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Ernte auf Hochtouren Im Akkord durch die Spargelreihen

Spargel satt: In Oberneuland bei Bauer Kaemena herrscht Hochkonjunktur – viele der Erntehelfer arbeiten seit Jahren bei ihm. Warum sie genauer und besser arbeiten als jede hochmoderne Erntemaschine.
11.05.2018, 19:58 Uhr
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Im Akkord durch die Spargelreihen
Von Florian Schwiegershausen

Es sind immer die gleichen Handgriffe. Przemek Petlakowski guckt suchend auf den Boden. Dann findet er eine weiße Spitze, die kaum sichtbar aus dem Boden ragt. Schnell legt er die Spargelstange mit Zeige- und Mittelfinger frei, sticht mit dem Messer einige Zentimeter darunter in den Boden, zieht die Stange heraus, legt sie in seinen Metallkorb, schaufelt das Loch mit der Spargelkelle wieder zu und drückt den Boden fest. Nur ein paar Schritte weiter wiederholt der Pole die gekonnten Handgriffe in Windeseile.

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Das machen Petlakowski und neun weitere Kollegen gerade nicht nur an diesem Morgen, sondern an jedem Tag auf dem Feld von Bauer Hajo Kaemena in Bremen-Oberneuland in Sichtweite des Hollerdeichs. Und je schneller Petlakowski werkelt, desto mehr zahlt sich das für ihn aus. Landwirt Hajo Kaemena sagt: "Ich habe schon seit einiger Zeit umgestellt auf Akkord." Die Erntehelfer werden also pro Kilo bezahlt. "Dadurch kommen einige auf einen Stundenlohn zwischen 12 und 13 Euro, womit sie sehr zufrieden sind."

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Für diejenigen unter den Erntehelfern, die nicht so geübt sind im Spargelstechen, stellt Kaemena jedoch klar, dass diese auf alle Fälle den Mindestlohn von 8,84 Euro pro Stunde erhalten. Unter den Erntehelfern gibt es einige, die Kaemena die Treue halten und jedes Jahr wiederkommen. "Unter ihnen ist ein Ehepaar, das bereits seit 20 Jahren für mich arbeitet", sagt der Landwirt, der sich darüber freut, aber gleichzeitig größten Respekt davor hat. Denn der Job gehe nun mal auf den Rücken, und täglich geht es aufs Feld – bei jedem Wetter.

Spargel ist eben Handarbeit, der größte Anteil am Preis für das edle Gemüse ist der Arbeitslohn. Seit 2016 hätte der Spargel wegen des Mindestlohns eigentlich teurer werden müssen. Kaemena wundert sich darum selbst, wie manche Discounter das Pfund deutschen Spargel für drei Euro verkaufen können. Da geht Kaemena davon aus, dass es einige in der Branche geben muss, die das mit dem Mindestlohn nicht so genau nehmen. Bei ihm kostet das Kilo in der besten Qualitätsklasse momentan je nach Wetterlage um elf Euro herum.

Landwirt und kein Substratwirt

Und zum Glück merke er, wie er von dem Trend profitiert, dass immer mehr Menschen auf Lebensmittel aus der Region setzen. "In meiner Generation, ich werde dieses Jahr 50 Jahre alt, gibt es viele, die vor allem auf den Preis schauen. Aber die jüngere Generation, die so zwischen 20 und 30 Jahre alt ist, die wollen wissen, wo der Spargel herkommt und unter welchen Bedingungen er angebaut wird. Und dafür, dass er aus der Region kommt, sind sie bereit, entsprechend mehr auszugeben."

Kaemena ist der einzige Spargelbauer auf Bremer Boden und setzt dabei auf Selbstvermarktung. In Oberneuland und Borgfeld gibt es insgesamt fünf Verkaufsstände. Grünen Spargel hat er ebenso. Die Erdbeeren tragen bereits grüne Früchte, sodass es hier wohl in gut zwei Wochen mit ihrer Ernte losgehen kann. Der Hof Kaemena hat eine lange Tradition. Seine Vorfahren haben bereits vor 800 Jahren Landwirtschaft betrieben. Diese Tradition und Details über den Anbau beschreibt der Bauer auch auf seiner Internetseite.

Dabei geht es ihm auch um Glaubwürdigkeit, dass etwa die Erdbeeren, die die Kunden während der Saison auch selbstpflücken können, im Boden wachsen. Das ist nicht selbstverständlich: "Viele Erdbeeren wachsen in Gewächshäusern, durchaus in mehreren Reihen übereinander, und dann angebaut auf Substrat. Aber das ist nicht meine Philosophie von Anbau. Schließlich bin ich Landwirt und kein Substratwirt."

Kaemena baut auf vier Hektar Spargel an und auf zehn Hektar Erdbeeren. Beim Spargel gibt es laut dem Landwirt zwischen den verschiedenen gezüchteten Sorten beim Geschmack keine so großen Unterschiede. Dabei hat er zwei unterschiedliche Felder. Auf dem einen sind die Pflanzen drei Jahre alt und auf dem anderen sieben Jahre alt. Acht bis zehn Jahre könne man von Spargelpflanzen ernten, dann lasse der Ertrag nach. Auf weiteren Feldern baut der Landwirt Getreide an – und auf einem Feld zudem Pflanzen und Kräuter, um so die Population der Wildbienen zu fördern.

Abkühlung für den Spargel

Denn die sollen ja auch dazu beitragen, die Blüten an seinen Erdbeeren zu bestäuben. Im Gegensatz zum Spargel machten die Sorten bei den Erdbeeren schon große Unterschiede aus. Da gebe es Sorten, die vor allem auf Ertrag und auf Haltbarkeit gezüchtet seien. "Bei meinen Erdbeeren geht es vor allem um den Geschmack", so der 49-Jährige.

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Bis es mit ihrer Ernte so weit ist, geht es zunächst weiter um den Spargel. Wenn der vom Feld kommt, wird er sortiert und zum Herunterkühlen mit zwei Grad kaltem Wasser besprüht. Kaemena erklärt, warum: "Ohne diesen Schritt würde der frische Spargel im Laufe des Tages violett werden." Und die meisten Kunden wollen weißen Spargel. Außerdem wird das Gemüse gesäubert und auf die richtige Länge geschnitten. Dann kommt es ins Kühlhaus und wird am nächsten Tag an den Ständen verkauft.

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Die Sache mit dem Herunterkühlen sei der Grund, weshalb es an Kaemenas Verkaufsbuden nicht Spargel vom selben Tag geben könne. Wer den Spargel in den Buden zum ersten Mal verkauft, erhält vom Landwirt einen Spargel-Crashkurs: "Auf dem Feld versuchen sie sich auch ein wenig im Spargelstechen. Schließlich sollen sie den Kunden doch alles über den Spargel erzählen können."

Es gibt inzwischen auch Erntemaschinen. Kaemena sagt: "Die schneiden in einer bestimmten Höhe durch die ganze Spargelreihe. Dadurch werden aber auch Stangen abgeschnitten, die noch recht kurz sind. Die Besitzer versuchen daher, die kurzen Stangen als Spargelspitzen zu vermarkten." Przemek Petlakowski würde das nicht passieren: den Spargel zu kurz abzuschneiden. Aber bei seiner Geschwindigkeit hätte womöglich selbst eine der modernen Maschinen das Nachsehen.

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