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Made in Bremen Wie ein Bremer die Modewelt der Männer aufmischen möchte

Immer weniger Männer tragen Krawatte. Langweilig soll es obenrum aber trotzdem nicht sein. Der Bremer Martin Stade hat mit seiner Designidee eine Alternative entdeckt.
02.12.2023, 05:00 Uhr
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Von Anke Velten

Der Krawattenmann ist verschwunden. Seit Jahren hat ihn niemand mehr gesehen, doch vermutlich wird ihm auch nicht sonderlich nachgetrauert. Tatsächlich dürfte nicht vielen Menschen aufgefallen sein, dass das Deutsche Krawatteninstitut mit Till Brönner im Jahr 2019 seinen letzten prominenten „Krawattenmann des Jahres" gekürt hat.

Martin Stade hat den Vermisstenfall allerdings sehr aufmerksam registriert. Denn er hat ein Kleidungsstück ersonnen, das dem Schlips wirklich an den Kragen geht: Er nennt es den „Tiekiller.“ Der Online-Shop mit der ersten auf 1000 Stück limitierte Kollektion ist zum 1. Dezember dieses Jahres ins Netz gegangen. Der Slogan: "Go tieless, never styless!"

„Tiekiller" – übersetzt „Krawattenmörder“: Das sind einfarbige Hemden, die rund um die Krageninnenseite und entlang der Knopfleiste mit einem gemusterten Kontraststoff eingefasst. Die Knöpfe sind farblich so gewählt, dass sie optisch im Stoff verschwinden. Die Premierenkollektion besteht aus Hemden in den gängigsten Herrengrößen in weißer und hellblauer Grundfarbe.

Die sieben Kontraststoffe sind für formale bis legere Anlässe gewählt: vom dezenten Paisley-Muster bis hin zum originellen „Rock Star“ mit bunten Gitarrenmotiven. Doch dies soll nur der Anfang sein. Die Möglichkeiten sind schier unbegrenzt. Das Logo des Ein-Mann-Start-ups ist eine stilisierte Fliege. "Sie ist der klassische Krawattenkiller", erklärt Stade. 

Keinesfalls sei es so, dass er persönlich der Krawatte den Garaus machen wolle, erklärt der 42-Jährige: Dies habe sich ganz von selbst erledigt. Das "Krawattensterben", so nennt er es, sei seit einem guten Jahrzehnt virulent. Der moderne Mann gebe sich nicht mehr zugeknöpft und festgebunden, der Schlips werde als konservativ und spießig abgelegt und abgelehnt.

Selbst in Chefetagen und Konferenzsälen großer Konzerne werde immer häufiger auf die Krawatte verzichtet, weiß der Bremer aus eigener Erfahrung. Im vergangenen Jahr sei eine weitere Bastion gefallen: Tagesthemen-Sprecher André Schünke erlaubte es sich, erstmalig in der 70-jährigen Geschichte der Nachrichtensendung, "oben ohne" und mit offenem Kragen vor der Kamera zu erscheinen. Ob Windsor, Kent, Pratt oder Prince Albert: „Mal ehrlich: Viele Männer nervt die Tüdelei mit den Knoten", sagt Stade. "Wir wollen einfache Lösungen."

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Gegen die Krawatte spreche zudem, dass sie nachweislich die Blutzufuhr ins Gehirn drossele. Indes: Ihre Abwesenheit hinterlasse eine sichtbare Lücke, die Männerbrust bleibe nackt und bloß. "Ohne Krawatte fehlt der Hingucker", sagt Stade. „Sie ist die Möglichkeit, sich von anderen zu unterscheiden." Der Tiekiller soll diese Lücke schmücken. Stade verspricht: "Damit löst Du das Krawatten-Dilemma."

Die Idee hatte er vor gut vier Jahren. Mit seinen Vorstellungen und zwei Oberhemden sei er zu seinem Vegesacker Schneider gegangen, der ihm den sogenannten Ur-Tiekiller anfertigte. "Ich war Kunde Nummer eins und fand es großartig", betont Stade. Der Prototyp sei gut angekommen. "Seitdem hat mich die Idee nicht losgelassen, mehr daraus zu machen. Ich wusste: Wenn ich das nicht mache, werde ich es irgendwann bereuen."

Aus der seinerzeit grassierenden Corona-Langeweile sei das Vorhaben jedenfalls nicht geboren. Als Bundeswehr-Pressesprecher habe er damals mehr als genug zu tun gehabt, berichtet der Politikwissenschaftler und frühere Berufssoldat, der einige Jahre lang in der freien Wirtschaft tätig war und mittlerweile als Koordinator der Garlstedter Logistikschule wieder im Dienst der Bundeswehr ist. Zu Hause gibt es zudem drei kleine Kinder. "Auch darum hat alles so lange gedauert", sagt er.

Doch wie gründet man ein Start-up in der Modebranche, wenn man außer einer guten Idee und Begeisterung keinerlei spezifisches Vorwissen mitbringt? Man holt sich kompetente Hilfe. Fachliche Unterstützung habe er beim Starthaus Bremen und beim Bremer Patent- und Markenzentrum Innovi erhalten. Über eine Düsseldorfer Agentur sei ihm eine Maßschneiderei in Bangkok vermittelt worden, die präzise nach seinen Entwürfen anfertigt. Die genauen Anweisungen stecken in den professionellen Tech-Packs, die eine Hamburger Designerin mit ihm entwickelte. Das Look-Book, für das ein Profimodel und ein Freund Modell standen, wurde im Studio Neo Images in der Bremer Überseestadt produziert. „Fast alle Kontakte haben sich über Empfehlungen ergeben. Eins kam nach dem anderen", berichtet Stadt.

Nun geht es vor allem darum, die Tiekiller bekannt zu machen und an den Mann zu bringen. Die Gründershow „Die Höhle des Löwen“ habe bereits Interesse angemeldet, außerdem werde er die sozialen Netzwerke bespielen. Auch eine Zusammenarbeit mit Prominenten und Influencern könne er sich vorstellen. Als Marketinginstrument hat sich Stade den „Tiekiller-Award“ ausgedacht, der jährlich unter Kunden verlost werden soll. Der Gewinner soll nicht nur die echte, hochwertig gestaltete Trophäe erhalten, sondern auch mit einem einprozentigen Unternehmensanteil belohnt werden. Auf Dauer soll die Produktion nachhaltig und nach Europa verlegt werden. Diese wäre für die erste komplett eigenfinanzierte Kollektion in einer vergleichsweise winzigen Stückzahl unbezahlbar gewesen, erklärt Stade. Kompensiert werde zunächst über die Partnerschaft mit einer Organisation, die pro verkauftes Hemd einen Baum pflanzt.

Vor Nachmachern, die das Design kopieren und billig en masse produzieren, könne man sich in der Modebranche schwer schützen, sagt Stade. "Doch eigentlich wäre das für mich ein großes Lob. Denn ich bin ja das Original." Für den Anfang sei allerdings viel wichtiger: "Ich hoffe, dass der Tiekiller auch den Frauen gefällt."

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