Aus dem Hamburger Hafen ist bereits Jubel über die neue Regelung zur Einfuhrumsatzsteuer zu hören. Manch einer will deshalb auch schon das Knallen eines Sektkorkens vernommen haben. Im Rahmen des Corona-Konjunkturpakets haben Bundestag und Bundesrat beschlossen, dass die Einfuhrumsatzsteuer später fällig wird – und zwar erst zum 26. des zweiten Monats, der auf die Einfuhr folgt. Das Bundesfinanzministerium schrieb dazu im Juni in seiner Presseerklärung: „Dadurch wird eine Angleichung der Wettbewerbsbedingungen an andere Mitgliedstaaten der EU erreicht, in denen eine unmittelbare Verrechnung von Einfuhrumsatzsteuer und Vorsteuerguthaben möglich ist.“
Die Einfuhrumsatzsteuer musste in Deutschland bisher auch dann sofort bezahlt werden, wenn Waren hier nur Zwischenstation machten - also in andere Länder weitertransportiert wurden. Die Steuer wurde den Firmen zwar später zurückerstattet, doch für den Hamburger Hafen war das ein Wettbewerbsnachteil. „Das hat uns Ladung und Arbeitsplätze gekostet“, sagt Ingo Egloff von Hafen Hamburg Marketing. Für Daniel Hosseus Empfinden ist der Jubel im Hamburger Hafen etwas zu groß ausgefallen. Er ist der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS): „Natürlich freuen wir uns über den Schritt aber eine absolute Angleichung ist das noch nicht.“
Aber zumindest auf einen solchen Schritt musste die Branche lange warten. Robert Völkl, Geschäftsführer vom Verein Bremer Spediteure (VBSp), beschäftigt sich seit 1993 mit dem Thema – seit Einführung des Europäischen Binnenmarkts. Wenn ein deutscher Importeur beispielsweise Ware aus den USA über Rotterdam oder Antwerpen in die EU einführt, muss er den Erwerb in seiner Umsatzsteuervoranmeldung als Steuerschuld anmelden. Am Ende erfolgt das dort ohne Einsatz von Liquidität, wenn sich dort eine innergemeinschaftliche Lieferung nach Deutschland anschließt. Völkl erläutert: „Wenn die Einfuhr über Bremerhaven erfolgt, muss er dort direkt die Einfuhrumsatzsteuer zahlen. Da werden also reale Zahlungsströme ausgelöst, auch wenn die Steuer später wieder erstattet wird.“ Aber Rotterdam und Antwerpen machen es dem Importeur am Ende einfacher.
Verbesserung der Wettbewerbssituation
Grundsätzlich begrüßen die Spediteure diesen Schritt, mit dem das Ministerium den Importeuren Liquidität verschaffen wollte. Den Spediteuren macht es aber nun mehr Aufwand, wie Thorsten Dornia erläutert. Er ist einer der Geschäftsführenden Gesellschafter beim Bremer Logistikunternehmen Brelog und seit Kurzem auch VBSp-Vorstandsmitglied. Er sagt: „Auf der einen Seite bedeutet die Verschiebung der Fälligkeit eine seit Langem geforderte Verbesserung der Wettbewerbssituation der deutschen Häfen im Vergleich zu der Fiskalzollabfertigung über die Häfen in den Niederlanden und Belgien. Auf der anderen Seite sind zukünftig zwei Fristen (unterschiedlich für Zölle und Einfuhrumsatzsteuer) zu administrieren, sodass der Arbeitsaufwand für die Logistikunternehmen steigt. Insgesamt wird die Fristverlängerung aber sehr begrüßt."
Bremens Häfensenatorin Claudia Schilling (SPD) freut sich ebenso über die veränderte Fälligkeit: "Gemeinsam mit anderen Ländern hat sich der Bremer Senat seit langer Zeit dafür eingesetzt, bestehende Wettbewerbsnachteile deutscher Unternehmen gegenüber europäischen Wettbewerbern in diesem Bereich abzusenken." Schilling sieht dies als Grundlage dafür, um die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer so schnell wie möglich auf das sogenannte Verrechnungsmodell umzustellen. "Ich bin aber überzeugt davon, dass wir mit der jetzigen Änderung bereits erste positive Effekte für importierende Unternehmen erreichen werden.“ Dem schließt sich Bremens Hafengesellschaft Bremenports an.
Zuvor hatte sich Hamburgs Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) darüber hinaus geäußert: „Die Lösung gibt Unternehmen einen Liquiditätseffekt von circa fünf Milliarden Euro und ermöglicht den Unternehmen in Deutschland eine Gleichstellung im Wettbewerb mit unseren europäischen Nachbarn.“ Wie hier Hamburgs Wirtschaftssenator auf fünf Milliarden Euro kommt, kann Robert Völkl nicht ganz nachvollziehen. Der Geschäftsführer vom Verein Bremer Spediteure hat den Taschenrechner gezückt, um die Zahlen nachzuvollziehen: „Wenn es fünf Milliarden wären, dann hätten wir im vergangenen Jahr in Deutschland eine Wareneinfuhr im Wert von mehr als zwei Billionen Euro haben müssen.“ In Wirklichkeit lag der Wert aber bei mehr als 1,1 Billionen Euro. Daher hält Völkl eine Summe bei weniger als die Hälfte für realistischer.
Mit der Umsetzung dauert es aber noch. Das Bundesfinanzministerium will per Brief mitteilen, ab wann damit zu rechnen ist. ZDS-Hauptgeschäftsführer Hosseus hat vernommen, dass das bis Januar 2021 der Fall sein soll. Von Bremens Finanzsenator Dietmar Strehl (Grüne) ist zu hören, dass er und seine Kollegen aus den anderen Bundesländern das Thema weiter verfolgen werden. Das kann auch Hosseus so bestätigen. Was die absolute Angleichung an die Praxis in Belgien und den Niederlanden angehe, brauche es Zeit, gibt Hosseus zu bedenken: „Sie müssen schon realistisch zwei bis drei Jahre für eine solche Umsetzung rechnen.“ Auch bei der Erfassung der Einfuhrumsatzsteuer brauche es in den Bundesländern eine entsprechende kameralistische Erfassung: Hosseus weiß allerdings von dem Zeitplan, dass die Minister 2023 überprüfen wollen, wie sich die Umstellung ausgewirkt hat, und 2024 wollen sie dann schauen, wie es mit den nächsten Schritten weitergeht.