Bei der Norddeutschen Landesbank (NordLB) gibt es neue Probleme wegen der milliardenschweren Schiffskredite. Die interne Revision des Instituts hat offenbar zahlreiche Ungereimtheiten im Schiffsgeschäft festgestellt. Wie der Norddeutsche Rundfunk und die „Süddeutsche Zeitung“ meldeten, haben Revisionsberichte aus den Jahren 2016 bis 2018 zahlreiche Versäumnisse von Mitarbeitern der Bank offengelegt.
In den Berichten sollen die hauseigenen Prüfer unter anderem beurteilt haben, wie stark als riskant eingestufte Kreditnehmer aus der Schifffahrtsbranche von der NordLB überwacht werden. Gegenstand der internen Untersuchung war demnach außerdem, ob die Landesbank ausreichend für eine mögliche Krise gewappnet ist. Laut „SZ“ und NDR wurden Leistungen der Bank in insgesamt acht Berichten nur mit den Noten „ausreichend“ oder „mangelhaft“ bewertet, in zahlreichen Geschäftsfeldern „hohe Gesamtbankrisiken“ festgestellt. Zudem sollen Mitarbeiter gegen Vorgaben des eigenen Hauses oder der Bankenaufsicht verstoßen haben.
Das gesamte Schiffskreditportfolio der NordLB belief sich im ersten Quartal dieses Jahres noch auf 11,6 Milliarden Euro. Bei Krediten in Höhe von knapp acht Milliarden Euro sollen die Schuldner in Verzug bei der Zahlung der Tilgungsraten sein. Ein Teil geht zurück auf riskante Geschäfte, die die frühere Bremer Landesbank (BLB) einging. Das Institut ist inzwischen komplett in der NordLB aufgegangen. Längst prangt auch der NordLB-Schriftzug am Eingang der früheren BLB-Zentrale am Domshof.
Note „mangelhaft“
Nach Informationen von NDR und „SZ“ haben sich die NordLB-Prüfer das Schiffsgeschäft besonders intensiv angeschaut. Für 2017 und 2018 geben die Kontrolleure offenbar die Note „mangelhaft“. Aus den Revisionsberichten soll hervorgehen, dass die Prüfer in neun von 20 Fällen keine fristgerechte oder ordnungsgemäße Überwachung der bestehenden Kredite erkennen konnten. Jahresabschlussberichte seien bei „12 von 20 relevanten Kreditnehmern“ nicht genügend ausgewertet worden. Zudem sei in mehreren Fällen eine „Gesundung“ der Kreditnehmer festgehalten worden, obwohl dies nach den Regeln der Bank nicht hätte geschehen dürfen.
Insgesamt hätten die Prüfer eine „weiterhin bestehende extrem schwache Datenqualität“ bei einigen Kredit-Dokumentationen kritisiert, so NDR und „SZ“. Von der Landesbank finanzierte Schiffe seien „nicht oder nicht in der erforderlichen Zeitnähe“ besichtigt worden. Bereits bei einer Untersuchung der Europäischen Zentralbank (EZB) im Jahr 2016 waren Mängel bei der NordLB aufgefallen.
Ein NordLB-Sprecher sagte, dass die interne Revision der Bank angewiesen sei, „besonders intensiv, umfassend und streng zu prüfen, um die internen Prozesse in allen Bereichen der Bank zu optimieren und sicher zu gestalten“. „Logische Konsequenz“ dieser Vorgabe sei, dass bei der Untersuchung kritische Befunde zutage gefördert würden. Die beanstandeten Mängel seien entweder bereits erledigt oder dies sei derzeit in Arbeit. Niedersachsens Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) ist Chef des NordLB-Aufsichtsrats. Er sagte dem NDR, dass er die Berichte nicht im Detail kenne. Sie zeigten aber, dass die Revision der NordLB offenbar gut funktioniere. „Ich habe keinen Grund daran zu zweifeln, dass die Prozesse, die dort ablaufen ordentlich ablaufen.“
Bis zum Jahresende will der NordLB-Chef Thomas Bürkle die Summe der faulen Schiffskredite auf unter fünf Milliarden Euro drücken. Plan ist, dass mögliche neue Investoren einen großen Teil des Kreditportfolios übernehmen sollen. Wie das „Handelsblatt“ Anfang August berichtete, geht es wohl um notleidende Kredite in Höhe von zwei Milliarden Euro. Das Institut ist derzeit auf der Suche nach neuen Geldgebern. Als Berater ist hierbei die britische Barclays Bank verpflichtet. Der Plan sieht allerdings vor, dass das Land Niedersachsen auch künftig die Mehrheit an der NordLB hält.
