Die beiden Anbieter und die Stadt werten das erste Jahr mit E-Rollern in Bremen als Erfolg. „Wir sind sehr zufrieden mit unserem Start in Bremen“, sagt Claus Unterkircher von Voi, einem der beiden Verleiher, „wir würden unsere Flotte deshalb von 500 E-Scootern gern auf 750 erhöhen.“ Da Stadt belässt es vorerst aber bei einer Obergrenze von 500 Fahrzeugen pro Anbieter und will die Entwicklung erst einmal weiter beobachten.
Grundsätzlich fällt aber auch das Fazit des Verkehrsressorts positiv aus. „Die Zusammenarbeit mit den Anbietern läuft sehr gut“, sagt Jens Tittmann, Sprecher der Behörde, „und auch unser Weg hat sich bewährt.“ Damit meint Tittmann die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis. In dem achtseitigen Dokument sind klare Regeln formuliert, an die sich die Verleiher zu halten haben. Sie sind deutlich strenger als in anderen Städten wie etwa Berlin. Dazu gehören in Bremen neben der Begrenzung der Rollerzahl auch Verbotszonen zum Abstellen und Befahren. Darüber hinaus ist die Lizenz befristet und kann bei Verstößen widerrufen werden. Dazu gab es bisher aus Sicht der Stadt aber keinen Anlass.
Allerdings haben die E-Roller im Stadtbild und in einigen Statistiken durchaus Spuren hinterlassen. Die Polizei hat in den ersten sechs Monaten dieses Jahres 13 Verkehrsunfälle mit E-Scootern registriert. Sie werden seit Jahresbeginn gesondert erfasst. Neun der 13 Unfälle wurden von den Nutzern der Roller verursacht, davon wiederum waren fünf sogenannte Alleinunfälle, bei denen es zu keiner Schädigung eines anderen Verkehrsteilnehmers kam. Bei jedem dritten Unfall war Alkohol im Spiel.
Das Ordnungsamt hat im selben Zeitraum 16 Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung durch E-Scooter festgestellt. Eine Abfrage der Gesundheit Nord in ihren Notaufnahmen hat ergeben, dass „selten verunfallte E-Scooter-Fahrer behandelt werden müssen“, wie eine Krankenhaussprecherin mitteilt, „es gibt auch keine steigende Tendenz.“
Ein Grund dafür, dass die Zahl der Unfälle überschaubar erscheint, liegt laut Polizei darin, dass die Verleiher während der ersten Phase der Corona-Pandemie die Anzahl ihrer Roller deutlich reduziert beziehungsweise im Falle von Voi sogar komplett heruntergefahren hatten. Inzwischen läuft der Betrieb wieder auf Hochtouren. „Deshalb ist mit einem Anstieg der Verkehrsunfallzahlen mit E-Scootern zu rechnen“, so die Polizei.
Voi und Tier, der zweite Anbieter, setzen nach eigenen Angaben mit Trainingsprogrammen, leicht verständlichen Erklärbildern und deutlichen Hinweisen auf die Benutzungsregeln darauf, dass die Kunden sich korrekt verhalten.
Als kalkulierbar wird von allen Beteiligten das Problem mit Vandalismus eingeschätzt. Zwar kommt es vor, dass Roller, die morgens noch in Reih und Glied aufgestellt sind, wenige Stunden später am Boden liegen, weil jemand gegen den ersten Roller getreten hat und die weiteren Fahrzeuge wie beim Domino umgefallen sind. Auch im Wassergraben in den Wallanlagen sind E-Roller gelandet. „Insgesamt sind die Bremer im europaweiten Vergleich aber besonders umsichtig, was den Umgang mit den Rollern angeht“, sagt Unterkircher, Generalmanager von Voi für Deutschland, Österreich und die Schweiz.
Bleibt das Problem mit wild abgestellten E-Scootern. Sie sind für viele Bremer ein Ärgernis. Tatsächlich können sie vor allem für blinde und gehbehinderte Menschen ein gefährliches Hindernis darstellen. Erst kürzlich berichtete der WESER-KURIER von einem blinden Mann, der sich beim Sturz über zwei Roller den Oberschenkelhals gebrochen hatte. „Um zu garantieren, dass die E-Scooter für niemanden zum Hindernis werden, haben wir mit der Stadt Bremen eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen“, sagt Unterkircher. Demnach meldet das Ordnungsamt unsachgemäß abgestellte Scooter der Firma, die sie binnen 24 Stunden umparkt. „Wir bitten daher alle Bürger, falsch geparkte Roller sofort zu melden, damit wir unverzüglich reagieren können“, so Unterkircher.
Unterm Strich sind die Anbieter mit der Akzeptanz ihres Angebotes sehr zufrieden. „In keiner anderen Stadt werden die E-Scooter so gleichmäßig ausgeliehen wie in Bremen“, sagt Unterkircher. Konkurrent Tier spricht davon, innerhalb kürzester Zeit einen „großen Kundenstamm“ aufgebaut zu haben. Deshalb sei eine Ausweitung des Geschäftsgebiets in Bremen oder eine Vergrößerung der Flotte „absolut vorstellbar“, teilt Tier mit. Auch außerhalb der Innenstadt würde auch Voi gern expandieren. „Unter unseren Nutzern sind viele Pendler, die die Roller für die erste und letzte Meile zu Bus oder Bahn verwenden“, sagt Unterkircher.
Zu einer Verkehrswende leisteten E-Scooter laut Behördensprecher Tittmann zwar keinen bedeutenden Beitrag. „Allerdings sorgen sie für eine Attraktivitätssteigerung der Stadt vor allem bei jungen Menschen.“