Die Raumfahrt-Bundesländer Bremen, Bayern und Baden-Württemberg fordern eine Verdoppelung des deutschen Raumfahrtetats. In den kommenden drei Jahren müsse Deutschland sich mit zwei Milliarden Euro jährlich am Budget der Europäischen Weltraumorganisation Esa beteiligen; das Budget für nationale Raumfahrtprojekte müsse auf eine Milliarde Euro pro Jahr aufgestockt werden. Das geht aus einem Papier hervor, das die Regierungschefs der drei Bundesländer am Donnerstag in Berlin vorstellten.
Dass der gemeinsame Auftritt vor der Hauptstadtpresse etwas Besonderes sei, betont der bayrische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gleich zu Beginn: "Dass Bayern und Bremen eine gemeinsame Pressekonferenz machen, ist neu", bemerkt Söder, der bei anderer Gelegenheit gerne mal das Existenzrecht des kleinsten Bundeslandes infrage stellt. Aber beim Thema Raumfahrt wollen sich die drei führenden Standorte der deutschen Raumfahrtindustrie eng zusammenschließen: "Wir sind vielleicht nicht die Space Cowboys, aber die Space Connection", versichert Söder, der bekennende Raumfahrt- und Science-Fiction-Fan. "Science Fiction ist die Vorstufe zur Innovation von heute", philosophiert der Bayer, und Deutschland müsse sich entscheiden, ob es bei dem Technologieschub, der weltweit von der Raumfahrt ausgehe, dabei sein wolle oder nicht.
"Niemand möchte von Starlink abhängig sein"
Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) ist zwar nur der Regierungschef des mit Abstand kleinsten der drei Bundesländer, sieht sich aber beim Thema Raumfahrt auf Augenhöhe mit den Bayern und Baden-Württembergern: 140 Unternehmen, 20 Forschungseinrichtungen, 12.000 Beschäftigte – die Luft- und Raumfahrtindustrie ist für Bremen "ein zentraler Wirtschaftsfaktor", rechnet Bovenschulte vor, "ein Treiber für Wachstum, Forschung und Innovation". Und mittlerweile mehr denn je auch ein "Eckpfeiler unserer Souveränität" angesichts der Zeitenwende in Europa und im transatlantischen Verhältnis: "Niemand möchte seine Souveränität von Starlink abhängig machen", sagt Bovenschulte und meint damit das Internet-Satellitennetz des eigensinnigen US-Milliardärs Elon Musk.
Die Einigkeit zwischen Bremen und Bayern beim Thema Raumfahrt geht sogar so weit, dass Bovenschulte die Ernennung der CSU-Politikerin Dorothee Bär zur neuen Bundesministerin für Forschung, Technologie und Raumfahrt ausdrücklich begrüßt. Was viele als "Lobbyerfolg der CSU" ("Handelsblatt") sehen, ist für den norddeutschen SPD-Bürgermeister "ganz im Gegenteil" eine Chance, dem Thema Raumfahrt eine "höhere politische Sichtbarkeit" zu verschaffen: "Ich begrüße sehr, dass wir jetzt ein Raumfahrtministerium haben, das auch so heißt", sagt Bovenschulte.
Esa-Minister entscheiden über das Budget
Anlass der neuen Einigkeit zwischen den drei Bundesländern ist die Esa-Ministerratskonferenz, die im November in Bremen tagt. Die Fachminister der 23 Esa-Mitgliedsstaaten wollen dort das Budget der Europäischen Weltraumorganisation für die nächsten drei Jahre beschließen. Mit ihrem "Dreiländerpapier" legen Bremen, Bayern und Baden-Württemberg im Vorfeld der Konferenz ihre Forderungen an die neue Bundesregierung auf den Tisch. Es listet die Programme auf, die für die deutsche Raumfahrtindustrie besonders wichtig sind.
Für Bremen sind das vor allem die Trägerrakete Ariane, für die hier die Oberstufe gebaut wird, und der Bereich bemannte Raumfahrt. Von dort kamen zuletzt keine guten Nachrichten, räumt Bovenschulte ein. Denn die US-Regierung unter Präsident Donald Trump will aus dem Mondprogramm "Artemis" aussteigen, für das in Bremen ein wichtiges Antriebs- und Versorgungsmodul gebaut wird. "Ich hoffe, dass das letzte Wort da noch nicht gesprochen ist", so Bovenschulte.
Hinter den Kulissen laufen die Bemühungen auf Hochtouren, das Versorgungsmodul für andere Missionen zu nutzen. „Wir brauchen dazu eine Entscheidung der Esa, die dem Standort Sicherheit bringt“, sagt Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke), deren Haus das Dreiländerpapier mit Bayern und Baden-Württemberg ausgehandelt hat. Die Exploration – also die Weltraumforschung sowie bemannte Missionen etwa zum Mond oder zum Mars – bleibe für Bremen ein zentrales Thema: „Das müssen wir fortführen, um Wettbewerbsnachteile zu vermeiden und um die Kompetenz unserer Ingenieure in Bremen zu halten“, fordert Vogt. „Die USA werden in Zukunft ein schwieriger Partner sein – Europa muss sich überlegen, welche Rolle es spielen will.“ Deshalb sucht Vogt das Gespräch mit der Esa.