Sabine von der Recke kommt mit dem Elektroroller vorgefahren. Die 39 Jahre Vorstandsbeauftragte der Bremer OHB ist in Berlin unterwegs. Gerade tagen die Verhandlerteams von SPD, Grünen und FDP, und natürlich geht es da auch um die Raumfahrtbranche. Von der Recke – Jeansjacke, Zopf, freundliches Lächeln – redet hier mit vielen Menschen, vermittelt die Interessen ihres Unternehmens.
Ihr Unternehmen beschäftigt allein in Bremen 1100 Menschen. Weltweit arbeiten 3000 Menschen an dreizehn Standorten für das Raumfahrt- und Technologieunternehmen. Der Umsatz im abgelaufenen Geschäftsjahr beträgt rund eine Milliarde Euro. Die Raumfahrtbranche ist eine Schlüsselindustrie für die Region und ganz Deutschland. Was in dieser Branche passiert, hat Auswirkungen auf die globale Kommunikation, exakte Navigation und präzise Erdbeobachtung.
Für die Politikwissenschaftlerin wird sich ab dem 1. November auch beruflich etwas verändern. Sabine von der Recke rückt auf in den Vorstand der OHB System AG. Sie wird damit die zweite Frau im siebenköpfigen Vorstand sein. Über die Berufung, sagt sie, habe sie sich sehr gefreut. Diese will sie durchaus auch als "unternehmenspolitisches Zeichen verstanden wissen". Künftig wird von der Recke zwischen Bremen und Berlin pendeln.
Im politischen Berlin sei die Raumfahrtbranche "sehr präsent", erzählt Sabine von der Recke. "Wir sind eine überschaubare Branche, wir kennen uns alle. Der Staat ist unser Kunde." Dass sich durch den Wechsel von einer schwarz-roten zu einer Ampelkoalition viel ändern sollte, findet von der Recke nicht. "Wir wünschen uns, dass unsere Branche so weiter prosperieren kann, wie sie es tut". Dafür brauche es die entsprechenden politischen Weichenstellungen. Angesichts eines Regierungsbündnisses, das sich einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft verpflichtet sieht, sieht die Lobbyistin eine noch größere Notwendigkeit für Deutschland, in der Raumfahrtbranche dabei zu sein. "Mehr Wissen und mehr Daten sind ein Instrument politischen Handelns – international und europäisch", sagt sie und nennt als Beispiele Lösungen für die Klima- und Umweltpolitik.
Im September haben vier europäische Raketenhersteller eine Absichtserklärung für den Start ihrer Raketen mit der German Offshore Spaceport Alliance (GOSA) unterzeichnet. Das umgebaute Spezialschiff der GOSA soll in Bremerhaven seinen Heimathafen haben. Von dort aus können die kleinen Trägerraketen von der Nordsee ins All starten. Der erste Start ist für 2023 geplant.
Laut Matthias Wachter, Abteilungsleiter für Internationale Zusammenarbeit, Sicherheit, Rohstoffe und Raumfahrt beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), ist die Startplattform in der Nordsee eine entscheidende Systemkomponente, um an der zunehmenden Uberisierung der Raumfahrt teilzunehmen. Satelliten werden im All genau dort ausgesetzt, wo sie hinsollen, die Kunden bezahlen nur noch für den Transportservice. Die Startplattform in der Nordsee sei das Mittel der Wahl, um das deutsche Raumfahrt-Ökosystem nachhaltig zu stärken. "Sie ermöglicht einen flexiblen und unbürokratischen Zugang aus der EU ins All." Eine neue Bundesregierung sollte das Engagement von Unternehmen unterstützen und die Genehmigung für Starts zügig erteilen. "Bremen mit seiner Lage und der vorhandenen Infrastruktur wird dadurch in den kommenden Jahren noch attraktiver werden für Hersteller von Satelliten und allem, was dazugehört."