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Made in Bremen Bremen statt Silicon Valley: Das macht Univention

Eher unscheinbar im Bremer Technologiepark arbeitet Univention seit 20 Jahren daran, Computernetzwerke sicherer zu machen. Wie das Unternehmen mit seinen Gratis-Programmen die Konkurrenz zu Microsoft aufnimmt.
14.08.2022, 05:00 Uhr
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Bremen statt Silicon Valley: Das macht Univention
Von Florian Schwiegershausen

Kalifornien hat das Silicon Valley mit Google, Apple und Facebook – und Bremen hat seinen Technologiepark mit Univention. Uni-wer werden jetzt einige fragen, und vielleicht können die Brücken über das Bremer Unifleet nicht so ganz mit der Golden Gate Bridge in San Francisco mithalten. Aber Frankreichs führendes Telekommunikationsunternehmen Orange kann ebenso etwas mit Univention anfangen wie Deutschlands Bundesinnenministerium oder die Schulen der Stadt Köln - und der ehemalige Werder-Manager und Bildungssenator Willi Lemke.

Es könnte geeignet sein für ein Drehbuch, aber das ist alles real im östlichen Teil des Technologieparks, der dort am Unifleet endet. Univention entwickelt Open Source Software. Das bedeutet, dass kein Geheimnis um die Programmcodes gemacht wird. Jeder kann sie lesen, und jeder kann sich kostenlos die Programme aus dem Internet herunterladen. Diese Idee hatte Univention-Gründer Peter Ganten von Anfang an fasziniert. Eigentlich kommt er aus der Psychologie. Dort kam er als Student bereits mit Technik in Berührung, denn bei EEG-Tests, bei denen es um die Messung der Hirnströme geht, gehörte er zu denen, die sich mit der Programmierung von Lösungen für die Analyse der daraus gewonnenen Daten beschäftigten.

Eine Konkurrenz zu Microsoft aufbauen

Während Microsoft in vielen Bereichen mit seinen Programmen ein Quasi-Monopol setzt, wollte Ganten etwas dagegen setzen - ohne von einem Monopol aus einem anderen Land abhängig zu sein. Er entwickelte deshalb seine ersten Computer-Programme für das kostenlos und frei verfügbare Betriebssystem Linux.

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Doch zurück zur Geschäftsidee: Mit der startete Ganten im Bremer Innovations- und Technologiezentrum, kurz BITZ 2001, damals noch mit schulterlangem Haar. Einige Jahre später zog er mit seiner neu gegründeten Firma Univention und einem kleinen Team in die Mary-Somerville-Straße, wo auch heute noch der Sitz ist. Schon damals ging es dem Firmengründer um die Administration von IT-Netzwerken – zum einen um die Anmeldung am Netzwerk, zum anderen um das Zusammenspiel mehrerer Computer in einem Netzwerk. Das alles programmierte er für Linux-Rechner, musste aber einen Dämpfer hinnehmen: „Die ersten Kundenkontakte spiegelten mir wider: ‚Das gefällt uns, aber kannst Du uns das nicht auch für unsere Windows-Computer bereitstellen?‘“

Oldenburgische Landesbank glaubte an die Idee

Das bedeutete Investitionen, für die man nicht unbedingt die Mittel hat. Doch die Oldenburgische Landesbank glaubte an die Idee und beauftragte das junge Unternehmen mit dem Aufbau eines zentralen IT-Konzepts und sorgte so für die nötige finanzielle Unterstützung. Und dann kam auch Willi Lemke ein wenig als Bildungssenator ins Spiel. Die Schulbehörde wollte für ganz Bremen einen zentralen Bildungsserver, anstatt dass jede Schule Insellösungen mit einem eigenen Netz und eigenem Lehrer betreibt. Auf diese Weise kam Univention mit der Schulbehörde und ihrem Referatsleiter Peter Hinze in Kontakt. Laut Univention legte er die Basis dafür, dass Bremens Schul-IT heute im Bundesvergleich Bestnoten erhält. Willi Lemke stand hinter dem Projekt und verteidigte es gegen alle Kritik.

