindruck davon verschaffen wollte. Das ist Wahnsinn, was da abgeht. Beleidigungen sind an der Tagesordnung, auch körperliche Angriffe kommen vor. 

Wurden Sie schon mal angegriffen?

Zum Glück nicht körperlich. Ich hätte wahrscheinlich große Schwierigkeiten, damit umzugehen. 

Das Wort Wertschätzung ist gefallen. Geld ist dabei auch ein Aspekt: Wird Ihre Arbeit angemessen entlohnt?

Unter den aktuellen Umständen absolut nicht. Wir bringen Menschen von A nach B. Wenn ein Pilot das macht, kriegt er Applaus – für uns klatscht niemand. Wir haben jahrelang verzichtet, müssen mit der hohen Inflationsrate klarkommen und sehen, dass andere Unternehmen die Löhne deutlich gesteigert haben. 

Die Verhandlungen für einen neuen Tarif bei der BSAG haben begonnen. Verdi will 600 Euro mehr Bruttolohn für alle Beschäftigten. Mit welchem Ergebnis rechnen Sie?

Es wird auf einen Kompromiss hinauslaufen, aber wir erwarten von unseren Vertrauensleuten und dem Arbeitgeber eine deutliche Lohnsteigerung für alle BSAG-Beschäftigten. Das ist auch für die Mitarbeiterbindung und das Gemeinschaftsgefühl entscheidend. Für mich ist diese soziale Komponente wichtig: Dass man wieder zusammenrückt und Herzblut für das Unternehmen entwickelt. Es ist ja nicht alles schlecht, sonst wäre ich nicht so lange geblieben. Aber im Moment ist die Motivation wirklich im Keller.

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An diesem Freitag gibt es einen ersten Warnschuss: Die BSAG-Beschäftigten schließen sich dem Warnstreik im ÖPNV an. Stehen alle Kollegen dahinter?

Soweit ich das in Gesprächen mitbekommen habe, ist die Bereitschaft im Kollegenkreis groß. Wir werden für unser Anliegen streiken. Es geht ja auch um Existenzen, das muss man so drastisch sagen. Wenn draußen alles teurer wird, aber der Lohn gleich bleibt, dann funktioniert das einfach nicht.

Das Gespräch führte Felix Wendler.

Zur Person

Michael Rosenbaum (51)

ist Straßenbahn- und Busfahrer bei der BSAG. Außerdem lernt er neue Kollegen auf der Strecke an. Rosenbaum arbeitet seit dem Jahr 1996 für das Unternehmen.

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