Der Druck in der Öffentlichkeit auf den börsennotierten Immobilienkonzern Vonovia zeigt Wirkung. So sagte Vonovia-Vorstandschef Rolf Buch am Donnerstag bereits vor der Hauptversammlung des Unternehmens: „Wir geben Mietern ab 70 die Garantie, dass sie ihre Wohnungen nicht verlassen müssen.“ Vonovia sichere ihnen zu, „dass ihre Wohnung bei Veränderung der ortsüblichen Vergleichsmiete bezahlbar bleibt“. Mieterorganisationen hatten beklagt, dass viele Rentner sich die steigenden Mieten für ihre Wohnungen kaum noch leisten könnten.
Der Bremer Fachanwalt für Mietrecht, Valentin Weiß, der diverse Vonovia-Mieter vor Gericht vertritt, hält Buchs Ankündigung für einen PR-Gag und fragt direkt, wie das Unternehmen den Begriff "bezahlbar" definiert. Ebenso sagte der Geschäftsführer vom Deutschen Mieterbund, Ulrich Ropertz: „Wenn es nicht nur schöne Worte angesichts einer Hauptversammlung sein sollen, dann muss Buch klare Regelungen treffen, wie er sicherstellen will, dass Mieter nach einer Modernisierung ihre Wohnung weiter bezahlen können.“ Ropertz forderte in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: "Buch muss sagen, inwieweit Vonovia bereit ist, auf Mieterhöhungen im Einzelfall zu verzichten.“
Als Reaktion auf die Worte des Vonovia-Vorstandschefs appellierte die Partei Die Linke, man solle ältere Mieter besser vor Kündigungen schützen. Für Menschen, die älter als 70 Jahre sind, soll eine Kündigung durch den Eigentümer wegen Eigenbedarfs gesetzlich ausgeschlossen werden. Das geht aus einem Antrag der Linksfraktion im Deutschen Bundestag hervor.
Auf der Hauptversammlung des im Dax notierten Konzerns interessierten die Aktionäre aber vor allem die Geschäftszahlen. So konnte Vonovia die Ertragskraft im vergangenen Jahr wiederholt steigern. „2018 war für uns erneut ein erfolgreiches Geschäftsjahr“, sagte Buch. Das Immobilienportfolio sei gewachsen, der Wert habe erneut zugelegt. Aber im Vordergrund stehe die Verantwortung für rund eine Million Menschen, die in Vonovia-Immobilien zuhause seien. „Unsere Aktivitäten haben also niemals nur eine wirtschaftliche, sondern immer auch eine gesellschaftliche Perspektive.“ Vonovia sei Teil der öffentlichen und politischen Debatte.
Immer mehr Menschen würden in die Großstädte ziehen. Dort gebe es daher immer weniger Wohnungen für Durchschnittsverdiener. Die Neuvertragsmieten in den Ballungszentren stiegen stärker als die Löhne. „Die Angst, keine geeignete Wohnung zu finden, ist bei vielen Menschen groß und auch berechtigt“, sagte Buch. Die Debatte sei deswegen hoch emotional, und das sei verständlich.
Im Kampf gegen steigende Mieten und Wohnungsnot waren zuletzt vor allem in Großstädten Forderungen nach einer Enteignung von Immobilienkonzernen laut geworden. In Berlin werden Unterschriften für ein Volksbegehren gesammelt. Buch wehrt sich gegen den Vorwurf, dass sein Unternehmen zu den Preistreibern gehöre. Die Mieten im Bestand seien 2018 mit 0,9 Prozent weniger stark gestiegen als die Inflationsrate, sagte er. Die Durchschnittsmiete betrage bei Vonovia-Wohnungen derzeit 6,56 Euro pro Quadratmeter.
Damit liege Vonovia in den großen Städten mit der Miete in der Größenordnung der kommunalen Unternehmen. Auch bei der Neuvermietung liege Vonovia um mehr als 20 Prozent unter den Marktpreisen. Das wiederum sieht der Bremer Mietrechtsanwalt Weiß anders: „Sowohl in Bremen, als auch in den mir bekannten Fällen aus Hamburg und dem Ruhrgebiet sowie aus Frankfurt werden durch zum Teil sinnlose Modernisierungen erhebliche Mieterhöhungen erzielt.“
Weniger Modernisierungen
Nach Mieterprotesten war der Dax-Konzern bereits 2018 bei der Wohnungsmodernisierung auf die Bremse getreten. Durch Sanierungen soll es keine Mietaufschläge von mehr als zwei Euro je Quadratmeter geben. Der Durchschnitt der Mieterhöhungen nach Modernisierungen habe bei Vonovia im vergangenen Jahr 1,50 Euro je Quadratmeter betragen, sagte Buch.
Auch diese Aussage relativiert Valentin Weiß: „Sofern behauptet wird, durch Sanierungen soll es keine Mietaufschläge von mehr als zwei Euro je Quadratmeter geben, ist dieses einerseits für die Vergangenheit unzutreffend, anderseits stellt dieses für die Zukunft die Gesetzeslage dar.“
Den barmherzigen Samariter wollte Buch dann doch nicht spielen: „All das tun wir nicht selbstlos. Wir verdienen Geld damit. Wir schaffen damit Spielräume, um unsere Strategie weiter erfolgreich umzusetzen. Weil wir nicht zuletzt auch Ihnen, unseren Aktionären, verpflichtet sind.“ Steigende Mieten und Zukäufe im Ausland hatten Vonovia im Auftaktquartal deutlich mehr Gewinn beschert.
Zudem profitierte der Konzern von geringeren Kosten bei der Bewirtschaftung der Wohnungen. Konzernchef Buch hatte bei der Zahlenvorlage zugesichert, das Unternehmen werde sich an der Suche nach einer Lösung für die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt beteiligen. Forderungen nach einer Enteignung von Wohnungsunternehmen hatte Vonovia aber zurückgewiesen. Vonovia wächst schon seit Jahren durch Großübernahmen. Mittlerweile gehören dem Konzern mehr als 400 000 Wohnungen.
Vor der Hauptversammlung in Bochum demonstrierte eine Menschengruppe – zum Teil als Miethai verkleidet. Diesen Protest kann der Bremer Anwalt Valentin Weiß absolut verstehen: „Aus dem Ruhrgebiet sind zahlreiche Fälle dokumentiert, wonach Bauteile bei der Modernisierung abgerechnet worden sind, die teurer waren als im Handel.“ Darauf ging auch zuletzt Günther Wallraff in seiner RTL-Sendung ein. „Aufgrund des Insourcings und der internen Eigenrechnungen kann Vonovia die tatsächlichen Einkaufspreise verschleiern.“
Was Vonovia laut Anwalt Weiß noch macht: „Baunebenkosten für Architekten und Ingenieure werden nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure abgerechnet, obwohl dies nur beim Einsatz freier Architekten und Ingenieure möglich ist.“