Wenn die Politik die Unternehmenssteuern erhöht, trifft sie damit mitnichten nur die Reichen und besser Gestellten. Diese alte Vermutung hat das Münchener Ifo-Institut nun anhand konkreter Berechnungen für Deutschland belegt. Demnach tragen Arbeitnehmer hierzulande die Hälfte der ökonomischen Last, wenn die Gewerbesteuer steigt, wie es auch in Bremen geplant ist. Denn entsprechend sinkt für sie der Spielraum, bei den Firmen höhere Löhne durchzudrücken.
Man kann den Druck auf die Beschäftigten durch Unternehmenssteuern der Studie zufolge sogar noch drastischer beschreiben. Denn die ökonomische Last einer Steuer meint nicht allein die Kosten durch die direkten Zahlungen an den Fiskus, sondern auch indirekte ökonomische Schäden beispielsweise durch geringere Investitionen. Von dieser Gesamtlast tragen die Lohnempfänger 51 Prozent. Wenn eine Gemeinde aber durch höhere Tarife einen Euro mehr an Gewerbesteuer einnimmt, führt dies zu Lohneinbußen von sogar 0,65 Cent. Der Anteil relativ zum Steueraufkommen beträgt also fast zwei Drittel.
Unternehmen können keine Steuern zahlen
Für viele mögen solche Zusammenhänge überraschend wirken. Doch für Finanzwissenschaftler ist klar, dass Unternehmen gar keine Steuern zahlen können. Unternehmen können auch nicht essen oder trinken, sagt dazu Ifo-Chef Clemens Fuest. Formal erfasst das Finanzamt zwar mit der Gewerbesteuer die Gewinne der Firmen. Dies aber trifft die Menschen, die mit diesen Unternehmen zu tun haben. Dies können die Eigentümer sein, wenn deren Ausschüttungen sinken. Möglich ist aber auch, dass für die Kunden die Preise steigen und/oder für die Lieferanten sinken. Oder die Manager beziehungsweise die Inhaber überwälzen die Last auf die Beschäftigten.
Normalerweise ist es für Volkswirte kaum möglich, die Anteile der einzelnen Gruppen an den Kosten einer Steuererhöhung zu bestimmen. Denn so häufig ändern Länder ihre Unternehmenssteuern nicht, um genügend Daten für aussagekräftige Schlussfolgerungen zu liefern. Eine Ausnahme stellt die Gewerbesteuer dar, die es nur in Deutschland gibt und sich von Ort zu Ort unterscheidet. Im Zeitraum 1993 bis 2012 haben die Städte und Gemeinden die Sätze rund 18.000mal verändert, meist nach oben. Für Wissenschaftler eine wundervolle Fundgrube an statistischem Material.
Bei der Auswertung zeigt sich: Langt der Bürgermeister bei der Gewerbesteuer zu, hat dies Folgen für die Löhne, vor allem natürlich wenn die durch Tarifverhandlungen auf Firmenebene festgelegt werden. Besonders betroffen sind nicht die Topverdiener, sondern die niedrig-qualifizierten Beschäftigten, die Jüngeren und die Frauen. Bei Letzteren spielt wohl eine Rolle, dass sie häufiger Zweitverdiener in einer Familie sind. Daher können sie schlechter drohen, an einen anderen Standort zu einer anderen Firma zu wechseln. Sie sind weniger mobil, was die Verhandlungsposition schwächt.
Unternehmenssteuern treffen niedrige Einkommen
Fazit aus all dem: Unternehmenssteuern treffen stärker als auf den ersten Blick erkennbar niedrige Einkommen. Aus Sicht von Fuest spricht dies dafür, bei Reformdebatten weniger auf die Verteilungswirkung zu achten und mehr auf die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts. Man kann aber auch einen anderen Schluss ziehen. Wenn das deutsche Steuern- und Abgabensystem noch weniger als gedacht bei den Besserverdienenden zugreift, ist die Politik umso mehr gefordert, für einen stärken Ausgleich zwischen Oben und Unten zu sorgen.
Bremen will durch die geplante Anhebung der Gewerbesteuer in den Haushaltsjahren 2018 und 2019 jeweils etwa neun Millionen Euro zusätzlich einnehmen. Der Senat hat versprochen, den Satz danach wieder abzusenken. Dennoch hat es scharfe Kritik an der Ankündigung von Rot-Grün gegeben. Vor allem aus der Wirtschaft: Zuletzt hatte Handelskammer-Präses Harald Emigholz im Interview mit dem WESER-KURIER von einem gestörten Vertrauen in die Verlässlichkeit der Regierung gesprochen.
Nicht nur die Steuerpläne selbst stoßen in der Wirtschaft auf Ablehnung. Die Handelskammer hat zudem mehrfach moniert, nicht vorab darüber informiert worden zu sein. Öffentliche Kritik daran hat es sogar bei den Sozialdemokraten gegeben. So hatte Bürgerschaftspräsident Christian Weber (SPD) vergangenen Monat bei einer Veranstaltung gesagt: „Konsultationen sind für mich selbstverständlich, sogar verpflichtend.“