Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Bremer Innenstadt Balgequartier: So ist der Stand beim 100-Millionen-Projekt

Das Gesamtprojekt in der Bremer Innenstadt wird mindestens 100 Millionen Euro kosten. Was ist der Stand bei den einzelnen Vorhaben im sogenannten Balgequartier des Investors Christian Jacobs?
23.06.2022, 14:54 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Balgequartier: So ist der Stand beim 100-Millionen-Projekt
Von Jürgen Hinrichs

So wie es der Kaffee-Erbe Christian Jacobs bereits früh gesehen hat - als "Handlauf zur Weser" mit vier Projekten in der Obern- und der Langenstraße – so betrachtet es jetzt auch der Senat: Bausenatorin Maike Schaefer (Grüne) und Jacobs haben am Donnerstag einen städtebaulichen Vertrag zur Entwicklung des Balgequartiers unterzeichnet. Damit bekommt das 100-Millionen-Projekt, das mit dem Johann Jacobs Haus in der Obernstraße begonnen hat und mit dem Kontorhaus am Markt enden wird, einen rechtlichen Rahmen. Benannt ist es nach der Balge, einem Seitenarm der Weser, der ab dem frühen Mittelalter fast bis zum Marktplatz heranreichte und 1838 zugeschüttet wurde. An diesem Flusslauf entstand in Bremen der erste Hafen.

Von europäischem Format

Ziel der verschiedenen Vorhaben sei eine ganzheitliche Entwicklung des Gebiets, heißt es in einer Pressemitteilung. Konkret: mehr Gastronomie mit einer Vielzahl von Außensitzplätzen. Ein besonderes Beleuchtungskonzept. Und die Gestaltung des Straßenraums bis hin zu den kleinsten Kleinigkeiten: Mobiliar, Reklame Schaufenster, Straßengrün, Fahrradabstellplätze, Straßenschilder. Es gibt dafür eine Fibel mit Regeln, an die sich künftig alle Anrainer halten müssen. Bis Ende 2024 soll das Gesamtprojekt fertig sein.

"Bremen ist die größte Stadt zwischen Amsterdam und Hamburg", hebt Jacobs hervor. Das ist für ihn der Maßstab. Das Balgequartier solle von europäischem Format sein, lautet der Anspruch des Unternehmers, den der Senat ausdrücklich teilt. Angestrebt wird ein Anziehungspunkt, der zum Verweilen und Genießen einlädt, wie der Prinzipalmarkt in Münster und die Fünf Höfe in München. Obenan steht außerdem die Funktion als Scharnier zwischen Innenstadt und Weser. "Dafür gilt es, trennende Elemente abzuschwächen, bestehende Wegeverbindungen attraktiver zu gestalten und neue Aufenthaltsräume und städtebauliche Perspektiven zu schaffen", sagt Jacobs mit Blick auf die direkt angrenzende Martinistraße, die in den nächsten Jahren zurückgebaut werden soll.

Backstein aus Dänemark

Für die Bausenatorin ist das Balgequartier nach eigenen Worten ein Beispiel, dass sich trotz aller Unkenrufe und berechtigter Klagen etwas tut in der Bremer Innenstadt: "Das ist ein Meilenstein für die Belebung des Zentrums und kann Vorbild für weitere Schritte in den Schwerpunkträumen unserer Strategie Centrum Bremen 2030+ werden", so Schaefer.

Das Johann Jacobs Haus

Das ehemalige Stammhaus der Marke Jacobs in Bremen wurde nach dem Abriss in seiner historischen Art und Weise wieder aufgebaut und vor zwei Jahren offiziell eröffnet. Auf einer Fläche von knapp 1400 Quadratmetern auf fünf Stockwerken und Dachterrasse sind ein Café mit Ladengeschäft, eine Rösterei für Kaffeespezialitäten und eine Kaffee-Akademie untergebracht. Ursprünglich war das für die ersten beiden Obergeschosse anders geplant, dort sollten Einzelhändler Platz nehmen, doch es fanden sich keine. "Das ist komplett gescheitert", gestand Christian Jacobs bei der Eröffnung ein.

