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Flug zum Mond Der Countdown läuft für "Artemis I"

Der erste Versuch zum Start der Mondmission "Artemis" musste am Montag abgebrochen werden. Jetzt will es die US-Raumfahrtbehörde Nasa ein zweites Mal versuchen. An Bord fliegt jede Menge Technik aus Bremen mit.
02.09.2022, 16:26 Uhr
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Der Countdown läuft für
Von Christoph Barth

Wie ein schnaubendes Rennpferd stand die Rakete auf der Rampe. Weiße Wolken aus Wasserstoff und Sauerstoff dampften aus den Tankstutzen ihrer Triebwerke – fast 4000 Tonnen Schubkraft warteten auf den Feuerbefehl. Doch der blieb aus: 40 Minuten vor dem geplanten Start der SLS-Mondrakete vom Kennedy Space Center in Florida hielt die US-Weltraumbehörde Nasa den Countdown am vergangenen Montag an. Am Sonnabend soll ein zweiter Versuch starten für die Mission "Artemis", die Rückkehr zum Mond.

"Die erste Enttäuschung war natürlich sehr groß", räumt Bremens Raumfahrtkoordinator Siegfried Monser ein, der eigens für den Start nach Cape Canaveral gereist war. Aber die Sicherheit gehe nun mal über alles. "Die Einhaltung der Startprozeduren ist sehr wichtig, jede Unregelmäßigkeit muss beachtet und untersucht werden", erläutert Monser.

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Die Nasa erklärte den Startabbruch mit einem Leck im Wasserstoff-Betankungssystem und mit Problemen beim Herunterkühlen der vier RS-25-Haupttriebwerke der Rakete vor dem Start. Diese müssen auf eine Betriebstemperatur von minus 250 Grad gebracht werden – so kalt wie der flüssige Wasserstoff, den sie verbrennen. Die Messfühler am Triebwerk Nummer 3 jedoch zeigten zu hohe Werte an – das Problem ließ sich innerhalb des zweistündigen Zeitfensters, das am Montag für den Start zur Verfügung stand, nicht mehr beheben.

Beim zweiten Versuch am Sonnabend wollen die Ingenieure den Ablauf des Betankungsverfahrens ändern. Der "Chilldown Test" für die Triebwerke soll vorgezogen werden, um mehr Zeit zu gewinnen. "Die NASA hat für beide aufgetretenen Anomalien Lösungen gefunden", berichtet Monser. "Also ist das Team positiv gestimmt, sieht aber auch, dass sich insbesondere die Triebwerksanomalie wiederholen kann."

Spannung im Airbus-Werk

Im Bremer Airbus-Werk wird man am Sonnabend also wieder gebannt auf den Großbildschirm blicken: Die Mitarbeiter sind eingeladen, der Live-Übertragung aus Florida zusammen mit ein paar Gästen zu folgen (www.nasa.gov/live). Denn auf der Spitze der fast 100 Meter hohen SLS-Rakete thront das Raumschiff "Orion", dessen gesamte "Haustechnik" – Strom, Wasser, Sauerstoff – einschließlich des Antriebs aus Bremen kommt. Beim Erstflug ist das Raumschiff noch unbemannt, doch schon beim zweiten Flug 2024 sollen vier Astronauten und Astronautinnen mit "Orion" um den Mond fliegen, beim dritten Flug im Jahr darauf sogar auf dem Mond landen.

Ohne das Europäische Servicemodul (ESM), das in Bremen zusammengebaut wird, ginge das nicht. "Darauf sind wir enorm stolz", sagt Kai Bergemann, der stellvertretende Projektleiter bei Airbus Defence and Space für das "Orion"-Programm. Zehn Jahre haben sie an dem Modul getüftelt und dabei sieben Projektleiter "verschlissen" – "es war nicht immer alles leicht", räumt Bergemann ein. "Aber wir haben versprochen, pünktlich zu liefern – und Europa hat geliefert."

Erste Bewährungsprobe nach zwei Minuten

Nun muss der "Orion"-Prototyp beim Erstflug nur noch funktionieren: Für den Startabbruch am Montag war nicht die Technik aus Europa verantwortlich – die kommt erst gut zwei Minuten nach dem Abheben erstmals zum Einsatz. Dann nämlich werden die Triebwerke des ESM unter Druck gesetzt, um im Notfall die Raumkapsel in Sekundenbruchteilen wie eine Art Schleudersitz von der Rakete abzusprengen. "Wir sind dann die Lebensversicherung der Besatzung", sagt Bergemann.

Die nächste Bewährungsprobe steht nach gut acht Minuten an: Dann trennt sich die Hauptstufe vom Rest der Rakete – und durch das Raumgefährt geht ein gewaltiger Ruck. "Das ist eine enorme Schocklast", erklärt der 38-jährige Ingenieur. Oder anders ausgedrückt: "Es knallt, ein dicker Rumms". Den muss die Technik schadlos überstehen.

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Nach 18 Minuten und 20 Sekunden kommt dann der entscheidende Moment: Die Sonnensegel des ESM müssen sich entfalten. Sie sind das Kraftwerk des Versorgungsmoduls, ohne sie bleibt "Orion" eine leblose Blechdose im All.

Wenn dann nach gut zwei Stunden auch die Oberstufe der SLS-Rakete ausgebrannt ist und abgeworfen wird, übernimmt das ESM die Steuerung des Raumschiffs. "Dann sind wir ,in charge'", sagt Bergemann,  verantwortlich für alle weiteren Flugmanöver und eine sichere Rückkehr des Raumschiffs zur Erde. Sechs Wochen soll "Artemis I" durchs All rasen und den Mond in kleinen und großen Schwüngen umrunden, genug Zeit also, die Technik ausgiebig zu testen.

Aber dafür müsste die Rakete erst einmal starten. Das Zeitfenster öffnet sich am Sonnabend für zwei Stunden, um exakt 20.17 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit.

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