Bei derzeit 360 Ladesäulen für E-Autos an mehr als 170 Standorten in Bremen kann momentan von einem Stau an den Zapfsäulen noch nicht die Rede sein. Bei den optimistischen Verkaufsprognosen für E-Autos, von denen die Politik ausgeht, könnte es bis 2030 an verkehrstechnisch bedeutsamen Punkten jedoch tatsächlich eng werden. Dabei geht es nicht nur um die reine Zahl der Zapfstellen, sondern auch darum, wie viel davon leistungsstarke Schnellladesäulen sein werden. Dort kostet die Kilowattstunde Strom momentan meist etwa fünf Cent mehr als an den langsameren Ladepunkten, dafür ist die Batterie des E-Autos auch schneller aufgeladen. Man spart also Zeit, die Fahrt kann schneller weitergehen.
Das im Bremer Koalitionsvertrag formulierte Ziel von 10.000 Ladepunkten bis 2030 hatte das Verkehrsressort allerdings vor einem Monat zurückgenommen. In sieben Jahren seien lediglich 500 Schnellladesäulen und 4000 „normale“ Ladepunkte erforderlich, heißt es. Doch nun hat auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sein Herz für die schnelleren Ladesäulen entdeckt. Mit einem Gesetz will er bald mehr als 80 Prozent der Tankstellen zum Bau solcher E-Zapfsäulen mit einer Ladeleistung von mindestens 150 Kilowatt verpflichten. Zum Vergleich: Langsamere Punkte kommen auf bis zu 50 Kilowatt Leistung. Die Tankstellenbetreiber in der Region sehen das kritisch. An Standorten mit Potenzial haben sie bereits von sich aus ausgebaut. So hat der Bremer Mineralölhandel (BMÖ) an seiner Tankstelle Brinkum-Nord zwölf Tesla-Supercharger plus Ladepunkte mit bis zu 300 Kilowatt Leistung errichtet. „Damit ist dort die verfügbare Strommenge für Ladeinfrastruktur weitestgehend ausgeschöpft“, sagt BMÖ-Geschäftsführer Roland Rose. „Wenn also die Kunden des Ochtum-Parks in deutlich höherer Zahl mit E-Autos anreisen, erschließt sich mir nicht, wie der Strom dafür zur Verfügung gestellt werden soll.“ Denn mehr Schnelllademöglichkeiten erfordern die entsprechend vorgelagerte Infrastruktur. Das bedeute nicht nur mehr Trafos.
Die Investitionskosten seien hoch: „Ohne staatliche Zuschüsse können wir hier nicht uneingeschränkt aktiv werden, beziehungsweise müssen wir den Strompreis für das Schnellladen entsprechend hoch kalkulieren. Dies wäre für den Ausbau nicht förderlich“, so Rose. Ein Viertel der insgesamt 35 Tankstellen von BMÖ verfügten bereits über Schnellladesäulen, der Anteil werde noch steigen. Für Scholz’ geplantes Gesetz sieht der BMÖ-Geschäftsführer keine Notwendigkeit: „Der Ausbau der Elektromobilität hakt im Moment nicht an der Infrastruktur, sondern an der Verfügbarkeit beziehungsweise dem Preis von E-Fahrzeugen. Die sind nach wie vor für die breite Masse viel zu teuer.“
Da die Investitionskosten für die Schnellladesäulen auf den Strompreis umgelegt werden müssten, sieht Rose eigentlich nur eine Alternative: „E-Autos machen aus meiner Sicht nur Sinn, wenn man sie zu Hause und dort am besten mit selbst gewonnenem Strom lädt.“ Statt der Milliardenförderung in die E-Technologie sieht es Rose an der Zeit, auch andere Lösungen zu verfolgen wie zum Beispiel Wasserstoff oder E-Fuels.
Sechsstelliger Betrag für eine Schnellladesäule
Laut Lorenz Kiene, Geschäftsführer der Lühmann-Gruppe in Hoya mit ihren knapp 190 Classic-Tankstellen, sind derzeit für eine Schnellladesäule 350.000 Euro zu veranschlagen. Wer das stemmen könne, werde es über den Strompreis an die Kunden weitergeben. Investitionen in dieser Höhe sind nach Ansicht von Kiene ohne massive staatliche Förderung für die Masse der Tankstellenbetriebe wirtschaftlich nicht darstellbar.
Zumal die aktuelle Auslastung der vorhandenen Ladepunkte aktuell bei gerade mal 12,5 Prozent liege: „Auf einen Tag gerechnet bedeutet das, dass an einem Ladepunkt für nur knapp drei Stunden ein Elektroauto geladen wird.“ Rechne man die privaten Lademöglichkeiten hinzu, sei die Versorgung mit Ladepunkten in Deutschland für die bestehende Elektroautoflotte und auch für weiteres Wachstum bereits gesichert.
Marktverzerrung durch staatliche Förderung
Hoyer aus Visselhövede mit bundesweit mehr als 250 Tankstellen fordert für alle Marktteilnehmer dieselben Chancen und Risiken. Sprecher Thomas Hartmann sagte dem WESER-KURIER: „Eine staatliche Förderung, die mit Marktverzerrungen und Preisbindungen verbunden ist, wird den Markt nicht positiv stimulieren. Unternehmen, die bereits investiert haben, können so gegenüber geförderten, aber preisgebundenen Anbietern den Markt über- oder unterbieten. Und das kann kein Vorteil für den Kunden sein.“ Der Bremer Stromspeicherhersteller Powertrust, an dem Hoyer mehrheitlich beteiligt ist, schaut für den Tankstellenbetreiber, an welchen Standorten Ladesäulen Sinn machen und welche Infrastruktur dafür erforderlich ist.
Deutschlands größte Tankstellenkette Aral hat zumindest jüngst angekündigt, das aktuelle Netz von mehr als 1700 Ladepunkten bis 2025 auf 5000 zu erhöhen. Sie sollen dabei eine Schnellladeleistung von mindestens 150 Kilowatt haben, teilte die Muttergesellschaft BP Europa mit. Zusammen mit Wasserstoff und Offshore-Windprojekten will das Unternehmen in Deutschland bis 2030 bis zu zehn Milliarden Euro investieren.