Auf Carsten Harms Tisch in seinem Büro steht ein Prototyp. Er besteht aus einem kleinen, schmalen Plastikquader und drei Pumpvorrichtungen, auf einer Seite ist ein Streifen eingelassen. „Lab-on-a-chip“ (LOC) heißt die Technologie, die dahinter steckt. Tatsächlich handelt es sich dabei um eine Art Miniatur-Labor, das durch DNA-Analyse bestimmte Auffälligkeiten nachweisen kann. Denkbar sei der schnelle Check von allen Parametern, die sich über die DNA nachweisen lassen, sagt der Professor.
Das Institut Biamol arbeitet im Rahmen des Projekts „m-Health“ mit drei anderen Partnern des i³-Life-Sciences-Clusters Nordwest an zwei „Lab-on-a-chip“-Projekten. Biamol steht für: Bremerhavener Institut für angewandte Molekularbiologie, Harms ist Leiter des Instituts und Professor für Biotechnologie und angewandte Molekulargenetik an der Hochschule. Der Prototyp sei noch etwas klotzig, sagt Harms, hier und da könne er noch deutlich kleiner und schmaler werden. Das Endergebnis soll kaum größer sein als eine Scheckkarte.
Das Institut ist jung. Es wurde Anfang 2015 gegründet und hat mit Harms acht Mitarbeiter, darunter zwei Studierende. Harms war zuvor Kooperationsprofessor und Leiter des Instituts für Biologische Informationssysteme am Technologie-Transfer-Zentrum Bremerhaven. Biamol forscht schwerpunktmäßig in den Bereichen Biotechnologie und Mikrofluidik und entwickelt Systeme zur Art-Identifizierung von Organismen, heißt es in der Selbstbeschreibung. Die Kernkompetenzen der Mitarbeiter liegen, wie es weiter heißt, in der Entwicklung von molekularbiologischen Methoden und Testsystemen für den Life-Science-Bereich. Harms war einer der Gründer der Q-Bioanalytic GmbH.
Die Entwicklung des LOC made in Bremerhaven ist schon weit gediehen. Ein Abstrich mit Speichel wird an einer Seite eingesteckt und versiegelt, anschließend werden verschiedene Analyselösungen zu sogenannten Reaktionsräumen hinzugefügt, schildert Harms. „Am Ende sieht man wie bei einem Schwangerschaftstest anhand von Streifen, ob man MRSA-positiv ist oder nicht.“ Auch den Nachweis von Laktoseunverträglichkeit auf ganz ähnliche Weise entwickelt Biamol – das ist das zweite Projekt im Rahmen von „m-Health“.
Einsatz in „Points of care“
„Das geht in die Richtung personalisierte Medizin“, sagt Harms, denkbar sei der Einsatz nicht nur an „Points of care“, also Stellen, an die sich Menschen wenden, die Hilfe brauchen, wie Apotheken oder Arztpraxen, sondern auch für Privatleute. „Vorstellbar ist, dass man zu Hause seinen Status feststellt und das Ergebnis über ein gesichertes System seinem Arzt zukommen lässt.“
Der nächste Schritt sei, einen Investor zu finden, um das Produkt zur Marktreife zu führen. „Die Forschung in Deutschland ist leider so ausgerichtet, dass Geld für neue Entwicklungen nur bis zu einem bestimmten Fortschrittsniveau fließt.“ Das sei von der Marktreife meist noch weit entfernt. „Oft bleiben tolle Entwicklungen irgendwo stecken und liegen in den Schubladen der Institute“, so der Professor. Aus diesem Grund haben Harms und sein Team begonnen, Klinken zu putzen und Investoren zu finden. „Ich kann es nicht ertragen, wenn das hier bei uns irgendwo verstaubt.“
Das i³-Life-Sciences-Clusters Nordwest präsentierte seine Arbeit und seine Mitglieder im Mai auf der Messe Biotechnica in Hannover, darunter auch das Projekt „m-Health“. „Es gab großes Interesse, aber es gab auch viele Interessenten, die gesagt haben: Das ist toll, kommt wieder, wenn ihr weiter seid.“ Denn ein gewisses Risiko müssten Geldgeber eingehen, ein Teil der Entwicklung stehe noch aus. Doch der Bremerhavener ist zuversichtlich: So weit wie dieses habe er bislang noch kein Produkt vorantreiben können, „man muss dafür viele dicke Bretter bohren“.
