Vasili Zosimov spricht kein Wort Deutsch. Aber kochen kann er. Und für den Moment reicht das aus, um in der Küche des Schwachhauser Restaurants „Isaak’s Garden“ am Herd zu stehen. Denn Köche und Servicepersonal sind knapp in der Gastronomie. An der Sprache soll es da nicht scheitern – auch wenn die deutsche Grammatik immer noch das größte Hindernis ist, die vielen nach Deutschland geflüchteten Ukrainer in Lohn und Brot zu bringen.
Vasili stammt aus dem Bezirk Donezk im Osten der Ukraine, wo der Krieg gegen die russischen Angreifer besonders grausam wütet; die seit Monaten umkämpfte Stadt Bachmut liegt nicht weit entfernt von seiner Heimatstadt. Der 31-Jährige ist das jüngste von sieben Kindern der Familie und als solches vom Militärdienst freigestellt. Acht Jahre hat er als Bergmann gearbeitet, bevor er Koch wurde. Und als solcher will er nun in Deutschland sein Geld verdienen, auch für die Familie, die immer noch in Donezk ausharrt. Über alles andere – die Politik, den Krieg – redet Vasili nicht gerne.
Wobei das mit dem Reden ohnehin so eine Sache ist, wenn man die Sprache des neuen Heimatlandes nicht spricht – selbst bei unverfänglichen Themen wie der Auswahl des Gemüses oder der Bedienung des neuen Außengrills vor dem Restaurant wird es schwierig. Sein Chef, der Bremer Gastronom Jürgen Lonius, stellt einen Tablet-Computer auf den Tisch, wenn er mit Vasili etwas zu besprechen hat, und tippt auf den Google-Übersetzer. Das Programm beherrscht kyrillische Buchstaben. „Das ist der einzige Weg, auf dem wir miteinander reden können“, sagt er. Selbst in der Hektik einer Restaurantküche am Freitagabend klappt das bislang gut, findet Lonius.
Was bleibt ihm auch anderes übrig? Wochen- und monatelang suchte er sogar auf der Internetseite seines Restaurants nach neuem Personal, ganz oben, noch vor der Speisekarte. Denn der Arbeitskräftemangel hat die Branche voll erfasst. Nach dem jüngsten Branchenreport der Arbeitnehmerkammer blieben ausgeschriebene Stellen in der Bremer Gastronomie im vergangenen Jahr im Schnitt fünf Monate unbesetzt. Ein Grund aus Sicht der Arbeitnehmerkammer sind die Arbeitsbedingungen: niedrige Löhne, Zeitdruck und hohe körperliche Anforderungen.
Lonius seinerseits könnte viel erzählen über seine Erfahrungen mit den jungen Leuten der „Generation Z“, deren Arbeitseifer aus seiner Sicht zu wünschen übrig lässt. Es nützt ja nichts: Irgendjemand muss die Spargelpasta und den gegrillten Pulpo nun mal zubereiten und servieren, auch an einem Freitagabend. Und in dieser Hinsicht ist er von seinen neuen ukrainischen Mitarbeitern begeistert: „Die Arbeitsbereitschaft ist enorm“, lobt der Gastronom. Am liebsten kocht Vasili zwar Borschtsch, die berühmte osteuropäische Kohlsuppe, und Pelmeni-Teigtaschen, erzählt der Ukrainer. Aber in die mediterran-levantinische Küche, die seinem Chef für „Isaak’s Garden“ vorschwebt, hat er sich schnell eingefunden.
Zwei ukrainische Köche und eine Küchenhilfe hat Lonius inzwischen eingestellt; ein weiterer Koch und eine Kellnerin werden noch erwartet. Die Personallage hat sich für ihn deutlich entspannt, trotz der Sprachbarriere. „Ich glaube, man muss die Menschen ernstnehmen, ihnen 100 Prozent vertrauen, dann wird da was draus“, sagt Lonius, der selbst schon einmal geflüchtet ist – aus der DDR, kurz vor dem Mauerfall.
Mehr als eine Million Ukrainer und Ukrainerinnen sind seit dem russischen Überfall auf ihr Land im Februar 2022 nach Deutschland eingewandert; die Osteuropäer bilden damit die derzeit zweitgrößte ausländische Bevölkerungsgruppe in Deutschland. Anders als Asylbewerber aus anderen Ländern dürfen sie sich sofort nach Arbeit umsehen. „Insgesamt stellen wir eine hohe Motivation zur Arbeitsaufnahme unter den geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainern fest“, sagt Armin Zubrägel, der Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven.
Doch die Suche nach einem Arbeitsplatz verläuft oft schleppend; meist scheitert es an der Sprache. Im April waren bei der Arbeitsagentur in Bremen 3333 Ukrainer als Arbeitssuchende registriert; vermittelt werden konnten nur neun Personen. In den vergangenen zwölf Monaten waren es insgesamt nur gut 250, hauptsächlich in der Logistik, im Baugewerbe und der Gastronomie. „In den ersten Monaten nach der Einreise waren die Hürden, Arbeit zu finden, wegen der oft noch nicht ausreichenden Sprachkenntnisse sehr hoch“, räumt Zubrägel ein. Mittlerweile jedoch hätten viele Ukrainer bereits Sprachkurse absolviert. Auch die Arbeitgeber reagierten jetzt offener und stellen häufiger Menschen ein, selbst wenn die Sprachkenntnisse noch nicht perfekt sind“, hat Zubrägel beobachtet. „Letztlich geht es darum, in die Zukunft zu investieren und Fachkräfte zu gewinnen.“
Auch Vasili Zosimov, der jetzt in „Isaak’s Garden“ am Herd steht, hat mittlerweile die erste Stunde seines Deutschunterrichts hinter sich. Denn seine Zukunft sieht er nicht mehr in der leidgeprüften Ukraine. Auf die Frage, wie lange er denn in Deutschland bleiben möchte, kommt die Antwort prompt aus dem Übersetzungsprogramm: „Für immer.“