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Bauprojekt in Tenever Gewoba-Partner schuldet Bremer Handwerkern Geld – wer steckt dahinter?

Mehrere Bremer Handwerksbetriebe warten nach einem Gewoba-Projekt auf mehr als 500.000 Euro. Die Gewoba sieht sich nicht in der Pflicht, sondern die Mutterfirma ihres Vertragspartners.
24.07.2022, 18:45 Uhr
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Gewoba-Partner schuldet Bremer Handwerkern Geld – wer steckt dahinter?
Von Florian Schwiegershausen

Die Überseeallee 1 ist eine erstklassige Adresse in der Hamburger Hafencity. In dem repräsentativen Sumatrakontor-Haus soll seit März die Liason GmbH residieren – mit Nachbarn wie der Nagel-Group oder auch Computer-Bild. Vorher war die Baufirma eher versteckt im hinteren Teil eines Gebäudes im Industriegebiet in Weyhe am Ende eines Wendehammers. Ihre holländische Mutterfirma Liason Nederland BV hat als Generalunternehmer für die Bremer Wohnungsgesellschaft Gewoba in Tenever mehrere Wohnungen gebaut, darunter auch Sozialwohnungen, und dafür 17 Millionen Euro erhalten. Doch die Bremer Handwerksbetriebe, die vom damaligen Liason-Geschäftsführer Johannes Bernardus Hogenberg für verschiedene Gewerke beauftragt wurden, warten immer noch auf mehr als eine halbe Million Euro.

Zurück nach Hamburg: Dort in dem modernen Bürogebäude ist am Empfang der Name Liason nicht bekannt. Was es dort gibt, ist ein Büroservice. Dem sagt der Name auch nichts: "Wir bekommen hier immer wieder Briefe für diese Firma, aber die schicken wir dann zurück an den Absender." Und in Weyhe an der alten Adresse ist das Schild, das von der Straße aus auf Liason hinweist, längst abgenommen. Wie soll man also die Firma erreichen, die für die Gewoba erst Wohnungen für 17 Millionen Euro gebaut hat und anschließend den Zuschlag für den Bau von Gewoba-Wohnungen in der Gartenstadt Werdersee?

Gewoba will finanziellen Schaden nicht nennen

Die Gewoba scheint es auch nicht zu wissen. Denn Kontakt zum Niederländer Hogenberg und der Firma hatte sie nicht mehr, wie sie dem WESER-KURIER vor Kurzem mitgeteilt hatte. Auch der Bremer Wohnungsgesellschaft sei ein finanzieller Schaden entstanden durch den Niederländer. Sie will aber seit Februar nicht sagen, wie hoch der ist. Im Mai könnte sie das wohl sagen.

Genau in dem Monat präsentierte der Gewoba-Vorstandsvorsitzende Peter Stubbe die Jahresbilanz – zum letzten Mal, denn er geht demnächst in Ruhestand. Die Frage nach dem Schaden versuchte er dort wegzulächeln mit den Worten: "Ach, wir haben ja erst Anfang Mai." Inzwischen ist es Juli, und die Gewoba will auch wie bisher nicht sagen, ob sie gegen die Firma Liason und den Geschäftsführer Johannes Hogenberg juristisch vorgehen will.

Eigentlich ist der Holländer laut Handelsregister seit Mitte 2021 gar nicht mehr Geschäftsführer. Es war sein Nachfolger Horst Weissenberg, der die Büroanschrift in die Hamburger Hafencity verlagerte. Vor den Bauaktivitäten für die Gewoba war Hogenberg wiederum in Bremen bereits mit der Personalfirma JBH-Personal präsent, die vor allem Leiharbeiter und Beschäftigte für die Logistik vermittelt.

Im Februar klebte an den Fenstern der Büroräume in der Obernstraße auch noch ein Streifen mit dem Schriftzug Liason Nederland. Der ist inzwischen abgeknibbelt. Aber für die Personalvermittlung interessiert sich nun die Arbeitsagentur Kiel. Sie ist die zuständige Aufsichtsbehörde und will sich das Unternehmen mal genauer anschauen, nachdem sie von den Vorgängen bei der Gewoba erfahren hat.