Forschung in Bremerhaven ist mühsam
Forschung an der Hochschule Bremerhaven sei teilweise mühsam, sagt Harms, das liege vor allem an der Größe und der noch übersichtlichen Erfahrung. In rund acht Forschungsprojekte sei sein Institut dennoch eingebunden oder eingebunden gewesen, „wir haben schon mehr als eine Million Euro für unsere Arbeit eingeworben“, weitere Pläne seien im Entstehen.
Die aktuelle Forschung ist vielfältig: Gemeinsam mit seinem einstigen Geschäftsführerkollegen Boris Oberheitmann von der Q-Bioanalytic GmbH ist Biamol in das Forschungsprojekt „Cle-Ba-Wa“ eingebunden. Die Abkürzung steht für Clean Ballast Water, entwickelt wird ein elektrochemischer Biosensor zur schnellen Analyse von Schiff-Ballastwasser auf Bakterien. „Pro-Wa-Chip“ nennt sich ein Forschungsprojekt an dessen Ende ein Bio-Prozesswasserchip stehen soll, mit dem die bakterielle Belastung von aufbereitetem Prozess- und Trinkwasser kontrolliert werden kann.
Inno-Probe befasst sich mit der möglichen mikrobiologischen Belastung von Wasser in Rohrleitungen. Dahinter steht die Entwicklung eines Filtersystems in Form einer Kartusche, die ein ultrafeines Sieb enthalte, das Bakterien aufhalten könne, Wasser durchlasse. „Dann braucht man das Wasser nicht mehr künstlich aufheizen, um Bakterien abzutöten. Wenn man dieses Verfahren in jedem deutschen Haushalt anwenden würde, könnte man sieben Atomkraftwerke einsparen“, sagt Professor Harms. In dem feinen Sieb sammelten sich allerdings Unmengen von Bakterien, die Sicherheitsanforderungen seien also hoch. Biamol entwickelt einen Chip, der hinter der Kartusche sitzen soll und mit einem Notfallsystem verbunden ist. Sowie durch diesen Chip ein Bakterium ermittelt wird, soll sich das gesamte Leitungssystem automatisch ausschalten.
Ideale Aufgabenaufteilung
Die Kooperation im Cluster sei im Grunde ideal. „Wir haben uns gemeinsam der personalisierten Medizin verschrieben. Das ist schon ein großartiger Schritt.“ Die Hochschule habe die Infrastruktur, die nötig sei, und könne sich ohne den Druck des wirtschaftlichen Erfolgs der Forschung widmen. Die Life-Science-Unternehmen hätten das Know-how der kommerziellen Verwertung und das Wissen über den Bedarf am Markt. Die Zusammenarbeit sei da, sie sei gut, könnte aber auch überregional noch intensiver sein, findet Harms. Hier stoße man schnell auf bürokratische Mauern.
Ein LOC, der ohne große Vorkenntnisse genutzt werden kann und schnell Ergebnisse zeigt, das klingt sensationell. „Wir sind nicht die Einzigen, die daran arbeiten. Aber wir können für uns in Anspruch nehmen, dass wir es geschafft haben, das System vollautomatisch durchlaufen zu lassen, bis man ein Ergebnis sieht. Das gibt es noch nicht. Deshalb ärgert es mich auch, dass es so schwierig ist, es bis zum Ende zu entwickeln.“
Drei Jahre Entwicklungsarbeit stecken in dem Projekt, „das ist uns mit Bordmitteln gelungen, es war aber unheimlich schwer“. Anders als an Universitäten hatten Harms und sein Team keinen eigenen Forschungsetat, aus dem sie sich bedienen konnten. Das Geld aufzutreiben sei ein ermüdender Kampf gewesen, sagt Harms. Sollte sich die intensive Arbeit tatsächlich in bare Münze auszahlen, in der Form vom Verkauf einer Konzession, flösse das Geld nicht allein in den Biamol-Etat, sondern in den allgemeinen Hochschul-Topf, der dann auch für weitere Forschungsideen genutzt werden könnte, hofft Harms.