In einer Stadt an der Nordseeküste ist die Verbindung zur Fischwirtschaft bekanntlich besonders eng – Bremerhaven. Durchaus stolz verleiht man sich hier den Titel Fishtown. Und es ist was dran. Das Fischunternehmen Deutsche See hat hier seinen Standort. Frozen Fish stellt in der Seestadt die Fischstäbchen für Iglo her. Der Fischereihafen, wo etwa die Traditionsräucherei Fiedler ein Geschäft betreibt, zieht Besucher an.
Während der Pandemie stieg die Nachfrage nach Fisch und Meeresfrüchten in Deutschland im Lebensmitteleinzelhandel. Restaurants, Kantinen und Mensen waren schließlich über Monate geschlossen – auch im vergangenen Jahr. Insgesamt haben sich die Umsätze in den verschiedenen Bereichen der Fischwirtschaft vor diesem Hintergrund meist negativ entwickelt. Zu diesem Ergebnis für 2021 kommt das Hamburger Fisch-Informationszentrum.
Die Entwicklung traf auch die Deutsche See in Bremerhaven. Wegen Corona habe der Gesamtumsatz im vergangenen Jahr unter dem in den Vorjahren gelegen. "Jetzt wachsen wir besonders im Gastronomiekanal wieder deutlich", teilt Unternehmenssprecher Andreas Kremer mit. Im Einzelhandel gebe es jedoch aktuell "eine gewisse Zurückhaltung angesichts der verschiedenen aktuellen Krisen". Das Unternehmen stehe aber insgesamt gut da.
Im vergangenen Jahr ist der Pro-Kopf-Verbrauch beim Fisch derweil hierzulande gesunken. Das zeigen vorläufige Zahlen des Fisch-Informationszentrums. Die Branchenvertreter schätzen, dass der Pro-Kopf-Verbrauch 2021 am Ende bei 13,4 Kilogramm liegen wird. Das ist rund ein Kilo weniger als jeweils in den fünf Vorjahren. Im Spitzenjahr 2020 lag der Pro-Kopf-Verbrauch bezogen auf das Fanggewicht noch bei 14,8 Kilogramm.
Die Absatzmenge im Handel ist nun in diesem Jahr wieder zurückgegangen. „Im ersten Halbjahr 2022 wurden 38.171 Tonnen oder anders ausgedrückt 14,4 Prozent weniger Fisch eingekauft als im Jahr 2021“, sagte der Vorsitzende des Fisch-Informationszentrums, René Stahlhofen, am Mittwoch in Hamburg. Bezogen auf den Einkaufswert entspreche dies einem Rückgang um 412 Millionen Euro.
Unzufrieden zeigte sich der Chef des zentralen Marketingorgans der Fischwirtschaft aber dennoch nicht. „Die enormen Zuwächse bei den beiden Corona-Ausnahmejahren 2020 und 2021 sind sowohl mengen- als auch wertmäßig nicht wiederholbar.“ Entsprechend verglich er das erste Halbjahr 2022 auch mit dem ersten Vor-Corona-Halbjahr 2019. „Und da sehen wir, dass der Rückgang nur marginal ist, konkret 3446 Tonnen oder anders ausgedrückt 1,5 Prozent“, sagte Stahlhofen.
Hinzu kommt: Trotz des Rückgangs kommt angesichts höherer Preise mehr Geld in die Kasse. Denn der Warenwert liege 110 Millionen Euro oder 4,6 Prozent über dem vom ersten Halbjahr 2019. Das gelte besonders für Frischfisch mit einem Plus von 70 Millionen Euro oder 10,8 Prozent sowie für Fischkonserven mit einem Zuwachs von 27 Millionen Euro oder 10,5 Prozent. Einzig beim Räucherfisch sei ein Rückgang um 18 Millionen Euro oder 4,1 Prozent gegenüber den Vor-Corona-Werten zu verzeichnen.
Rekord beim Umsatz
Im vergangenen Jahr haben die Bundesbürger trotz eines Rückgangs bei der Menge gegenüber 2020 für Fisch so viel Geld ausgegeben wie noch nie: Insgesamt seien im Lebensmitteleinzelhandel für 495.053 Tonnen Fisch und Meeresfrüchte rund 5,4 Milliarden Euro bezahlt worden, sagte Stahlhofen. Das sei ein Umsatzrekord. Lieblingsfisch sei erneut der Lachs gewesen, gefolgt vom Alaska-Seelachs, der den Thunfisch beziehungsweise die Boniten auf den dritten Platz verdrängt habe. Auf die Plätze vier und fünf kamen der Hering und die Garnelen. Beliebt waren aber auch Forellen, Tintenfische, Makrelen, Kabeljau und der Rotbarsch.

Fiedler bringt die Delikatessen aus dem Meer nicht nur über das Geschäft in Bremerhaven an die Kunden. Der Räucherfisch lässt sich auch über einen Onlineshop bestellen.
Auch bei den Kunden von Deutsche See liegt der Lachs vorne. Das Unternehmen verzeichnet nach Einschränkungen durch die Pandemie jetzt wieder Wachstum bei Verkäufen an die Gastronomie oder auch Betriebskantinen, Mensen und Schulen. "Im Einzelhandel behaupten wir uns stabil und schaffen es, unsere Marktanteile mit unseren Produkten unter der Marke 'Deutsche See' zu steigern", sagt Sprecher Andreas Kremer.
Und wo liegen die Bremer beim Fischeinkauf im Vergleich? An der Spitze? Im vergangenen Jahr rangierte das Bundesland leicht über dem Durchschnitt mit einem Wert von 6,5 Kilogramm pro Kopf. Der meiste Fisch wurde mit 7,1 Kilogramm im Lebensmitteleinzelhandel in Schleswig-Holstein gekauft, die Rheinland-Pfälzer kamen auf 6,9 Kilo und die Hamburger auf 6,7 Kilo. Abgeschlagen auf dem letzten Platz landete Baden-Württemberg mit 5,4 Kilo pro Kopf. Das Gesamtaufkommen an Fisch und Meeresfrüchten im vergangenen Jahr bezifferte Stahlhofen auf knapp zwei Millionen Tonnen. Nach Abzug etwa der Exporte seien gut eine Million Tonnen in Deutschland verbraucht worden.
Angesichts der Unsicherheiten wegen Corona, des russischen Angriffskriegs in der Ukraine, der Inflation, der weiter schwierigen Logistik und der Energiekrise wagte Stahlhofen keine konkrete Prognose für die Fischwirtschaft. Wegen Lieferschwierigkeiten aufgrund des Kriegs in der Ukraine und des Lockdowns in China musste Frozen Fish in Bremerhaven unlängst Hunderte Beschäftigte in Kurzarbeit schicken.
Der Geschäftsführer des Fisch-Informationszentrums, Matthias Keller, sagte, weitere Sanktionen in der Fischwirtschaft wegen des Russlandskriegs seien eher unwahrscheinlich, „sonst hätten sie schon längst eingeführt werden müssen“. Bislang sei nur die Einfuhr von Kaviar und Krustentieren untersagt. Sollte aber etwa der Alaska-Seelachs als wichtigster Fisch der Fischverarbeitungsindustrie sanktioniert werden, dann fielen auf einen Schlag 75 Prozent der Fischart aus. „Dann wären die Regale tatsächlich leer“, sagte Stahlhofen.