Das Interesse an den rund 25 Grundstücken im Wohngebiet Buschhausen in Osterholz-Scharmbeck ist gewaltig gewesen. Mehr als 170 Menschen bewarben sich darum. Die Nachfrage im vergangenen Jahr erklärt sich Stefan Tietjen von der Stadtentwicklungsgesellschaft auch mit den damals günstigen Kreditkonditionen: "Geld kostete quasi nichts." Viele hätten sich den Hausbau leisten können. Das Los musste entscheiden.
Heute allerdings sind noch immer nicht alle Grundstücke verkauft. Als plötzlich die Inflation rasant anstieg, reagierte die Europäische Zentralbank schrittweise mit höheren Zinsen, wodurch die Bauzinsen stiegen. Von den zunächst 25 Glücklichen mussten einige abspringen. "Die bekamen schlichtweg keine Finanzierung mehr hin", sagt Tietjen. Die Banken seien in der Zeit vorsichtiger geworden.
Kredite fürs Eigenheim haben sich weiter verteuert: Die Immobilienzinsen steigen in Richtung Fünf-Prozent-Marke. "Wir sehen tatsächlich gerade wieder eine leichte Steigerung am Zinsmarkt", bestätigt Michael Indorf von der Bremischen Volksbank den Trend. Die Zinsen fielen zwar früher schon mal durchaus wesentlich höher aus. Jetzt aber kam der Anstieg rasant. Zugleich ist der Hauskauf selbst weiter kostspielig.
Wie sehen die Angebote in der Region aus?
Was das konkret für Kunden der Volksbank bedeutet? Je nach Bonität und Sicherheit müssen Käufer hier mit Zinsen irgendwo zwischen 4,25 bis 4,45 Prozent rechnen. Für jeden Kunden werde das natürlich individuell kalkuliert, einige Faktoren spielen dabei eine Rolle. Wenn der komplette Kaufpreis finanziert werden müsse, sagt der Leiter des Bereichs Immobilienfinanzierung Indorf, gehe es bereits um 4,6 und 4,7 Prozent: "Da sind wir im Moment auf dem Weg zu den fünf Prozent."
"Je höher der Eigenkapitalanteil, desto niedriger der Zinssatz", erklärt Sprecher Timo Cyriacks von der Oldenburgischen Landesbank. Schon deshalb ergibt sie immer eine gewisse Spanne bei den Zinsen. Cyriacks rechnet ein Beispiel für die OLB vor: Es geht um ein Darlehen mit 30 Jahren Laufzeit bei einer "normalen Bonität", einer Zinsbindung von zehn Jahren und einer Kaufpreisfinanzierung von 80 bis 100 Prozent. "Dann liegen wir hierfür zurzeit bei einem Zinssatz von in etwa 4,50 bis 4,75 Prozent", sagt er.
Wie geht es mit den Zinsen weiter?
Die EZB hat sich nach einer langen Phase der Leitzinserhöhung für eine Pause entschieden. Der Chef des Finanzdienstleisters Dr. Klein Privatkunden geht derzeit nicht davon aus, dass der Bestzins für zehnjährige Zinsfestschreibungen die Marke von fünf Prozent knacken wird. „Ich erwarte eher einen Rückgang in den kommenden Wochen auf ein Niveau von um die vier Prozent“, sagte Michael Neumann gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". OLB und Bremische Volksbank rechnen ebenfalls damit, dass die Zinsen wieder leicht sinken werden. Der Gründer der Frankfurter FMH-Finanzberatung, Max Herbst, konstatiert gegenüber der "Wirtschaftswoche" derweil: „Eine grundlegende Entspannung ist nicht absehbar." Bei einem Darlehen mit einer hohen Beleihung von 90 Prozent des Kaufpreises verlangten Banken teils schon mehr als fünf Prozent.
Was raten die Banken?
Die Sparkasse Bremen weist auf die neuen Förderinstrumente des Bundes hin. Dabei gehe es auch um vergünstigte Kredite für den Kauf von energieeffizientem Wohneigentum. "In Verbindung mit einer soliden Finanzierung sollten durch diese Programme wesentlich mehr Interessenten wieder einen Hauskauf realisieren können", erwartet Sprecherin Elke Heussler. Die KfW belohnt zudem die Sanierung von Gebrauchtimmobilien.
Einen "gewissen Markt" gibt es laut Cyriacks von der OLB derzeit insbesondere für Gebrauchtimmobilien mit einem Alter zwischen etwa 20 und 40 Jahren mit einem vergleichsweise hohen energetischen Standard. "Diese Immobilien sind bei realistischer Bewertung des Marktpreises durch den Verkäufer für bestimmte Familien auch auf aktuellem Niveau tragbar zu finanzieren", sagt Cyriacks.
Wie stark ist der Einbruch beim Kreditgeschäft?
Wegen der Zinsentwicklung hätten viele Interessenten ihren Wunsch nach einer eigenen Immobilie zuletzt nicht mehr realisieren können, berichtete Elke Heussler. Die Sparkasse Bremen habe bei privaten Immobilienfinanzierungen zuletzt mehr als 50 Prozent weniger Neugeschäft gegenüber früheren Jahren verzeichnet.
Im Neubaubereich spürt die Bremische Volksbank ebenfalls einen massiven Rückgang. "Das haben wir tatsächlich nur noch ganz vereinzelt", sagt Indorf. Die Baukosten seien immer noch relativ hoch. Finanzierungen von Bestandsimmobilien liefen – "toi, toi, toi" – noch ganz gut. Die Preise hätten sich hier etwas beruhigt. Insgesamt fällt jedoch auch hier mehr als ein Drittel des Geschäfts weg.
Wer kann noch kaufen?
Herbst zufolge entscheidet neben dem Einkommen ein wichtiger Faktor darüber, ob jemand in diesen Zeiten sein Wunscheigenheim stemmen kann:„Wer geerbt hat und viel Eigenkapital besitzt, kann kaufen. Der Rest hat das Nachsehen.“
Die Stadtentwicklungsgesellschaft in Osterholz-Scharmbeck konnte bis heute rund 20 der Grundstücke trotz der erschwerten Bedingungen verkaufen. Die Nachvermittlung läuft. Neue Interessenten kamen dazu. Stefan Tietjen blickt recht gelassen auf das Projekt: "Wir sind guter Dinge." Während der Finanzkrise fiel der Nachfrageschock zeitweise noch größer aus: Von etwa 60 Grundstücken sei damals zunächst nur eins verkauft.