Afrika spielte als Wirtschaftsstandort jahrzehntelang keine Rolle im globalen Handel. Das hat sich seit einigen Jahren geändert. Inzwischen weisen viele afrikanische Länder Wachstumsraten auf, die deutlich über den europäischer Staaten liegen. Und das weckt auch das Interesse der Verkehrswirtschaft in Deutschland. So setzt die Hamburger Reederei Hapag-Lloyd auf den wachsenden Markt in Afrika und hat in dieser Woche ein neues Büro für Westafrika in Ghana eröffnet. Auch für Bremer Unternehmen bieten sich dort laut Bremer Rhederverein große Chancen.
Bislang sind die Transportdienstleistungen zwischen Bremen und Afrika aber recht überschaubar: Nur eine Reederei bietet einen Liniendienst an – das aber sehr erfolgreich und schon seit 1990, also lange bevor Afrika als Wirtschaftsstandort wahrgenommen wurde. Regelmäßig pendeln seitdem Frachter der Bremer Bocs-Reederei entlang Afrikas Westküste. Sie bringen Nahrungsmittel oder Baustoffe, auch ganze Projektladungen für große Industrie- oder Infrastrukturvorhaben. Zurück nach Europa geht es vornehmlich mit Holz und anderen Rohstoffen. „Wer sich auf Afrika richtig einlässt, kann auch die Chancen nutzen“, hat Bocs-Gründerin und Firmenchefin Ilse Fliege schon vor Jahren gesagt.
Stark wachsende Volkswirtschaft in Ghana
Von den Wirtschaftszahlen her gibt es in Afrika einige Länder, in denen die Entwicklungskurve steil nach oben zeigt. Mit einem Anstieg von durchschnittlich sechs Prozent ist das Bruttoinlandsprodukt in Westafrika in den vergangenen zwei Jahren deutlich gewachsen. Ghana gehört in der Region zu den am stärksten wachsenden Volkswirtschaften. Wesentlicher Treiber ist der Handel mit Gold, aber auch die Öl- und Gasproduktion. Zu den wichtigsten Exportgütern Ghanas gehören Kakao, Holz und Cashewnüsse.
„Afrika galt jahrzehntelang als der verlorene Kontinent", sagt Robert Völkl, Geschäftsführer des Bremer Rhedervereins, der von 30 Bremer Reedereien 25 zu seinen Mitgliedern zählt. "Das wirtschaftliche Potenzial von Afrika wurde lange unterschätzt." Dabei sei der Kontinent reich an Bodenschätzen, die industriellen Möglichkeiten der afrikanischen Länder stünden erst am Anfang. "Die Chinesen haben die wirtschaftlichen Aussichten Afrikas erkannt und investieren massiv in seine Entwicklung, nicht zuletzt auch, um sich den Zugriff auf die Bodenschätze zu sichern." Mit der absehbaren Entwicklung Afrikas werde auch die Bedeutung seines Außenhandels und damit des Seeverkehrs zunehmen. "Viele Häfen Afrikas können nur kleine bis mittelgroße Schiffe aufnehmen, die zum Teil Geschirr, also bordeigene Kräne benötigen", sagt Völkl. Die Bürokratie und geschäftlichen Umgangsformen in Entwicklungsländern seien nicht immer einfach. "Genau diese Umstände bieten Chancen für die klein- und mittelständisch geprägten Reedereien in Bremen und der Ems-Achse." Dort könnten sie Nischen besetzen, "in die große Reedereien nicht ohne Weiteres vordringen können.
Allerdings haben auch schon Groß-Reedereien den Kontinent als wichtigen Standort entdeckt: So steuert Hapag-Lloyd vom neuen Büro in Tema, der wichtigsten Hafenstadt in Ghana, ab sofort seine gesamten Aktivitäten in Westafrika. „Ich freue mich sehr, dass unsere verstärkte Präsenz in Westafrika erste Erfolge zeigt", sagt Hapag-Lloyd-Operations-Vorstand Anthony Firmin. "Unser West-Africa-Express-Service von und nach Westafrika läuft schon seit Jahren außerordentlich erfolgreich und wird von den Kunden sehr gut angenommen.“ Mit dem neuen East-Africa-Service, der Saudi Arabien mit Kenia und Tansania verbinde, "haben wir ein weiteres neues Fahrtgebiet erschlossen. Dadurch binden wir Afrika noch stärker an unser weltweites Netzwerk an und profitieren insgesamt von einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung in großen Teilen Afrikas.“
Auch SAECS, eine Kooperation der Reedereien Safmarine, Mitsui OSK Lines, Deutsche Afrika-Linien und der Maersk Line, betreibt einen Linienverkehr zwischen Europa und Südafrika. Dabei werden in Europa neben Rotterdam und London Gateway auch Bremerhaven.
Exportmärkte für die deutsche Wirtschaft
Was die wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Afrika und Bremen angeht, haben sich laut Handelskammer bislang die allermeisten Unternehmen auf ausgesuchte Regionen spezialisiert, die vor allem entlang der Küsten liegen. Als Exportmärkte für die deutsche Wirtschaft insgesamt gelten im Wesentlichen nur Nordafrika und Südafrika. Grund dafür sei, dass Afrika mit seinen 54 Ländern und seiner großen Anzahl an Ethnien zu heterogen und seine Märkte zu unterschiedlich entwickelt seien.
Afrika, wo über 1,1 Milliarden Menschen leben, hat zusammengenommen in der bremischen Außenhandelsstatistik mit einem Gesamthandelsvolumen von 760,5 Millionen Euro (2016) nicht mehr Gewicht als Österreich mit 840 Millionen Euro. Hier leben hingegen nur 8,8 Millionen Menschen leben. Der afrikanische Kontinent bleibt aber weiterhin interessant für die bremische Wirtschaft: Immerhin wird für dieses Jahr ein Wachstum von 4,5 Prozent vorhergesagt. Nicht von ungefähr bricht deshalb im Juni die Handelskammer Bremen zu einer Delegationsreise nach Afrika auf in Kooperation mit dem Bremer Senat. Mit dabei sind 35 Bremer Unternehmer.