In den vergangenen drei Tagen ist an Schlaf kaum zu denken gewesen, berichtet die Frau aus Nigeria, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Trotz drei Pullover, dicker Jacke, Schal und Mütze habe sie gefroren. Jede Decke, die sie finden konnte, habe sie über ihre zweijährige Tochter gelegt. Zusammen mit knapp 700 Menschen war die Frau zuletzt in der Zeltstadt für Flüchtlinge in der Überseestadt untergebracht. Doch weil die eisigen Temperaturen dort für Frostschäden an Teilen der Wasserleitung und vermehrten Heizungsausfällen sorgten, musste die Notunterkunft am Donnerstag zu großen Teilen geräumt werden.
Nach Angaben der Bremer Sozialbehörde kann derzeit nur noch eins von vier Großzelten ohne Probleme beheizt werden. Bis zu 400 Personen wurden deshalb mit Bussen in die Messehalle 4 auf der Bürgerweide gefahren. Dort sollen sie übergangsweise untergebracht werden, es gibt Platz für rund 630 Menschen. Dass es dringenden Handlungsbedarf gab, dessen scheint sich auch Bremens Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) bewusst zu sein: "Die Unterbringungssituation in den Zelten hat sich mit diesen Temperaturen deutlich zugespitzt", sagte sie. "Für viele Menschen ist das kaum auszuhalten."
Etwa 150 Flüchtlinge haben den Umzug zur Bürgerweide laut Sozialbehörde dennoch abgelehnt und wollen freiwillig in der Überseestadt bleiben. Ihnen stehe in den kommenden Tagen ein Transfer in andere Bundesländer bevor, sie seien bis dahin in dem Zelt untergebracht, das verlässlich beheizt werden könne. Auch die Wasserversorgung sei inzwischen wiederhergestellt.
Messehalle bietet wenig Privatsphäre
Das Deutsche Rote Kreuz (DRK), das auch die Zeltunterkunft in der Überseestadt betreibt, hatte die Halle 4 im Auftrag der Sozialbehörde bereits am vergangenen Wochenende vorsorglich als Notunterkunft hergerichtet, in erster Linie für unvorhersehbar hohe Zugänge über den bevorstehenden Jahreswechsel. Dort kommt die Ausstattung zum Einsatz, die man bereits während der Unterbringung von Geflüchteten in der Halle 7 genutzt habe.
Wie lange genau die Geflüchteten aus der Überseestadt dortbleiben, hänge unter anderem von der Entwicklung des Wetters ab. "Wir hoffen in den nächsten Tagen, alle Reparaturen an den Heizungsanlagen fertiggestellt zu haben", sagte DRK-Bereichsleiter Jörg Rolfs. Die Messehalle 4 steht zur Unterbringung noch bis Mitte Januar zur Verfügung, dann sollen dort wieder Veranstaltungen stattfinden.
Insgesamt haben in den Großzelten laut Sozialbehörde zuletzt rund 700 Personen gelebt - darunter 50 Nationen. Ein Teil davon ist bereits in andere Unterkünfte umgezogen. Bei den Flüchtlingen herrschte am Donnerstag Erleichterung über den kurzfristigen Ortswechsel ins Warme. "Wir haben zuletzt nur noch gezittert und Probleme mit dem Wasser gab es eben auch", sagte eine Frau aus der Ukraine.
Viel Privatsphäre haben die Menschen in der neuen Notunterkunft jedoch nicht. Die Halle ist mit doppelstöckigen Feldbetten ausgestattet. Eigene Zimmer oder Kabinen konnten in der Kürze der Zeit nicht aufgestellt werden, es gibt Abtrennungen zwischen den Bereichen für Familien, Frauen und allein angekommene Männer. Etwa 80 bis 90 Menschen werden pro Abschnitt untergebracht.
CDU kritisiert: Flüchtlingsunterbringung zu fragil
Die CDU-Fraktion kritisierte die aktuelle Flüchtlingsunterbringung in Bremen scharf. "Das Aufnahmesystem für Flüchtlinge ist den Herausforderungen im Winter derzeit nicht gewachsen und muss vom Senat zum Wohl der Menschen dringend verbessert werden", sagte Sigrid Grönert, migrationspolitische Sprecherin der Christdemokraten. Der notgedrungene Umzug in die Messehalle 4 zeige, wie fragil das Unterbringungssystem für Flüchtlinge in Bremen immer noch ist. "Auf keinen Fall darf die Halle zur wochenlangen Notunterkunft über Weihnachten auf Feldbetten werden", so Grönert weiter. "Gerade mit Blick auf die Fluchtbewegung seit Beginn des Ukraine-Krieges wäre es besser gewesen, von vornherein nur winterfeste Unterbringungen in der Überseestadt aufzustellen."
Die Großzelte sollten zum jetzigen Zeitpunkt eigentlich schon nicht mehr bewohnt sein und nur noch als Notreserve vorgehalten werden. Der Umzug in die deutlich besser gedämmten Leichtbauhallen – ebenfalls in der Überseestadt – hat sich allerdings verzögert. Schuld daran sind laut Behörde Lieferschwierigkeiten für einzelne Bauteile. Die erste von drei Hallen mit 400 Betten könne in der kommenden Woche bezogen werden, die beiden anderen voraussichtlich Mitte und Ende Januar.
Angesichts der höchsten Zuwanderung seit 2015 ist Bremens Nothilfesystem derzeit stark belastet. "Trotz eines sehr engagierten Ausbaus im Unterbringungssystem gehen uns die Alternativen allmählich aus", sagte Stahmann. Laut Angaben des Sozialressorts kommen im Monatsdurchschnitt rund 1200 Flüchtlinge in Bremen an, im gesamten Jahr waren es bis Ende November 12.538 Menschen. Nicht alle bleiben hier: Nach Verteilung auf Grundlage des Königsteiner Schlüssels leben noch etwa 4200 von ihnen in den Gemeinschaftsunterkünften des Landes und der Stadt Bremen.