Ob Bewerber, Betrieb oder Beratungsangebot – für alle war das Ausbildungsjahr 2020 eine Herausforderung. Als am Donnerstag Handelskammer, Handwerkskammer und Arbeitsagentur gemeinsam Bilanz zogen, war immer wieder Erleichterung zu vernehmen, dass die Einschnitte angesichts der Wirtschaftskrise und der Kontaktbeschränkungen nicht noch stärker ausgefallen waren.
Der Rückgang ist trotzdem spürbar. In Bremen haben die Unternehmen in diesem Jahr 13,6 Prozent weniger Ausbildungsplätze angeboten als im Vorjahr. Das entspricht mehr als 600 Stellen. Einen besonders harten Einbruch gab es bei Hotels und Gaststätten mit 40 Prozent weniger Lehrstellen. Insgesamt kamen auf rund 3860 Stellen knapp 3140 Bewerber. Unversorgt, also ohne Ausbildung oder eine Alternative, sind in der Stadt Bremen 380 Bewerber. Vor dieser Entwicklung warnte Ingo Schierenbeck, Hauptgeschäftsführer der Arbeitnehmerkammer Bremen: „Einen verlorenen Corona-Jahrgang können wir uns aber nicht leisten.“ Die junge Generation habe ein Recht auf gute Zukunftschancen.
In Bremerhaven gab es derweil zwar mehr Stellen als im Vorjahr. Hier kommen jedoch wie schon 2019 mehr Bewerber auf eine gemeldete Stelle: Das Verhältnis liegt bei 0,86 Stellen auf einen Ausbildungsplatzsuchenden. „Wir haben einen deutlich schwierigeren Ausbildungsmarkt als in der Stadt Bremen“, sagte Ossmann. Rund 1320 Bewerber standen 1140 Stellen gegenüber.
Wegen der Pandemie seien Unternehmen teils an den Rand ihrer Existenz geraten, ordnete Michael Zeimet, Geschäftsführer und Leiter für Aus- und Weiterbildung bei der Handelskammer Bremen, die Lage ein. Man verzeichne 11,3 Prozent weniger Vertragsabschlüsse. Dieses Minus sei aber noch weniger stark ausgefallen als zeitweise befürchtet. Es habe zudem weniger Auflösungen von Ausbildungsverhältnissen gegeben. Die Vermittlungsarbeit zwischen Bewerbern und Betrieben soll weitergehen. „Wir lassen nichts unversucht“, betonte Ossmann. Erneut appellierte der Chef der Arbeitsagentur an die bisher unversorgten Jugendlichen, sich für die Ausbildungsplatzsuche zu melden. Damals sei die Sorge groß gewesen, dass die Jugendlichen sich nicht um die Bewerbung kümmern, weil die Aussichten düster ausfielen und die Wirtschaft zeitweise erstarrt war. Doch das sei nicht passiert, die Zahl der Bewerber stieg gar leicht an.
Keine Messen, Praktika und Beratungsgespräche
Die Agentur habe, als Treffen nicht möglich waren, viele junge Menschen über elektronische Angebote erreicht. Da sei es ein Glück gewesen, dass das Smartphone und Internet sowieso die Welt der Jugendlichen sei. Ausbildungsmessen jedoch mussten ausfallen, Beratungsgespräche in der Schule entfielen. Und auch „wertvolle Praktika“, wie Ossmann ausführte, seien nicht möglich gewesen. Ein Praktikum sei sonst eine gute Gelegenheit, damit Jugendliche und Betrieb sich kennenlernen.
Die Entwicklung bei den Ausbildungsplätzen sei aufgrund der Unsicherheit nicht überraschend, sagte Ossmann. 2020 sei für die Wirtschaft das schwierigste Jahr seit dem Zweiten Weltkrieg. Und doch trifft es nicht alle gleich: Das Handwerk sei mit einem „blauen Auge“ durch die Krise gekommen, fasste Andreas Meyer die Situation zusammen. „Das spiegelt sich meines Erachtens auch auf dem Ausbildungsmarkt wider“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Bremer Handwerkskammer. Die Betriebe hätten vor allem das Problem, geeignete Bewerber zu finden.
Und wo landen die Bewerber des Agenturbezirks? Eine Übersicht zeigt, dass es bei 40 Prozent von ihnen mit einer Ausbildung klappte. Schule, Praktikum oder Studium nahmen weitere zwölf Prozent auf, eine Arbeit acht Prozent, unversorgt sind elf Prozent. Öfter ist zudem der Verbleib ungeklärt: Das trifft auf jeden vierten Bewerber zu.
Ingo Schierenbeck hält den Einbruch auf dem Ausbildungsmarkt noch vor einem weiteren Hintergrund bedenklich: „Die Wirtschaft braucht demnächst so dringend Fachkräfte wie nie zuvor.“ In den nächsten zehn Jahren gingen schließlich die sogenannten Babyboomer in Rente.