Das neue Gebäude mit seinem markanten Backstein aus Dänemark wurde vom Berliner Planungsbüro Felgendreher Olfs Köchling entworfen. Die Architekten hatten den Gestaltungswettbewerb gewonnen. Christian Felgendreher ist gebürtiger Bremer, hat also eine Affinität zu dem Ort in der Obernstraße. Die Fassade wird von großen Fenstern durchbrochen, was dem Haus Transparenz verleiht. Auffällig auch die Bögen und der Versatz an den Fronten.

Die Stadtwaage

600 Jahre ist es her, dass an dem Platz in der Langenstraße damit begonnen wurde, die Ware der Händler öffentlich zu wiegen und zu verzollen, um Betrügereien vorzubeugen. Das Haus fiel im 2. Weltkrieg den Bomben zum Opfer, nur die Außenmauern blieben stehen. Komplett wieder hergestellt wurde es erst wieder im Jahr 1961. Besonders gut gelingen konnte das mit der Vorderfassade. Sie ist das Werk des Bremer Steinhändlers Lüder von Bentheim und stammt aus der Renaissance. Nach der Bombardierung waren die alten Steine erhalten geblieben und dienten zur Rekonstruktion.

Im Zuge erster Bauarbeiten wurde im vergangenen Jahr die Rückfassade geöffnet, über den Jacobshof hinweg gibt es damit eine Verbindung zum neuen Stammhaus der Bremer Kaffeedynastie. Im Erdgeschoss ist der Geschenkeladen "Made in Bremen" eingezogen. Zum Jahresende schließt das Geschäft, dann beginnt die umfangreiche Sanierung des Gebäudes. Jacobs plant unter anderem, in der Stadtwaage ein Restaurant betreiben zu lassen.

Das Essighaus

Das Giebelhaus im Stil der Weser-Renaissance wurde 1618 von der Kaufmannsfamilie Esich in Auftrag gegeben. Gut 200 Jahre später zog eine Essigfabrik ein, daher der Name. Nach der Zerstörung im Krieg wurden die Erker im Erdgeschoss rekonstruiert und die Obergeschosse neu gestaltet. Zuletzt saß in dem Gebäude die Deutsche Factoring Bank, sie ist in die Überseestadt umgezogen. Jacobs hatte überlegt, die Fassade im 3D-Druckverfahren nach historischem Vorbild zu formen. Die Pläne sind Makulatur. Über die Front wurde danach lange mit der Stadt gerungen, mittlerweile gibt es aber eine Einigung.

Das Essighaus wird abgerissen, im Herbst beginnen die Vorbereitungen. Logistisch bedeutet das eine große Herausforderung, weil die Baustelle so schwer zugänglich ist. Entstehen wird ein massiges Bürogebäude mit einer Bruttogeschossfläche von rund 6000 Quadratmetern. Auch im Essighaus könnte es im Erdgeschoss eine gastronomische Nutzung geben. Das würde die Angebote rund um den Jacobshof komplementieren.

Das Kontorhaus am Markt

Das Kontorhaus, erbaut im Jahr 1911, gehörte in seinen Anfängen der Disconto-Gesellschaft mit Hauptsitz in Berlin. Von 1923 waren die Allgemeinen Gas- und Elektrizitätswerke Hauptnutzer, nach dem Krieg das Fernmeldeamt und die Stadtwerke. Dann übernahm die Telekom und verkaufte das imposante Haus später an die Stadt. Bis vor Kurzem war es Sitz der Wirtschaftsförderung Bremen (WFB). Seit dem Auszug steht das Büro- und Geschäftsgebäude leer und ist bereit, entwickelt zu werden. Das Projekt wird in der Abfolge das vorerst letzte sein, was für das neue Balgequartier angepackt wird.

Ein besonderes Problem ist das Hochparterre, es soll verschwinden, damit das Kontorhaus mehr Durchlässigkeit erhält. Beim Umbau und der Sanierung vor 20 Jahren war man vor dieser Veränderung noch zurückgeschreckt, weil sie mit hohen Kosten verbunden ist. Zu den Plänen gehören bodentiefe Fenster und neue Giebel auf dem Dach. Einer der Mieter könnte ein städtisches Stadtmusikanten- und Literaturhaus sein, dafür gibt es mit Jacobs aber noch keine Einigung.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)