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i³-Life-Sciences-Cluster Nordwest Ein Labor für die Hosentasche

Hunde, Katzen, Pferde - sie alle können resistente Keime durch Wohnung oder Stall tragen. Mit einem Test-Kit wendet sich Q-Bioanalytic nun erstmals auch an Endverbraucher und deren Haustiere.
27.12.2017, 22:07 Uhr
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Ein Labor für die Hosentasche
Von Silke Hellwig

Die Q-Bioanalytic GmbH wendet sich seit Kurzem das erste Mal in ihrer Firmengeschichte an Endverbraucher. Bislang waren die Dienstleistungen, die Boris Oberheitmann und sein Team anbieten, auf andere zugeschnitten. Doch jetzt fordert die Firma Privatkunden auf: „Testen Sie Ihr Haustier auf MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus)“. Dabei handelt es sich um den sogenannten Krankenhauskeim, einen multiresistenten Erreger.

Das Unternehmen versteht sich darauf, „anhand ihrer DNA herauszufinden, welche Organismen in Proben enthalten sind, die wir untersuchen. Dabei ist es egal, ob es sich um Bakterien oder höhere Arten handelt“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter Oberheitmann. Bei den Proben handelt es sich um Wasser, Speichel oder Gewebe.

Die Organismen, die die Q-Bioanalytic GmbH schlimmstenfalls findet, sind beispielsweise Legionellen oder Salmonellen, Keime aller Art. Und die Methode, auf die sich die Mitarbeiter spezialisiert haben, nennt sich PCR: Polymerase-Chain-Reaction, auf deutsch: Polymerase-Ketten-Reaktion.

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Sie sorgt dafür, dass DNA außerhalb der Zelle so behandelt werden kann, dass sie Informationen preisgibt. Durch Hitze werden DNA-Doppelstränge künstlich aufgebogen, dabei wirkt mit der Polymerase ein Enzym, das der Temperatur standhält und dafür sorgt, dass sich die DNA künstlich vervielfältigt. Aus den beiden aufgebogenen Einzelsträngen entstehen jeweils Doppelstränge, die der gleichen Prozedur unterworfen werden.

Die Methode hat Oberheitmann nicht erfunden, doch er hat sie sich zunutze gemacht. Zunächst bot seine Firma PCR-Analytik als Service an, dann entwickelte es sogenannte Test-Kits, die entsprechend ausgerüstete Labors befähigen, ohne großen Aufwand die Untersuchungen auszuführen.

Die Kunden: Lebensmittelunternehmen, Labors, Kliniken, Universitäten, Forschungsinstitute in der ganzen Welt. Q-Bioanalytic sei nicht der einzige Anbieter solcher Kits. Aber: „Wir sehen unser Produkt schon weit vorne in der Funktionalität. Das Verfahren ist kompliziert, aber die Anwendung einfach.“

Ein weiterer Schritt

Die Firma hat sich aus der Uni Bremen entwickelt, aus dem Zentrum für Umweltforschung, wo sich die Biologen Boris Oberheitmann und Carsten Harms auf Risikoforschung konzentriert hatten. Harms ist inzwischen Professor an der Hochschule Bremerhaven und leitet das Bremerhavener Institut für angewandte Molekularbiologie, das auch zum i³-Life-Science-Cluster gehört.

Die ersten Kunden des Start-Ups rekrutierten sich aus den Lebensmittelunternehmen in Bremerhaven. Daraus erwuchs „ein Servicelabor für Lebensmittel, Arzneimittel-, Kosmetik- und Trinkwasseranalysen“. Q-Bioanalytic beschäftigt 15 Mitarbeiter, der Umsatz bewegt sich laut Oberheitmann „im Millionenbereich“.

Nun hat die Firma einen weiteren Schritt getan – die Entwicklung von Verfahren auf Basis der PCR-Methode, die es ermöglicht, Proben ohne spezielle Laborausrüstung zu untersuchen. „Unsere Idee ist, ein Verfahren zu entwickeln, mit dem der DNA-Nachweis aus hoch spezialisierten Labors herausgelöst und ganz nah am Kunden ausgeführt werden kann.“

Am Ende steht ein Test-Kit

Resultat sind Test-Kits, die auf PCR-Basis gefährliche Erreger nachweisen können, schnell und zuverlässig, aber simpel in der Handhabung. Diese Entwicklung ist Gegenstand des Projekts „m-Health“, für das Bundesfördermittel in Höhe von 600.000 Euro eingeworben wurden. Q-Bioanalytic forscht daran gemeinsam mit drei anderen Cluster-Mitgliedern (der Silberpharma GmbH, der Uzuner Consulting GmbH und dem Bremerhavener Institut für angewandte Molekularbiologie).

Am Ende der Forschungs- und Entwicklungsarbeit soll ein Test-Kit stehen, das innerhalb weniger Stunden molekularbiologische Diagnostik anzeigen kann. Die Anwendungsmöglichkeiten sind laut Oberheitmann vielfältig: Sie reichen von Nahrungsmittelunverträglichkeiten über Antibiotika-Resistenzen und bis zum Nachweis der Erreger von Tuberkulose, Malaria oder Cholera.

Adressaten solcher Kits sollen Hausärzte und Apotheken sein. Ob TBC oder MRSA, wichtig sei es, Erreger so schnell wie möglich zu identifizieren. Mit der im „m-Health“-Projekt entwickelten Methode soll die Untersuchung von Speichelproben innerhalb von zwei Stunden möglich sein, herkömmliche mikrobiologische Verfahren brauchen 24 bis 48 Stunden. Beim Verlassen der Praxis weiß der Patient, ob er mit multiresistenten Erregern besiedelt ist. „Dann kann man sehr schnell entscheiden, was zu tun ist.“

Schnelltest für Malaria

Ähnliche Entwicklungen treiben die Bremerhavener Spezialisten – unter anderen gemeinsam mit Fachleuten der Hochschule Bremerhaven und dem Alfred-Wegener-Institut – für die Keimbelastung von Ballastwasser von Schiffen voran. Über das Wasser, das dazu da ist, Lasten auszugleichen, werden auch gefährliche Keime von einem Ende der Welt zum anderen verschifft.

Am Ende der Forschung soll ein Test-Kit stehen, das jeder Kapitän anwenden kann, um Ballastwasser zu untersuchen – und die entsprechende Behandlung in die Wege zu leiten. Ein weiteres, von der EU finanziell gefördertes Forschungsprojekt dient dazu, einen molekularbiologischen Schnelltest für Malaria zu entwickeln, dem die PCR-Methode zugrunde liegt. Hier arbeiten die Bremerhavener unter anderem mit dem Royal Tropical Institute in Amsterdam zusammen.

Zurück zum Privatkunden: Ob Hund oder Katze, Pferd oder Papagei – Haustiere gelten als Keimschleudern, die auch resistente Bakterien an ihre Besitzer weitergeben oder sich einfangen können. Wer schon eine MRSA-Sanierung hinter sich gebracht hat oder zu einer Risikogruppe zählt (wie Tierärzte, Landwirte, Menschen mit Pflegeberufen), kann bei Q-Bioanalytic überprüfen lassen, ob sein Haustier resistente Keime durch Wohnung oder Stall trägt.

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