Joachim Zimmermann hat viel zu erzählen. Das liegt an seinen Arbeitsfeldern, die persönliche Dramen, dreiste Vorstöße und menschliche Abgründe spiegeln können. Man hört und staunt, wenn Zimmermann aus seinen zahlreichen Dienstjahren berichtet, 47 an der Zahl.
Seit 1970 ist er Mitarbeiter des Finanzressorts. Zunächst war er im Finanzamt, dann in der Oberfinanzdirektion und der Steuerabteilung tätig. Seit 2004 ist er Leiter des Referats Innenrevision mit 30 Bediensteten sowie Anti-Korruptionsbeauftragter des Finanzressorts. „Meine Aufgaben sind sehr abwechslungsreich, ich habe große Gestaltungsfreiheit und kann meine Neugier befriedigen, im positiven Sinne. Das macht für mich den Reiz an meiner Arbeit aus.“
Bremen ist das einzige Bundesland, sagt Zimmermann, das eine gesetzliche Regelung zur Innenrevision habe. Danach muss für jede Dienststelle und jede Beteiligung eine Innenrevision zuständig sein. „Dahinter steht die Idee, dass wir uns selbst überprüfen müssen, das ist angenehmer, als wenn wir von außen auf Fehler aufmerksam gemacht werden.“
Die Innenrevision habe indes nichts mit dem zu tun, „was in schlechten amerikanischen Krimis darunter verstanden wird“. Ein Innenrevisor schaue in erster Linie nicht etwa den Kollegen auf die Finger, sondern sehe sich „komplexe Verwaltungsabläufe“ an und mache dabei Risikofelder aus, Schwachstellen im System, die unterschiedlichen Risiken unterliegen: „Es gibt nicht nur finanzielle, sondern auch technische, Sicherheits-, Mitarbeiter- und Imageschaden-Risiken.“ In einem „Risiko-Kataster“ werden solche Gefahren beschrieben, danach werden alle Abteilungen abgeklopft.
Risiken für einen Imageschaden
In einem Finanzressort sind laut Zimmermann das Finanz- und das Imageschaden-Risiko besonders hoch. Wo mit viel Geld umgegangen werde, da sei die Verführung groß, sich daran mit krimineller Energie zu bedienen, ob von schwarzen Schafen aus den eigenen Reihen oder durch Angriffe von außen. Aber auch Fehlsteuerungen aufgrund von versehentlichen Irrtümern und Versäumnissen könnten das Vertrauen in das Finanzressort erschüttern.
Das zu vermeiden, gehört zu den Aufgaben von Zimmermanns Team. „Die Risiken werden pro Abteilung eingeschätzt, und danach werden wir tätig.“ Das Resultat sind Prüfberichte, bestenfalls ohne Beanstandungen, ansonsten mit Verbesserungsvorschlägen.
Ein unablässig kontrollierter Bereich ist laut Zimmermann das SAP-System der Finanzbuchhaltung. Dort könne es nicht nur zu Fehlüberweisungen kommen, sondern auch zu falschen Zugangsberechtigungen. Grundsätzlich herrsche bei finanziellen Transaktionen das Vier-Augen-Prinzip.
„Ein Mitarbeiter erfasst und bereitet Geldtransfers vor, der Vorgesetzte ordnet sie elektronisch an.“ Durch den Wechsel von Bediensteten in andere Bereiche könne es versehentlich zu fehlerhaften Zuordnungen kommen, „sodass die erfassende und anweisende Rolle sich auf einer Person vereint“. Um unter anderem das zu verhüten, gibt es im Referat eigens IT-Revisionsprüfer.
Zimmermann hat auch mit anlassbezogenen Prüfungen zu tun, bei Auffälligkeiten oder Hinweisen. „Wir ermitteln aber nicht selbst“, betont Zimmermann. Sobald sich ein konkretes Verdachtsmoment ergebe, werden Polizei und Staatsanwaltschaft eingeschaltet. „Angenehm ist so etwas nicht, wenn es um Fehlverhalten im Öffentlichen Dienst geht. Dafür muss man eine gewisse Routine im Umgang mit Konflikten haben.“ Aus diesem Grund arbeiteten in diesem Bereich „exzellent ausgewählte Prüfer“, die sich beispielsweise als Betriebsprüfer im Finanzamt ihre Sporen erworben haben.
Die EU sei pingelig
In den Jahren seiner Tätigkeit in der Innenrevision und als Anti-Korruptions-Beauftragter hat Zimmermann viel erlebt: Fälle von Unterschlagung, gezielte oder unbeabsichtigte Bestechungsversuche aus der Wirtschaft mit Vergünstigungen wie Eintrittskarten oder Alkoholika. 2016 seien Mitarbeitern aus einer Anstalt öffentlichen Rechts von einem Unternehmen diskrete Umschläge mit Bargeld ausgehändigt oder hinterlassen worden. Die Folge: eine Strafanzeige wegen Bestechung.
Veranstalter von Gastspielen verteilten in Ressorts Freikarten, Handelsunternehmen böten Sonderkonditionen mit enormen Rabatten an. „Man glaubt gar nicht, wie vielschichtig das ist und wie oft es noch vorkommt“, sagt Joachim Zimmermann. Über die Absichten könne man nur spekulieren, in einigen Fälle handele es sich vermutlich um Versehen. „Meine Aufgabe ist vor allem die Prävention, dazu gehören Schulungen des Kollegiums.“
Für bremische Staatsdiener ist nämlich genau geregelt, was sie als kleines Dankeschön annehmen dürfen: so gut wie nichts. Keine selbstgehäkelten Topflappen als Dank für die Hilfe bei der Abgabe der Steuererklärung, keine Tafel Schokolade, kein Pfund Kaffee. Die einzige Ausnahme sind „geringwertige Aufmerksamkeiten“ wie Firmen-Kugelschreiber oder -Kalender mit Werbeaufdruck.
Zimmermanns Referat prüft auch im Interesse der EU-Kommission, nämlich die Verwendung von Geld aus europäischen Fonds, aus denen Bremen gefördert wird. Die EU sei pingelig, was den Einsatz ihrer Fördermittel betrifft. „Wir haben in der letzten Förderperiode der EU-Kommission bescheinigt, dass bei uns 250 Millionen Euro ordnungsgemäß verwendet worden sind.“ Ja, Joachim Zimmermann ist von Berufs wegen kleinlich, im Interesse der Steuerzahler in Bremen und Europa.