Herr Seidel, war 2024 für Weyhe das erste Jahr ohne Krise, seit Sie dort Bürgermeister sind?
Frank Seidel: Ja und nein. Die Corona-Pandemie mit allen Einschränkungen war mit nichts zu vergleichen. Die Situation mit der Ukraine und ihren Folgen waren auch etwas ganz anderes. Wir sind weit davon entfernt zu sagen, dass 2024 alles normal gewesen wäre. Aber es gab andere Herausforderungen.
Zum Beispiel?
Projekte umzusetzen und Personal zu finden. Das ist nicht nur bei uns ein Problem, sondern auch bei Partnern wie ausführenden Firmen, Fördermittelgebern oder Planungsbüros. Man merkt, dass dort einiges fehlt.
Mängel haben in Weyhe sechs von sieben Feuerwehrhäusern. In Lahausen ist der Neubau beschlossen. Wie geht es weiter?
Das Ergebnis aus dem Feuerwehrbedarfsplan hat uns nicht überrascht, das gilt damals wie heute. Dass die Projekte anstehen, war bekannt. Der Feuerwehrbedarfsplan sieht aber noch mehr vor, da geht es um Fahrzeuge oder Organisatorisches. Auch die Gerätehäuser waren Thema, Lahausen war durch seine Sondersituation mit der Kita und der Grundschule in der Prioritätenliste ganz weit vorne. Deswegen haben wir schon vor längerer Zeit ein Grundstück gekauft und sind froh, dass wir den Projektierungsbeschluss haben, um weiter planen zu können.
Wann steht das neue Gerätehaus?
Wir sind gerade dabei, den Bauantrag zu stellen. Wenn er beschieden ist, schreiben wir die Bauleistungen aus und dann soll es auch zügig losgehen.
Wie wichtig eine gute Feuerwehr ist, zeigt sich bei Katastrophen wie etwa dem Hochwasser um den Jahreswechsel 2023/2024. Wie steht es um den gemeindlichen Hochwasserschutz?
Gut, und das war eine der Lehren aus dem Hochwasser. Wir haben immer mit wachsamen Augen auf die Pegelstände geguckt, gerade an der Weser. Wir waren jeden Tag mehrfach vor Ort und haben mehrere Dinge mitgenommen: Die Deiche halten sehr gut. Wir haben ein super Zusammenspiel von Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen und ein gutes Krisenmanagement. Das Hochwasser trat nicht nur an der Weser, sondern auch an kleineren und stehenden Gewässern auf. An dieser Stelle möchte ich den hauptamtlichen und ehrenamtlichen Kräften noch einmal danken. Und andererseits auch noch einmal an die Menschen erinnern, die enorme Probleme mit vollgelaufenen Kellern hatten. Das war für viele eine wirklich belastende Situation.
Kleinere Gewässer laufen bei Starkregen schnell über. Hat die Gemeinde das auf dem Zettel?
Ja. Auch die kleineren Gewässer haben wir angesehen. Es zeigt sich, dass es wichtig ist, dort rechtzeitig in Maßnahmen zu investieren. Die Hache hat zwischen Freibad und dem ehemaligen Sudweyher Gut ein neues Bett bekommen, damit sie sich auch ausbreiten kann. Das hat sich bewährt.
Besagtes Freibad wird 2025 50 Jahre alt und bekommt neue Duschen. Werden sie rechtzeitig fertig?
Ja, sicher. Daran wird schon gearbeitet. 50 Jahre Freibad Weyhe werden wir gebührend feiern wie 50 Jahre Gemeinde Weyhe letztes Jahr.
War das Gemeindejubiläum ihr Highlight 2024?