Offenbar Gespräche mit Chinesen
Im Herbst muss die NordLB den Stresstest der EU-Bankenaufsicht bestehen. Problematisch könnte dabei der geringe Anteil an Eigenkapital werden. Der liegt bei gut zwölf Prozent. Nach Angaben des Politikjournals „Rundblick“ ist eine Kapitalstärkung zwischen drei und 3,5 Milliarden Euro notwendig, damit die Bank für die Zukunft gerüstet ist. Zwar kehrte die NordLB 2017 in die Gewinnzone zurück, nachdem sie 2016 noch einen Verlust von knapp zwei Milliarden Euro gemacht hatte – so fiel im vergangenen Jahr ein Gewinn in Höhe von 135 Millionen Euro an – allerdings braucht die Landesbank frisches Kapital, um Kreditausfälle stemmen und wettbewerbsfähig bleiben zu können.
Derzeit laufen offenbar bereits Gespräche mit Investoren. Dabei soll es sich um zwei chinesische Banken handeln: die Industrial and Commercial Bank of China (ICBC) und die Bank of China. Mit Blick auf mögliche neue Geldgeber dürfte der NordLB daran gelegen sein, das Institut als frei von Altlasten zu präsentieren. Inwiefern innerhalb dieses Prozesses die Unregelmäßigkeiten aufgetaucht sind, blieb unklar. Dass die Investoren mit ins Boot geholt werden sollen, hängt aber mit den faulen Schiffskrediten zusammen.
Haupteigner der NordLB ist das Land Niedersachsen – neben Sachsen-Anhalt, dem Sparkassenverband Niedersachsen, dem Sparkassenbeteiligungsverband Sachsen-Anhalt und dem Sparkassenbeteiligungszweckverband Mecklenburg-Vorpommern.
Die ebenfalls stark mit faulen Schiffskrediten belastete HSH Nordbank ist inzwischen verkauft. Die bisherigen Besitzer, die Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein, haben die marode Landesbank im Februar an die US-Investoren Cerberus und J.C. Flowers abgegeben – für eine Milliarde Euro. Im Gegenzug überweisen Hamburg und Schleswig-Holstein den neuen Besitzern für die Altlasten knapp sechs Milliarden Euro. Dem müssen allerdings noch die EU-Kommission, die Finanzaufsicht BaFin und die EZB zustimmen. Der Verkauf der HSH Nordbank dürfte Niedersachsen dazu animiert haben, ebenfalls private Investoren ins Boot zu holen.
Faulen Schiffskredite auch bei HSH Nordbank
Ausgerechnet das Geschäft, das auch die HSH Nordbank in Schieflage brachte, soll dem Geldinstitut nun neue Erfolge bescheren. Derzeit erwägt das Institut, Schiffskredite von anderen Banken zu kaufen. Dafür stehen bis 2022 etwa 700 Millionen Euro zur Verfügung. Dabei geht es um Schiffsportfolios, die andere Banken schnell loswerden wollen. Die HSH Nordbank war früher der größte Schiffsfinanzierer der Welt; in der Finanz- und Schiffskrise geriet sie in den Abwärtsstrudel. 2009 hatten Hamburg und Schleswig-Holstein die Bank mit einer Garantie von zehn Milliarden Euro und einer Kapitalerhöhung von drei Milliarden Euro vor dem Aus retten müssen. Der Verkauf kam auf Druck der EU zustande.
Die Grünen im niedersächsischen Landtag dringen nun darauf, dass der ganze NordLB-Fall aufgeklärt wird. Aus der Fraktion hieß es, man erwarte jetzt Antworten auf Fragen zu den Revisionsberichten.