Die Schafe nebenan haben sich anscheinend schon an die weißen Container gewöhnt. Nur der Menschenauflauf am Donnerstag schien ihnen nicht so ganz geheuer. Vor mehr als 100 Gästen aus Politik und Wirtschaft hat der Energieversorger EWE sein neues Hybridspeicherwerk in Varel offiziell in Betrieb genommen. Selbst von der A29 aus in Richtung Wilhelmshaven kurz vor der Ausfahrt Varel/Obenstrohe sind die Container auf der rechten Seite nicht zu übersehen.
In 20 dieser weißen Kisten lagern Lithium-Ionen-Akkus, und in fünf größeren davon befinden sich Natrium-Schwefel-Akkus (NAS). Sie sollen in Zukunft den Strom speichern, der von den Offshore-Windrädern in Spitzenzeiten erzeugt wird, um ihn in schwächeren Zeiten ins Stromnetz wieder abzugeben. Er würde reichen, um 25 000 Haushalte, also in etwa die Stadt Varel, für fünf Stunden mit Strom zu versorgen. Die Kapazitäten reichen, um insgesamt 22,5 Megawattstunden zu liefern. In den restlichen zwölf Containern befinden sich Wechselrichter, Steuerungselektronik und Schaltanlagen.
24 Millionen Euro an Kosten
Das Besondere an diesen Riesenbatterien: Die Kosten in Höhe von 24 Millionen Euro wurden mehrheitlich von der japanischen Wirtschaftsförderungsbehörde Nedo bezahlt. Von deutscher Seite ist das Unternehmen Be.storaged, eine Tochter des Energieversorgers EWE, beteiligt. Warum Japan so ein Projekt in Deutschland finanziert, machten die freundlichen Worte der japanischen Vertreter bei der Eröffnung deutlich. So sagte Misao Nakagawa, der Vize-Präsident von Hitachi Chemical, die am Aufbau des Speichers beteiligt waren: „Deutschland ist weltweit führend in der Umwelttechnik. Durch den Betrieb des Speichers wollen wir Erkenntnisse für den Stromhandel sammeln.“ Denn während Deutschlands Stromnetze verbunden sind mit denen der Nachbarländer, und es in Leipzig die Strombörse gibt, ist Japan als Inselstaat noch autark. Hier gibt es keine Stromverbindung zu einem anderen Land genauso wenig wie einen Strommarkt.
Gemeinsam voneinander profitieren
Ebenso führte Shigeru Kobayashi die Bedeutung dieses Projekts in Friesland an. Er ist Senior-Vizepräsident bei NGK, dem Weltmarktführer für Natrium-Schwefel-Akkus, und sagte, dass Deutschland ein wichtiger Markt sei. Japan hat also die Batterien, Deutschland hat Erfahrung mit der Infrastruktur rundherum. So ergänzte der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Enak Ferlemann (CDU): „Japan hat vieles, was wir technologisch für die Energiewende gebrauchen können.“ Energiewende sei auch Sektorenkopplung: „Wir müssen jetzt aus der reinen Energieerzeugung raus und rein in die Mobilität und in die Verbrennung im Haus. Zur Netzsteuerung müssen wir Energie speichern können.“
Als Beispiel nannte Ferlemann auch die Möglichkeit, mit dem gewonnen Strom Wasserstoff oder synthetisches Erdgas zu erzeugen, den man wiederum speichern kann. „Wir hoffen, dass wir noch an vielen Stellen in einer deutsch-japanischen Zusammenarbeit die Energiewende gemeinsam schaffen und der Welt zeigen können, dass die besten Nationen Deutschland und Japan sind“, schloss der Staatssekretär seine Rede. Sowohl der japanische Botschafter in Deutschland, Takeshi Yagi, als auch Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) beschworen hier die Gemeinsamkeiten und die Verbindungen zwischen beiden Ländern. Im kommenden Jahr soll es außerdem eine Delegationsreise nach Japan geben.
Beispiel aus Niedersachsen für die Welt
Der Vertrag für das Projekt wurde offiziell in Hannover auf der Cebit 2017 geschlossen. Damals war Olaf Lies (SPD) noch Wirtschaftsminister. In seiner Funktion als Umweltminister war er auch bei der Eröffnung. Außerdem war es für ihn als gebürtigen Wilhelmshavener fast ein Heimspiel. Er sagte unter anderem zur Eröffnung des Speichers: „Wir werden in Niedersachsen das Weltklima nicht retten können, aber wir können der Welt zeigen, dass Wohlstand und Wachstum ohne CO2-Ausstoß möglich sind.“
Was nun besonders an diesem Speicher ist, ist die Kombination aus Lithium-Ionen und Natrium-Schwefel. Der Geschäftsführer der japanischen Wirtschaftsförderung Nedo, Takashi Omote, erklärte das so: „Lithium-Ionen sind die Sprinter, und Natrium-Schwefel sind die Marathonläufer.“ So können die Lithium-Ionen-Akkus den Strom schneller aufnehmen und schneller wieder abgeben. Die Natrium-Schwefel-Akkus brauchen länger für die Aufnahme, geben den gespeicherten Strom aber auch langsamer ins Netz wieder ab. Bei Bedarf geben die Akkus also mehr als 11,5 Megawatt Leistung ins Stromnetz ab oder nehmen sie daraus auf. Auf die Akkus in den Containern gibt es eine Garantie von zehn Jahren – anders gerechnet bedeutet das zwischen 4000 und 8000 Ladezyklen. Die Anlage geht jetzt für eineinhalb Jahre in die Testphase und wird danach von der EWE-Tochter Be.storaged weiter betrieben.
Im März begannen die Arbeiten für die Riesenbatterien. Immer mit dabei waren auch japanische Ingenieure, die über Monate in Oldenburg und in Bremen wohnten. Die Zusammenarbeit mit den deutschen EWE-Kollegen sei super und geprägt gewesen von der gemeinsamen Leidenschaft für die Technik. Die Ingenieure sind inzwischen nach Japan zurückgekehrt. NGK-Senior-Vize-Chef Shigeru Kobayashi sagte, woran sie unter anderem zurückdenken werden: „Sie werden das Jever vermissen.“ Von Hitachi Power Solutions werden nun die Ingenieure nach Deutschland kommen für den Betrieb der Anlage. Deren Vorstand Kenji Kagimori sagte: „Sie freuen sich neben den Kenntnissen über den Stromhandel ebenso im Winter auf die Weihnachtsmärkte, im Frühjahr auf den Spargel und im Sommer darauf, auch Fußballspiele zu schauen.“