Über die Jahre erkannten immer mehr Firmen und Behörden die Vorteile, die Univention mit seinen Softwarelösungen bietet. Die kosten ja eigentlich nichts, aber die IT-Schmiede verdient anderweitig Geld, wie Ganten erläutert: „In Unternehmen muss für die IT ja der Service und die Sicherheit gewährleistet sein und sie benötigen häufig auch Unterstützung bei der Planung und Umsetzung größerer Projekte. Darum kümmern wir uns dann.“ Im Bildungsbereich gehören inzwischen auch mehrere Bundesländer, unter anderem Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern und eine Reihe großer Städte zu den Kunden.

Orange in Frankreich beauftragt Univention

Als im Jahr 2014 Frankreichs führendes Telekommunikationsunternehmen Orange für seine 30 Millionen Kunden die E-Mail-Plattform neu organisieren wollte, entschied es sich zur Verwaltung der Benutzer-Identitäten für UCS, Univention Corporate Server. Ebenso setzen die mehr als 240 Schulen in Köln auf dieses System. Und nun steht das Unternehmen gemeinsam mit dem IT-Dienstleister Dataport sogar mit dem Bundesinnenministerium in Kontakt, um für die Öffentliche Verwaltung eine Open-Source-Alternative zu den Office-Lösungen von Microsoft zu entwickeln.

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Die Arbeit für das Ministerium wird für das Unternehmen im Technologiepark weitere Arbeitsplätze bedeuten. Da aber Programmierer und Entwickler überall gesucht sind, suchen die Bremer nicht mehr nur in Deutschland. „Inzwischen haben wir auch Beschäftigte in Spanien“, freut sich Ganten. 17 Stellen sind derzeit ausgeschrieben, ebenso sucht Univention noch für dieses Jahr einen jungen Menschen, der eine Fachinformatiker-Ausbildung machen möchte.

Führend in Deutschland

In den 20 Jahren, die Univention nun besteht, ist es ein erwachsenes Unternehmen geworden. Als Vorstandsvorsitzender der Open Source Business Alliance, dem größten deutschen Interessensverband von Open-Source-Organisationen und -Anwendern, treibt Peter Ganten das Thema der digitalen Souveränität voran. Nach seinen Angaben gehört Univention heute zu den führenden Unternehmen Deutschlands, wenn es um Open-Source-Programme und -Lösungen geht. Er könnte seine Firma auch als eines der in diesem Bereich führenden Unternehmen Europas bezeichnen. Aber Ganten ist eben Bremer, und da pflegt man traditionell nun mal einen Hang zum Understatement. Da darf es dann statt der Golden Gate Bridge ruhig die Brücke über das Unifleet sein.

Zur Sache

Zahl der Beschäftigten seit 2019 fast verdoppelt

Zum Team von Univention gehören inzwischen 110 Menschen – Festangestellte und eine Reihe freier Mitarbeiter – 2019 waren es noch 60. Viele der Beschäftigten leben quer über Deutschland verstreut. Univention-Geschäftsführer Peter Ganten gibt den Mitarbeitenden viele Freiheiten, indem sie selbst in Teams ihre Arbeit organisieren. „Ein Chef muss nicht überall mitreden und muss auch nicht von allem Ahnung haben“, hat Ganten als Erkenntnis über die Jahre verinnerlicht. Jeder soll in der Firma jeden konstruktiv kritisieren können – auch der Azubi den Chef. Und wenn in der Vergangenheit der Azubi eine gute Idee hatte, hat er oft auch selbst die Umsetzung in die Hand genommen.

Womit Ganten und sein Team immer mehr Kunden überzeugen: „Es geht um die Erhaltung der digitalen Souveränität in Deutschland und Europa.“ Unternehmen und die öffentliche Verwaltung sollen die Kontrolle über ihre Daten und Programme selbst in der Hand behalten sowie die Auswahl zwischen Alternativen und die Möglichkeit zur Mitgestaltung haben. Open-Source-Programme helfen dabei. Hier stehen die Programmierer verschiedener Unternehmen in engem Austausch. Sie teilen mit, wenn sie irgendwo Programmfehler gefunden haben und beheben diese oft gemeinsam.

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