Was für eine Vorstellung: Hätte am Donnerstag bei der Hauptversammlung vom Bremer Raumfahrtunternehmen OHB ein Aktionär den Cowboy-Hut seines letzten Karnevalskostüms aufgesetzt und dazu mit einer Portion US-Akzent geredet – die Aufmerksamkeit der anderen OHB-Aktionäre wäre ihm sicher gewesen. Zwar war bereits im Vorfeld bekannt, dass der US-Investor Guy Wyser-Pratte, der momentan schätzungsweise etwa ein Prozent der OHB-Anteile hält, nicht nach Bremen kommen wird. Aber bis zur Eröffnung der Hauptversammlung war nicht klar, ob er vielleicht stattdessen einen Vertreter schicken würde.
Jedoch waren weder Wyser-Pratte noch ein Vertreter in den großen Tagungsraum des Atlantic Hotels Universum nahe der Uni und damit nahe dem OHB-Firmengelände gekommen. Es wäre den langjährigen Aktionären sofort aufgefallen. Denn die seien neben dem Familienunternehmen OHB quasi ein weiteres Familienunternehmen für sich, wie Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer zu Beginn dem WESER-KURIER sagte: "Da gibt es welche, die ihrem Enkel zur Taufe eine OHB-Aktie geschenkt haben oder bei ähnlichen Anlässen innerhalb der Familie." Kramer ist seit Donnerstag ebenfalls Teil der OHB-Familie. Denn er wurde zusätzlich in den OHB-Aufsichtsrat gewählt.
Im Vorfeld hatte der US-Investor Wyser-Pratte damit kokettiert, dass er sich selbst als Mitglied im Aufsichtsrat sehen würde. Doch die Familie Fuchs, die gut 70 Prozent der Anteile hält, hätte das zu verhindern gewusst. Auch bei anderen OHB-Aktionären scheint der Investor in Ungnade gefallen, nachdem er im vergangenen August einen Brief an den OHB-Vorstandsvorsitzenden Marco Fuchs geschrieben hatte mit Empfehlungen, wie dieser das Geschäft optimieren könnte.
Eine Aktionärin sagte bereits beim Frühstück: "Statt nur Briefe zu schreiben, hätte sich der Herr Wyser-Pratte hier ruhig mal persönlich vor allen erklären können. Aber das hat der anscheinend nicht nötig." Die Aktionärin der ersten Stunde sagte auch: "Gleichzeitig ist das aber ein Lob, dass sich solche Leute für ein Familienunternehmen wie OHB interessieren."
Bei Fragen während der Versammlung an den Vorstand bat ein Aktionär scherzhaft den OHB-Vorstandschef Marco Fuchs: "Wenn Herrn Wyser-Pratte eine Aktion-Performance von 120 reicht, sodass er wieder verkauft, können Sie uns diese Performance nicht bis zum nächsten Jahr versprechen, Herr Fuchs? Dann wären wir Wyser-Pratte endlich wieder los."
Auf diese Frage konterte Fuchs: "Wer OHB-Aktionär der ersten Stunde ist, dessen Aktien haben bereits eine Performance von mehr als 400 genommen." Andere Aktionäre hätten ebenso gern gewusst, welche Absichten dieser "Herr vom US-Hegdefonds" denn habe. Dass aber grundsätzlich für lustige Fragen wie die nach der Performance Platz war, zeigte, dass die anwesenden Aktionäre ansonsten mit den Geschäftszahlen zufrieden gewesen waren.
Denn der Bau von Satelliten und die Beteiligung an einer Marsmission bescheren dem OHB volle Auftragsbücher. Der Auftragsbestand lag zum Stichtag am Ende des vergangenen Jahres bei 2,4 Milliarden Euro und damit um mehr als die Hälfte höher als ein Jahr zuvor. Der Umsatz kletterte im abgelaufenen Geschäftsjahr um rund 18 Prozent auf 826 Millionen Euro. Bis Jahresende könnte der Umsatz die Milliardengrenze knacken.
Unverständnis für den Brief
Der Gewinn wuchs jedoch langsamer als der Umsatz: Unter dem Strich blieben für die Eigentümer rund 23 Millionen Euro übrig und damit gut fünf Prozent mehr als 2016. Das Ergebnis je Aktie lag bei 1,34 Euro. Wie bereits im Jahr 2016 erhalten die Aktionäre eine Dividende von 40 Cent je Aktie. Die hätte nach Ansicht der Kleinaktionärs-Vertreter ruhig höher ausfallen können.
Durch die gute Auftragslage nutzt OHB alle Kanäle, um neue Mitarbeiter zu rekrutieren. Das sind zum einen Jobportale im Internet, zum anderen sind die eigenen Mitarbeiter aufgerufen, im Freundes- und Bekanntenkreis nach fähigen Kandidaten Ausschau zu halten. Allerdings erhält das Unternehmen nach Angaben des Vorstands jedes Jahr 10 000 Initiativbewerbungen. Bis Jahresende hofft OHB, mehr als 2500 Mitarbeiter zu beschäftigen.
Ein Aktionär hatte ein wenig Sorge, dass OHB zu stark abhängig sei von öffentlichen Aufträgen. 2017 generierte OHB 44 Prozent des Geschäfts durch Aufträge der ESA, 16 Prozent durch die Bundeswehr und sechs Prozent durch die nationale Raumfahrtagentur. Der Rest kam von Privataufträgen, wie dem Satelliten für das spanische Unternehmen Hispasat. Übrigens vergab OHB im letzten Jahr Aufträge im Wert von 41 Millionen Euro an Zulieferfirmen im Land Bremen, sodass auch die regionale Wirtschaft davon profitiert.
Zu der Sorge, dass für die Ariane 6 Aufträge fehlen, wie es der Chef der Ariane Group, Alain Charmeau, äußerte, sagte Marco Fuchs: "Der Markt ist hart umkämpft." Er sei aber zuversichtlich, was den Anteil von elf Prozent angeht, den OHB zur neuen Trägerrakete beisteuert. Hier hatte Guy Wyser-Pratte in seinem Brief kritisiert, OHB würde sich im Raketengeschäft zu defensiv äußern. Beim traditionellen Spargelessen am Mittag scherzte ein Aktionär, beim nächsten Ariane-Start solle der US-Investor am besten doch ruhig mit an Bord und ins All. Da war sie einmal mehr – die Familie der langjährigen OHB-Aktionäre, zwischen die kein Blatt passt.