Kann ein Vermieter bei einer energetischen Modernisierung einfach so die Miete bei einer Sozialwohnung mit Mietpreisbindung erhöhen? Konkret sieht es vor dem Bremer Landgericht danach aus, dass die Richter zugunsten der Mieter entscheiden werden.
Die Vonovia hatte in drei Fällen ein Wohnhaus energetisch modernisiert. Seit 2019 dürfen Vermieter bei herkömmlichen Wohnungen acht Prozent der Summe auf die Miete umschlagen, vorher waren es bis zu elf Prozent. Auch die Mieter einer Sozialwohnung sollten einen Teil der Kosten tragen. Drei davon zogen deshalb vor Gericht. Zum Teil hatte das Amtsgericht bereits vor drei Jahren zugunsten der Mieter entschieden.
Besonders ist dabei der Fall einer Rentnerin. Sie lebt seit 1999 in einer 59-Quadratmeter-Wohnung auf dem Peterswerder. Für ihre Sozialwohnung zahlt sie jeden Monat eine Kaltmiete von 177,88. Ab Juni 2016 verlangte Vonovia 70 Euro mehr – also eine Erhöhung von knapp 40 Prozent. Diese zahlt sie unter Vorbehalt.
Länder sind zuständig für Sozialwohnungen
Bei der Erhöhung berief sich Vonovia auf den Paragrafen zehn des Wohnungsbindungsgesetzes und die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben in Bonn. Man war sich sicher, dass dies die zuständige Stelle für preisgebundene Wohnungen sei, bei der man vorstellig werden müsse. Die Bremer Amtsrichterin sah das damals anders: 2006 gab es eine Föderalismusreform, bei der das Feld des sozialen Wohnungsbaus vom Bund auf die Länder überging. Entsprechend entstanden auf Länderebene dazu die nötigen Gesetze, so auch im kleinsten Bundesland das Bremer Wohnungsbindungsgesetz. Nach Paragraf drei dieses Gesetzes darf die Förderungsmiete nur dann erhöht werden, wenn die zuständige Bewilligungsstelle zugestimmt hat. Das ist in diesem Falle die Bremer Aufbau-Bank. Ob sie damals von der Vonovia konsultiert wurde, durfte die Bank damals aus datenschutztechnischen Gründen nicht sagen.
In der Verhandlung am Mittwoch ließ die Erste Zivilkammer eine Entscheidung zugunsten der Mieter durchblicken: "Der Mieter muss die Kosten nachvollziehen können, und dazu gehört möglicherweise auch, dass man beim Endbetrag die Modernisierungskosten mit aufschlüsselt. Das lässt sich weder aus dem Schreiben an den Mieter entnehmen noch aus den Anlagen." Die vorgelegten Berechnungen reichen dem Gericht nicht aus. Damit sieht die Kammer die Mieterhöhung nicht als ausreichend begründet. Auch eine Revision würde sie nicht zulassen. Vonovia-Sprecher Christoph Schwarz sagt: "Die formelle Wirksamkeit unserer Mietanpassungen auch bei preisgebundenem Wohnraum wurde durch ein aktuelles, noch nicht veröffentlichtes BGH-Urteil bestätigt." (AZ: VIII ZR 246/20). Die Bremer Zivilkammer fußt ihre Argumentation allerdings auf der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
Preisbindung für Wohnung bis 2076
Während bei vielen Sozialwohnungen die Preisbindung oft nach 20 Jahren ausläuft, ist es im Fall der Rentnerin anders: Bei ihr ist die Miete noch bis ins Jahr 2076 preisgebunden. Bereits 2019 sagte die Rentnerin dazu dem WESER-KURIER: "Das werde ich garantiert nicht mehr erleben, aber es ist wie ein Sechser im Lotto.“ In Deutschland gibt es noch eine kleine Anzahl an Sozialwohnungen dieser Art, bei denen die Preisbindung auf bis zu 99 Jahre festgesetzt ist. Oft handelt es sich dabei um frühere Wohnungen der Deutschen Bundespost oder der Deutschen Bundesbahn. Laut Vonovia sind von ihren 11.000 Bremer Wohnungen etwa 20 Prozent mit Preisbindung.
Der Mietrechtsanwalt Valentin Weiß beantragte für die drei Mieter die Zurückweisung der Berufung. Der Vonovia-Vertreter beantragte Revision, um vor den Bundesgerichtshof ziehen zu können. Am 15. Juni verkündet das Landgericht seine Entscheidung.