Verden/Weyhe-Dreye. Ein Experte für Verkehrsunfallrekonstruktion hat sich eingehend mit dem Fall beschäftigt, der sich am 16. April dieses Jahres in Weyhe zugetragen hat und seit Ende September vor dem Landgericht Verden verhandelt wird. Einem 55-jährigen Mann wird versuchter Totschlag vorgeworfen. Er soll mit einem Auto gezielt auf seine Tochter und deren Freund zugesteuert sein – in der Absicht, beide zu überfahren. Laut Anklage wurde die 16-Jährige auf der Dreyer Straße von dem Fahrzeug erfasst und erlitt „potenziell lebensgefährliche“ Verletzungen. Der Sachverständige hat eine Kollision des Wagens „mit einer Person“ allerdings „nicht positiv feststellen“ können.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Angeklagte nach vorangegangenen Streitereien vorsätzlich einen Unglücksfall herbeiführen wollte. Er habe dabei auch erkannt, dass die Jugendlichen an den Folgen versterben könnten. Das Gericht hatte zum Prozessauftakt zudem im Rahmen eines rechtlichen Hinweises auch von „hinreichend konkreten Anhaltspunkten“ für versuchten heimtückischen Mord gesprochen. Der Angeklagte bestreitet die Vorwürfe. Er habe nicht einmal in Verletzungsabsicht gehandelt, sondern beide nur aufhalten und den Familienfrieden herstellen wollen. Aufgrund seiner Alkoholisierung habe er wohl die Pedale verwechselt und die Kontrolle über die Geschwindigkeit und schließlich auch das Fahrzeug verloren.
Die Polizei hatte damals mitgeteilt, die 16-Jährige und ihr ein Jahr älterer Begleiter hätten sich „durch einen Sprung hinter ein Baum retten können“, bei dem „Sprung zur Seite“ sei das Mädchen schwer verletzt worden. Der Sachverständige Bernhard Rodeck aus Wathlingen hat auf jeden Fall festgestellt, dass der vom Angeklagten gesteuerte Wagen „in Folge einer bewusst herbeigeführten Lenkbewegung nach rechts rechtsseitig von der Fahrbahn abgekommen“ ist. Das Auto sei gegen eine kleine Betonsteinmauer vor einem Grundstück geprallt, habe sich überschlagen und sei auf dem Dach liegen geblieben. Besagten Baum habe der Wagen demnach nicht berührt. Nach diversen Tests sei er auch zu dem Ergebnis gekommen, dass es eine mögliche Kollision mit einer Person wohl nicht gegeben habe. Spuren und Beschädigungen deuteten darauf hin, dass das Auto zunächst ein Tempo von 45 bis 55 Stundenkilometern hatte, zuletzt bis etwa 40.
Zeuge hört "hartes Wortgefecht"
Ein am fünften Verhandlungstag ebenfalls vernommener Zeuge hat zwar „das eigentliche Unfallgeschehen nicht gesehen“. Er konnte aber über einige Beobachtungen davor und danach berichten. Der 65-jährige Rentner war an jenem Nachmittag mit Frau und Enkelkindern „auf dem Weg zur Weser“. Zufällig sei man an dem Haus vorbeigekommen, in dem, wie sich später erweisen sollte, der Angeklagte mit Angehörigen wohnte; es soll etwa 250 Meter vom Unfallort entfernt sein. Aus dem Garten, in dem sich zehn bis 15 Menschen aufgehalten hätten, sei ein lauter Streit zu hören gewesen: „Schreierei, ein hartes Wortgefecht“. Worum es ging, habe er nicht verstanden, so der Zeuge.
Zwei Jugendliche seien dann vom Grundstück gekommen und auf dem Fußweg weggegangen. Derweil sei der Angeklagte in den „in falscher Fahrtrichtung“ stehenden Wagen gestiegen, habe gedreht („Der Motor heulte auf“) und sei „beiden hinterhergefahren“. Den weiteren Verlauf konnte der Zeuge nicht schildern, weil er sich seiner Familie zugewandt hatte. An der Unfallstelle habe er die jungen Leute „hinter dem Baum“ erblickt. Er habe die Tür des auf dem Dach liegenden Autos aufgerissen, den Mann herausgeholt und den Notruf verständigt.