Ja, da war viel los, angefangen mit dem Tag des offenen Rathauses. Ich fand es überragend, wie viele Leute sich dafür interessiert haben. Aber auch die offizielle Feier und die Feier auf dem Marktplatz. Generell hatten wir viele Kulturveranstaltungen, aber auch von vielen Organisationen, Vereinen, Verbänden. Das trägt eine Gemeinde. Viele Leute haben immer wieder gesagt: Hier ist Party. Dann haben uns die Letten besucht, das war eine tolle Zeit. Aber auch der Austausch in Coulaines ist in bleibender Erinnerung, weil wir über den 8. Mai, den Tag der Befreiung, da waren, der in Frankreich groß gefeiert wird. Ich durfte auch ein paar Worte sprechen, das war sehr bewegend.
Wenn eine Gemeinde 50 Jahre alt wird, wird viel zurückgeblickt. Wagen Sie doch bitte einen Blick in die Glaskugel: Wie sieht Weyhe in 50 Jahren aus?
50 Jahre sind eine lange Zeit. Das kann ich echt nicht wirklich sagen. Ich hoffe, dass es gut ist, und es interessiert mich auch. Ich habe auch Visionen, aber ich denke derzeit mehr eher von Jahr zu Jahr. Mir fallen da aber auch gleich die Bilder der Kinder aus dem Malwettbewerb zu 50 Jahren ein. Da waren spannende Sachen dabei.
Nicht 50, sondern zehn Jahre in der Zukunft liegt das Ziel der Klimaneutralität. Ist das realistisch?
Es ist auf jeden Fall ein ambitioniertes Ziel. Wir als Gemeinde tun eine Menge dafür und wollen Vorbild sein. Wir haben die Fotovoltaikanlage auf dem Rathaus installiert, damit begonnen, die Fenster des Rathauses zu erneuern und setzen die PV-Offensive um. Wir ertüchtigen andere Gebäude. Bei der Grundschule Lahausen erneuern wir die Heizungstechnik. Wir probieren es dort mit kalter Nahwärme, einem ganz anderen Heizungssystem, das klimafreundlicher ist. Die Gemeinde kann eine Menge machen, wahr ist aber auch, dass alle mitmachen müssen, auch Privatpersonen und Firmen. Auch die kommunale Wärmeplanung ist ein Bestandteil, da sind wir sogar weiter, als wir eigentlich sein müssten. Das war seinerzeit eine bewusste Entscheidung im Rat.
Die Pflicht zur Wärmeplanung hat der Bund Kommunen auferlegt.
Jetzt ja, zum Zeitpunkt unseres Beschlusses war das freiwillig. Wir gehören zu den ersten, die das gemacht haben. Das ist vielen im Ergebnis vielleicht nicht so wichtig, zeigt aber den Spirit, den wir im Rathaus und im Rat haben.
Helfen soll in Sachen Klimaschutz auch die Mobilitätswende. Über die Linie 8 wird nicht mehr nur geredet, es wird nun auch gebaut.
Es hat Jahrzehnte gedauert, bis wir dahin gekommen sind. Ich bin froh, dass das im wahrsten Sinne des Wortes aufgegleist ist. Wir haben eine extrem hohe Förderung, damit man das auch finanziell beherrschen kann. Bei den Betriebskosten bin ich froh, dass wir gemeinsam mit Stuhr, mit Bremen, Niedersachsen, dem Landkreis und dem ZVBN gute Ergebnisse erzielt haben, die das durch eine gute Förderkulisse händelbar machen.
Bleibt es beim Kostenrahmen für das Gesamtprojekt zwischen 80 und 90 Millionen Euro?
Das wird das Ausschreibungsergebnis am Ende zeigen. Kostensteigerungen sind in der heutigen Zeit bei derartigen Großprojekten leider nicht unüblich.
Wann fährt die erste Bahn von Leeste zur Kulenkampffallee in Bremen?
Auch das hängt an den Ergebnissen der Ausschreibungen. Wir sind da immer von Dritten abhängig. Ich rechne derzeit mit 2027. Viel wichtiger finde ich, dass wir in den Bau eingestiegen sind. Wir sollten nicht nur zwischen Bremen und Weyhe denken, sondern die Linie 8 auch als Ost-West-Verbindung zwischen Weyhe und Stuhr sehen. Und wir sollten dann noch eine Ost-West-Verbindung in Weyhe bekommen, über die Hagener Straße hinaus. Es muss direkt weitergehen und das Ziel und Vermächtnis der nächsten Räte sein, dass wir mit der Linie 8 auch den Kirchweyher Bahnhof, Kirchweyhe und Sudweyhe anbinden.