Gewoba-Mitarbeitern waren Probleme laut Mails früh bekannt

Genauer anschauen – das habe die Gewoba bei Liason nicht getan, wirft Lutz Detring ihr vor. Er ist der Chef vom Dachdecker Schmidt und hat den Vorstand und den Aufsichtsrat der Wohnungsgesellschaft wegen Betrugs angezeigt, ebenso Liason und ihren damaligen Geschäftsführer Hogenberg – laut Handelsregister ist er das nicht mehr, laut Internetseite immer noch.

Detring kann auch nicht verstehen, weshalb die Gewoba an den Niederländer im September 2020 ein weiteres Projekt bei der Gartenstadt Werdersee gab, obwohl es in Tenever schon Probleme mit den Zahlungen an die Handwerker gab. Radio Bremen liegen interne Mails von Gewoba-Mitarbeitern vor, die diese Probleme bereits im Mai 2020 thematisiert haben sollen. Dennoch wurde Liason mit dem neuen Auftrag bedacht.

Auch die Aufsichtsratsvorsitzende der Gewoba, Bausenatorin Maike Schaefer (Grüne), teilte in einem Brief den geschädigten Betrieben mit, dass sich die Gewoba nichts habe zu Schaden kommen lassen. Die Gewoba sehe sich nicht in der Pflicht, denn den Vertrag hatten die Handwerksbetriebe ja mit Liason und nicht mit der Gewoba.

Dabei wollte Bremens Wohnungsgesellschaft ihr 20-Millionen-Euro-Projekt in Tenever zuerst in Eigenregie bauen. Als ihr die Angebote der Handwerksbetriebe zu hoch waren, schrieb sie das Gesamtprojekt anschließend europaweit aus und gab dem niederländischen Unternehmen Liason Nederland BV den Zuschlag. Das hatte zuvor noch nie ein solches Projekt für Bremens Wohnungsunternehmen gestemmt. Alle Anfragen an Liason, um sich zu diesen Vorfällen zu äußern, ließ das Unternehmen bisher unbeantwortet.

Handwerker wirft Gewoba unzureichende Prüfung ihres Partners vor

Lutz Detring wirft der Gewoba vor, den holländischen Unternehmer nicht ausreichend geprüft zu haben, wie das bei Projekten dieser Art normalerweise der Fall sei: „Wir als Handwerksbetriebe müssen einmal im Jahr der Gewoba darlegen, dass wir über die Finanzkraft verfügen, um für das Unternehmen die Aufträge auch umsetzen zu können. Da entstehen bei diesem Fall schon Zweifel, ob dies auch der Generalunternehmer so darlegen musste.“

Detring hat einen finanziellen Schaden in Höhe von 240.000 Euro. Nur aufgrund seiner Unternehmensgröße konnte er dies verkraften: "Andere hätten da wohl längst Insolvenz beantragen müssen." Dass interne Gewoba-Mails bereits im Mai 2020 Zahlungsprobleme des niederländischen Unternehmers ansprechen, interessiert nicht nur Detring, sondern auch die Bremer Staatsanwaltschaft. Dies kann die Wohnungsgesellschaft belasten. Die letzten Tage von Gewoba-Vorstand Peter Stubbe bis zu seinem Ruhestand am 31. Juli könnten noch etwas steinig werden.

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Bremens größtes Wohnungsunternehmen

Die Gewoba ist Bremens größtes Wohnungsunternehmen. Sie besitzt nach eigenen Angaben 42.379 Mietwohnungen. Mehr als 500 Beschäftigte arbeiten für die Wohnungsgesellschaft. Sie gehört zu 75,1 Prozent über die Hanseatische Wohnungs-?Beteiligungs-Gesellschaft der Hansestadt Bremen. 21,73 Prozent hält die Sparkasse Bremen, 3,17 Prozent gehören der Weser-Elbe-Sparkasse. Bis zum Ausscheiden des Gewoba-Vorstandsvorsitzenden Peter Stubbe Ende Juli, besteht das Gremium aus drei Mitgliedern. Vorsitzende des 15-köpfigen Aufsichtsrats ist Bausenatorin Maike Schaefer (Grüne). Dem Gremium gehört außerdem Sozialsentorin Anja Stahmann (Grüne) an sowie Bürgerschaftsabgeordnete aus den Bremer Regierungsparteien sowie der CDU. Die Gewoba erwirtschaftete im vergangenen Jahr einen Überschuss von mehr als 30 Millionen Euro – ein leicht besseres Ergebnis als 2020. Als Gewinn schüttete sie 16 Millionen Euro an die Anteilseigner aus – davon knapp zwölf Millionen an die Stadt Bremen.

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