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Studie des HWWI Containerschiffe verlieren an Bedeutung

Die Reedereien investieren weltweit in immer größere Containerschiffe. Warum die Zukunft allerdings im Schüttgut liegt, und warum der 3D-Druck daran Schuld ist, verrät eine neue Studie aus Hamburg.
27.03.2018, 21:35 Uhr
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Von Timot Szent-Ivanyi und Florian Schwiegershausen

Die internationale Schifffahrt ist im Umbruch. Nach mehr als neun Jahren Krise – ausgelöst durch die Schockwellen des Jahres 2008 – ist fast die Hälfte der 20 weltgrößten Reedereien durch Fusionen oder Pleiten verschwunden. Doch der Umbauprozess ist längst nicht am Ende. Nach einer am Dienstag vorgestellten Studie des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) und der Berenberg-Bank wird die Digitalisierung die Branche erheblich durchrütteln.

Nach Ansicht der Forscher werden mehrere Entwicklungen in der globalen Wirtschaft starke Auswirkungen auf die internationale Schifffahrt haben. Die Experten gehen zunächst einmal davon aus, dass das Transportvolumen nicht mehr so stark steigen wird wie in der Vergangenheit. Das erklären sie unter anderem mit dem Ende des Trends zur Globalisierung von Wertschöpfungsketten: Das kräftige Wirtschaftswachstum in den Schwellenländer hat dort zu höheren Löhnen geführt, wodurch sie als reine Produktionsländer zunehmend uninteressant werden.

Niedrige Löhne in Schwellenländern

Momentan dienen die Schwellenländer den Industrieländern als verlängerte Werkbank aufgrund der niedrigen Löhne. Handelt es sich um Elektronik und technische Geräte, werden die momentan per Container verschifft, beispielsweise von China oder Vietnam nach Europa.

Und an diesem Punkt liefert die Studie eine weitere Erkenntnis: Denn in der ­Produktion werden vor allem die 3D-­Druck-Technologie und die Autonomisierung der Prozesse durch Algorithmen und Roboter erhebliche Strukturveränderungen ver­ursachen. Die Studie sagt voraus, dass dies zu einer stärkeren Dezentralisierung der ­Produktion führen werde. Die Folge seien verkürzte Wertschöpfungsketten. Und damit werde auch das weltweite Transport­volumen sinken. Die Schiffe werden in Zukunft also weniger Fertiggüter transportieren.

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Die Bedeutung der Rohstoffe steige allerdings, darunter auch Seltene Erden wie Kobalt oder Lithium. Dadurch werden die Bulkschiffe gegenüber den Containerschiffen an Bedeutung gewinnen, um all diese Schüttgüter zu transportieren. Diese Schiffe werden laut HWWI überproportional von diesen strukturellen Umbrüchen profitieren. Das Institut spricht sogar davon, dass der Container und seine dominierende Bedeutung verlieren werden. Die Dezentralisierung werde ebenso dazu führen, dass weniger Vor- und Zwischengüter über die Meere transportiert werden.

Kritik an Studie

Der Geschäftsführer des Bremer Rhedervereins, Robert Völkl, kann gerade letzteren Aspekt aus der Studie nicht nachvollziehen: „Die Erfahrung der vergangenen 30 Jahre zeigt eigentlich, dass es eher umgekehrt ist und der Containertransport noch weiter zunehmen müsste.“ Gleichzeitig sei ein ausgeprägter Güterstruktureffekt zu beobachten: „Die Güter werden eilbedürftiger“, sagt Völkl. Eine verstärkte Nachfrage nach hochwertigen Gütern erhöhe die Anforderungen an Schnelligkeit und Qualität des Transports.

Die Forscher nennen in ihrer Studie als weiteren Faktor die demografische Entwicklung in den Industrienationen. Sie führt zu einer älter werdenden und schrumpfenden Bevölkerung. Das sorgt ihrer Meinung nach zu einer gedämpften Konsumnachfrage, was wiederum den Güterverkehr beeinflusst. Hinzu kommen die Folgen der Digitalisierung: Hier nennen die Experten den steigenden Konsum digitaler Güter, die im Gegensatz zu physischen Waren nicht verschifft werden müssen, also etwa gestreamte Filme statt DVDs.

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Das alles sind keine guten Aussichten für die Schifffahrt: Denn schon heute existieren massive Überkapazitäten, die zu fallenden Frachtraten geführt haben. Dieser Druck führte zu einer paradoxen Situation: Die Orderbücher für neue Schiffe sind prall gefüllt. Denn die Reeder wissen, dass sie den harten Verdrängungswettbewerb nur mit modernen und vor allem viel größeren Schiffen gewinnen können.

In der Kombination mit einer zunehmenden Vernetzung von Schiffen und Häfen liegt in dieser Entwicklung aber offensichtlich auch eine Chance – insbesondere für das Klima: Weniger, dafür aber größere Schiffe, deren Frachten und Routen besser koordiniert werden, belasten die Umwelt nicht so stark. Schließlich darf nicht vergessen werden, dass die meisten Containerschiffe auf hoher See heute noch immer mit schmutzigem Schweröl unterwegs sind. Als moderne Alternative bietet sich Flüssiggas an, kurz LNG. Das hat bereits in der Kreuzfahrtbranche und bei Fährschiffen Verbreitung gefunden.

Projekte für selbstfahrende Schiffe

Die Forscher haben sich auch mit der Frage beschäftigt, ob die Digitalisierung an anderer Stelle Kosten sparen kann, nämlich bei der Steuerung: Es gibt bereits Pilotprojekte für selbstfahrende Schiffe, die einmal ohne Crew übers Meer fahren sollen. Ab 2020 soll beispielsweise die „Yara Birkeland“, ein kleines Containerschiff, autonom seine Ladung an der Küste Norwegens transportieren. Die Experten vom HWWI gehen aber wahrscheinlich davon aus, dass deren ­ökonomischer Vorteil im Vergleich zu optimierten Logistikketten, geringen Wartezeiten, schnelleren Routen oder auch energieeffizienten Treibstoffen eher gering sein dürfte.

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Inwiefern Schiffe komplett auf Crews verzichten können, erscheint aus heutiger Sicht fraglich. Dazu müsste dann erst das rostfreie Schiff erfunden werden. Denn nach derzeitigem Stand ersetzt die Digitalisierung nicht die Mannschaft an Bord, zu deren wichtiger Aufgabe der Korrosionsschutz auf den Frachtern gehört. Auch das müsste erst noch erfunden werden.

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