Erst einmal stoppt die Straßenbahn in Leeste, in dessen Ortskern sich einiges tut. Wann ist der Henry-Wetjen-Platz fertig?
Da haben wir die zeitliche Schiene gerissen. Sonst haben wir bis jetzt mit den zeitlichen Prognosen gut gelegen. Beim Henry-Wetjen-Platz war das anders. Wir haben erst bewusst eine Schleife mit der Sanierung der Alten Wache und dem Bau der Kulturscheune gedreht. Es wäre töricht, den Baustellenverkehr über einen neuen Platz zu führen. Außerdem mussten wir umplanen, Stichwort: Schwammstadt (Anm. d. Red.: Gemeint ist die Anwendung des stadtplanerischen Konzeptes, bei dem Regenwasser nicht einfach über die Kanalisation in Kläranlagen abgeleitet, sondern zwischengespeichert wird beziehungsweise vor Ort versickert). Das hat viel Zeit gekostet. 2025 soll es losgehen und ich bin zuversichtlich, dass der Bau auch 2025 abgeschlossen wird.
Von Leeste nach Kirchweyhe: Wann steht das Inklusionshotel?
Auch da haben sich die Rahmenbedingungen geändert. Die Gespräche sind jedoch weit gediehen.
Das heißt, es wird teurer?
In der Bauwirtschaft wurde es insgesamt teurer, auch weil die Zinsen und Baukosten gestiegen sind. Alle, die privat oder gewerblich bauen, merken das. Die Bautätigkeit insgesamt ist weniger geworden.
Und damit zurück nach Leeste: Haben Sie deshalb Sorgen um die Vermarktung des Baufelds an der Angelser Straße?
Nein, noch nicht.
Was soll der Quadratmeter Bauland dort kosten?
Das wird festgestellt, wenn es so weit ist, und ist dann auch eine politische Entscheidung. Wir werden die Preise entsprechend veröffentlichen und die Grundstücke wieder über ein Punktesystem vergeben. Maßgeblich beim Preis ist letztlich insbesondere der aktuelle Bodenrichtwert.
Bleibt der Bau der Kita Angelse im Zeitplan?
Bis zum 18. Dezember waren wir im Zeitplan. Durch den Brand muss man jetzt die Folgen ansehen. Wir hoffen, dass das einigermaßen im Plan bleibt. Glücklicherweise hat unsere Feuerwehr großartig gearbeitet und Schlimmeres verhindert. Dafür bin ich sehr dankbar. Zum neuen Kitajahr sind jedenfalls auch die Einstellungen geplant.
Die Schließung des Klinikums Links der Weser in Bremen rückt näher. Droht eine medizinische Versorgungslücke in Weyhe?
Seit bekannt wurde, dass das LdW geschlossen werden soll, haben wir uns dafür stark gemacht, dass es erhalten bleibt. In Weyhe haben wir eine hervorragende Gesundheitsversorgung, nicht nur, was Allgemeinärzte, sondern auch was Fachärzte angeht. Wir sind aber auch im Austausch mit der kassenärztlichen Vereinigung, damit die Versorgung auch bestehen bleibt.
Was wünschen Sie sich für das Jahr 2025?
Global wünsche ich mir mehr Frieden, Empathie und Gemeinsinn, für Weyhe natürlich auch. Wir investieren 15 Millionen Euro in Projekte, das ist eine Menge Arbeit. Ich hoffe, dass viel davon umgesetzt wird. Für alle Weyherinnen und Weyher wünsche ich mir, dass sie Ende 2025 sagen: 2025 war ein richtig geniales Jahr.
Das Interview führte Wolfgang Sembritzki.