Bei Edeka sind Verhandlungen mit mehreren Herstellern in den vergangenen Monaten eskaliert. Im Sortiment fehlen deshalb einige Marken oder sind kräftig ausgedünnt. Es geht um Klassiker: um die Pastamischung Mirácoli, den Schokoriegel Snickers, Staubsaugerbeutel von Swirl oder auch den Frischkäse Philadelphia.
Frank Damerow spürt die Folgen der Auseinandersetzung in seinem Edeka in Vegesack. Gerade hilft der Supermarktleiter einer Kundin in der Gemüseabteilung. Ein Automat schält ihren Spargel auf Wunsch schon im Laden. Damerow bestellt die Stangen bei einem Hof in der Region – eigenständig.
Großteil der Produkte wird zentral eingekauft
Anders als der hiesige Spargel wird ein Großteil der Produkte aber zentral für alle Läden von Edeka eingekauft. Das läuft Damerow zufolge sehr gut. Es könne jederzeit bestellt werden. Nur gerade liegt hier das Problem: Edeka ist nicht mit den Preisen der Hersteller einverstanden.
In der Erinnerung von Damerow ging es mit Coca Cola los. Was an den Machtkämpfen neu sei: Die Lebensmittelhersteller selbst – es ist gleich eine ganze Runde – stellten ihre Lieferung an Edeka ein. Die Kaufleute sprechen von "Crashlieferanten". Der Streit mit Cola ist zwar beigelegt, dafür gibt es neuen mit Pepsi. Das Geschäft kennt Damerow genau. Seit 1985 ist er im Handel tätig. Seit fast zehn Jahren hat er hier in Bremen seine eigene Filiale. "Das gab es noch nie", sagt er zur Dimension der Lieferstopps. In der Vergangenheit seien höchstens Randartikel mal kurzzeitig rausgefallen.

Die Regale bleiben teilweise leer.
Damerow steht dabei hinter dem Vorgehen von Edeka. "Natürlich ist das richtig", sagt der Filialleiter. Es sei der Kern der Einkaufsgenossenschaft, günstige Preise an die Verbraucher weitergeben zu wollen: "Das müssen wir gemeinsam erkämpfen." Die Kosten der Hersteller seien gestiegen, ihre Forderungen aber zu hoch.
Die Kaufleute hielten zusammen. "Ich kenne keinen, der ausschert und sagt: Ich fahre jetzt zu Metro und hole mir meine Mars und Snickers", sagt Damerow. Die Kunden hätten zudem Verständnis, weil Edeka für niedrigere Preise kämpfe.
Frank Damerow steht nun vor den Windeln von Pampers. "Harmonie" verspricht eine der Verpackungen mit einem süßen Baby darauf. Die Marke gehört jedoch zum Konzern Procter & Gamble, mit dem Edeka sich ebenfalls nicht einig ist. Die Auswahl ist darum ausgedünnt. "Da ist schon kein Strichcode mehr drauf. Das sind Auslistungsetiketten", zeigt Damerow aufs Preisschild. Dabei sei Pampers, sagt er, die Ankermarke: "Wenn man an Windeln denkt, denkt man zuerst an Pampers." Jetzt gibt es mit Lillydoo eine neue Windel hier im Regal. Viele probierten auch die Eigenmarke von Edeka aus und stellten fest: Die Windeln von Elkos funktionieren und sind günstiger.
Umstellen statt Auffüllen
Damerow schaut auf die Lage noch recht entspannt. Der Aufwand sei natürlich größer. "Der Kunde soll es nicht merken", sagt er zu den Lücken im Sortiment. Die Regale werden immer wieder geschickt umgestellt, um die Spuren des Preiskampfs zu kaschieren. Alternativen kriegen mehr Platz, zum Beispiel das Tierfutter von Felix und Vitakraft, denn Whiskas und Kitekat fehlen. Wo sonst Snickers und Mars zu finden sind, gibt es nun weitere Sorten von Toblerone und Kitkat. Statt Süß-Sauer-Soße von Uncle Ben's kam Sonnen Bassermann neu rein.
Aus Damerows Sicht wäre es hier viel gravierender, wenn die Produkte aus der Region nicht da wären – wie der Spargel aus Thedinghausen. Als Bremer Händler sei die Zusammenarbeit mit den Direktlieferanten ganz wichtig – ob bei Kartoffeln, Würstchen oder Pralinen. Der Konflikt etwa mit Mars sei "zwar auch nicht gut". Hier könne aber leichter Ersatz gefunden werden. "Ich glaube, dass der Kunde es uns nicht verzeihen würde, wenn wir jetzt zum Beispiel keine Erdbeeren vom Erdbeerhof Klaus aus Hoope kriegen würden."
Kunden steigen auf Alternativen um
Zu Anfang vermissten die Kunden fehlende Artikel schon. Wenn ein Streit so lange dauere, würden sie aber auf Alternativen umsteigen – oder kauften ihre Lieblinge woanders ein. Schlimm wäre es nur, sagt Damerow, wenn die Kunden deshalb immer woanders hingingen: "Das passiert sicherlich auch. Damit muss man aber als Genosse leben." Der Großteil der Kunden sei sehr treu im Preiskampf: "Wir kriegen ganz viel Unterstützung."
Ein Stimmungsbild zeigt: Einige Kunden hier vermissen die Marken gar nicht groß. Ihnen ist der Wegfall kaum aufgefallen, weil es genug Alternativen gibt. Anstelle des Philadelphia liegen Bresso, Almette und Exquisa bereit. Die Auswahl an Produkten ist überhaupt üppig. In der jüngsten Inventur kam man hier auf 21.000 Artikel.
Der Trend zu den günstigeren Eigenmarken ist wegen der angezogenen Preise ohnehin da. Die Marken sind in der Regel teurer. Angebotsartikel kauften viele Kunden auf Vorrat ein. Es werde teils weniger und dafür gezielter gekauft. "Eigentlich jeden Tag sagen die Kunden: Es ist wieder teurer geworden", berichtet Damerow. Obwohl das nicht der echten Preissteigerung für Lebensmittel entspreche, sei die gefühlte Wahrnehmung vieler: Es ist nur noch die Hälfte im Einkaufswagen fürs selbe Geld.
Kein Ende der Auseinandersetzung in Sicht
Damerow rechnet wie Edeka mit weiteren Monaten der Auseinandersetzung. "Darauf sind wir eingestellt. Das wird sich nicht so schnell wieder einrenken", sagt er. Zunächst glaubte er noch an den Frieden zum Fest – also rechtzeitig zu Weihnachten. Daraus wurde nichts. Einfacher laufen die Gespräche mit seinem Spargelbauern aus Thedinghausen. Eine Mitarbeiterin sucht ihren Chef, das Telefon am Ohr. Wie viele Kisten Spargel sollen es für den nächsten Tag sein?
Für Frank Damerow persönlich zählt derweil etwas Süßes. "Ich muss Ferrero Küsschen haben", sagt er, "weil meine Frau die so gerne isst."