Sicherheit, Sauberkeit, Ordnung und die Bildungspolitik sind Bereiche, in denen Unternehmen aus Bremen und Bremerhaven besonders hohen Handlungsbedarf sehen. Das geht aus einer Standortumfrage hervor, die die Handelskammer für Bremen und Bremerhaven am Dienstag vorgestellt hat. Ebenfalls weit oben auf der zehn Punkte umfassenden Dringlichkeitsliste steht die Verbesserung des Straßennetzes. Eine gute verkehrliche Infrastruktur ist laut Umfrage maßgeblich für den Geschäftserfolg am Standort. Besonders die Unternehmen mit Sitz in der Überseestadt sehen einen großen Optimierungsbedarf.
„Die Überseestadt ist das größte Kernentwicklungsgebiet, das es in Bremen gibt“, sagt Matthias Fonger, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer. Es sei erstaunlich, dass es da nicht zu Veränderungen komme. „Da müssten bei den Politikern alle Alarmglocken schrillen.“ Nicht berücksichtigt wurde in der Umfrage – sie wurde zum Jahreswechsel erstellt – die Sanierung der Lesumbrücke auf der Autobahn 27.
Etwa 800 befragte Unternehmen
Zur Schulpolitik sagt Janina Marahrens-Hashagen, Präses der Handelskammer: „Der Bildungsqualität von der Kindertagesstätte bis zur Berufsausbildung müssen wir in Bremen eine hohe Priorität einräumen.“ Das sei gerade auch als Maßnahme gegen den Fachkräftemangel sehr wichtig. Bremen habe sehr gute öffentliche und private Universitäten und Hochschulen, „ein großer Vorteil bei der Gewinnung von hoch qualifizierten Fachkräften, den wir weiterhin stärken und nach außen kommunizieren müssen“. Im Hinblick auf die Bürgerschaftswahl bestehe die Chance, dass gerade diese Bereiche künftig finanziell entsprechend den Anforderungen ausgestattet würden.
Warum der Bereich Sicherheit und Ordnung so weit vorne gelandet ist, wird laut Kammer im Detail noch ausgewertet. „Das waren zu einem großen Teil auch offen gestellte Fragen“, sagt Fonger. Was sich aus vielen Antworten bereits ableiten lasse, sei die Kritik an einer hohen Diebstahlquote – in erster Linie im Einzelhandel – und unsauberen Stadtteilgebieten etwa rund um den Bahnhof.
Insgesamt erhält das Land Bremen als Wirtschaftsstandort von den befragten etwa 800 Unternehmen unterschiedlicher Größe die Schulnote 2,9. „Dieses Befriedigendkann man so oder so deuten“, beschreibt Fonger das Ergebnis. Die Stadt Bremen wird ebenfalls mit 2,9 bewertet. Besonders zufrieden erscheinen in der Umfrage die Unternehmen mit Sitz im Bremer Technologiepark. Auch Bremerhavener Unternehmen sind insgesamt etwas zufriedener und bewerten ihren Standort mit einer 2,7. In der Seestadt sind vor allem die Umfrageteilnehmer mit ihrem Standort im Fischereihafen zufrieden.
Auf das gesamte Bundesland bezogen würden 64 Prozent der befragten Unternehmen auch anderen Firmen empfehlen, sich hier niederzulassen. In Bremerhaven wären das 71 Prozent der Befragten, in Bremen indes nur 62 Prozent der Teilnehmer.
Die Bewertung als Wohnort fällt insgesamt deutlich besser aus. Fast 60 Prozent finden das Land Bremen diesbezüglich „gut“ oder „sehr gut“. Als „mangelhaft“ oder „ungenügend“ wird die Wohnqualität nur von 3,7 Prozent der Befragten beurteilt. Die Durchschnittsnote für Bremen als Wohnort liegt insgesamt bei der Schulnote 2,5.
Bremen und Bremerhaven als wachsende Städte
Die Handelskammer hat diese Art der Erhebung zum ersten Mal durchgeführt. „Vom Umfang her ist sie einmalig, so eine Umfrage dieser Größenordnung gibt es bei anderen Handelskammern noch nicht, aber wir werden das weiterempfehlen, weil man so ein breites Stimmungsbild erhält“, sagt Fonger. Man müsse die von den Unternehmen benannten dringlichen Handlungsfelder möglichst schnell anpacken und gleichzeitig „unser Potenzial als attraktiver Arbeits- und Wohnort klar in den Vordergrund stellen, um Bremen und Bremerhaven als wachsende Städte zu entwickeln“.
Die Handelskammer will aus der Standortumfrage in den nächsten Wochen konkrete Forderungen für die kommende Legislaturperiode erarbeiten und diese vor der Bürgerschaftswahl öffentlich vorstellen. „Aus den Bewertungen der Unternehmen wurden bereits Handlungsbedarfe für die bremische Politik abgeleitet, und diese werden in Kombination mit unserem Positionspapier, das wir zusammen mit dem Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut erarbeitet und im vergangenen Jahr vorgestellt haben, weiter konkretisiert“, erläutert Fonger.
Besonderer Handlungsbedarf gilt in der Umfrage dann als gegeben, wenn ein Standortfaktor als „wichtig“ und gleichzeitig als „unbefriedigend“ eingestuft wird. In diese Kategorie fällt auch die Breitbandversorgung, die laut Umfrage erhebliche Mängel aufweist. Die gehöre genauso zu den Grundrahmenbedingungen wie eine ausreichende Anzahl an Gewerbeflächen und eine vernünftige Infrastruktur, sagt Janina Marahrens-Hashagen. „Bei der Breitbandversorgung muss die Politik schnell tätig werden, damit der Standort Bremen im Bereich dieser für jedes Unternehmen wichtigen Infrastruktur nicht den Anschluss verliert.“
Unabhängig von dieser Umfrage wusste die Präses auch grundsätzlich etwas Positives zu berichten: „Bremen und Bremerhaven haben eine starke Wirtschaft.“ Allerdings zögen dunkle Wolken auf, wie der vierteljährlich erscheinende Konjunkturbericht erkennen lasse: Es werde ein Konjunkturabschwung erwartet, forciert durch die Brexit-Diskussion und die Handelskonflikte zwischen den USA und China sowie Europa.