Die Weyher traten am Sonntag für die Landrats- und Europawahl an die Urne, dürften ihren Blick in den Abendstunden aber vor allem nach Bremen gerichtet haben. Die SPD fuhr zwar ihr schlechtestes Ergebnis der Nachkriegsgeschichte in der Hansestadt ein, trotzdem sieht es ganz danach aus, als müssten sich die Weyher endgültig mit einem Gedanken anfreunden: Ihr amtierender Bürgermeister Andreas Bovenschulte wird für die Sozialdemokraten wohl in die Bremer Bürgerschaft einziehen.
Das vorläufige amtliche Endergebnis wird erst für Mittwoch erwartet. Der Weyher Verwaltungschef, der auf Listenplatz 8 für die Bremer SPD kandidierte, geht aber mit hoher Wahrscheinlichkeit davon aus, ein Mandat in der nächsten Bürgerschaft zu bekommen. Bovenschulte, in Bremen einst SPD-Landesvorsitzender, steht nach wie vor zu seinem Entschluss, dieses auch annehmen zu wollen, wie er auf Nachfrage erklärt.
Er sagt klar, dass eine theoretisch denkbare Doppelrolle als Verwaltungschef und "Feierabend-Parlamentarier" für ihn nicht infrage kommt": "Dann könnte ich nicht mehr als Bürgermeister in Weyhe tätig sein." Er wolle schließlich voll für die Gemeinde da sein und mögliche Interessenkonflikte zwischen Bremen und der Nachbarkommune vermeiden.
Drei Möglichkeiten denkbar
Bis es aber konkret wird, läuft Bovenschultes Arbeit im Weyher Rathaus regulär weiter. Nach dem Wahltag hat er sich frei genommen, an diesem Mittwoch wird er jedoch schon wieder die Gäste aus der französischen Partnerkommune Coulaines begrüßen, wie es am Tag vor Himmelfahrt in Weyhe Tradition ist. In wenigen Wochen würde Bovenschulte offiziell Abgeordneter in der Hansestadt. So lange wird er folglich auch noch seine aktuellen Aufgaben übernehmen. Wie es nach der Annahme des Mandats für Weyhe weitergehen würde, ist noch offen. Klar ist nur, dass fürs Erste seine allgemeine Stellvertreterin, Erste Gemeinderätin Ina Pundsack-Bleith, die Amtsgeschäfte weiterführen müsste.
Fest steht auch: Der 53-Jährige hat eigentlich noch gut zweieinhalb Jahre als Bürgermeister vor sich. Drei Möglichkeiten wären bei seiner Wahl in die Bürgerschaft denkbar. Eine Abwahl – wie sie Bovenschulte anfangs angedacht hatte – wäre mit einer Dreiviertelmehrheit im Weyher Gemeinderat möglich. Doch die Weyher CDU-Fraktion hatte angekündigt, Bovenschulte nicht frühzeitig aus seinem Amt entlassen zu wollen.
Ohne sie wäre die benötigte Mehrheit nicht zu erzielen. Eine weitere Möglichkeit könnte die Beurlaubung für den Rest der Amtszeit ohne Bezüge sein. Erst danach wäre der Weg frei, regulär ein neues Gemeindeoberhaupt zu bestimmen. Nicht sehr wahrscheinlich scheint die dritte Option zu sein, die einen Rücktritt Bovenschultes von seinem Amt als Weyher Bürgermeister bedeuten würde – und einen Verzicht auf Bezüge. Worauf es hinauslaufen könnte, dazu will sich Bovenschulte derzeit nicht äußern.
Gegenwind kommt weiter von der Weyher CDU-Fraktion. Mit dem Ergebnis aus Weyhe wollten die Wähler ihren derzeitigen Bürgermeister für dessen geplanten Abgang abstrafen, meint Fraktionschef Dietrich Struthoff: „Das ist enttäuschend für die Bürger.“ Die SPD hat bei dieser Europawahl in Weyhe ein sattes Minus von 15,51 Prozent im Vergleich zu 2014 eingefahren. Allerdings haben die Sozialdemokraten in Weyhe mit 22,76 Prozent noch immer die meisten Stimmen im Landkreis Diepholz erhalten.
"Die Leute wissen schon genau, was sie wann wählen"
An die CDU gingen mit 26,70 Prozent dabei am Sonntag die meisten Stimmen in Weyhe, vor den Grünen mit 24,50 Prozent und erst an dritter Stelle findet sich die SPD wieder. „Im Vergleich zu der letzten Kommunalwahl konnten wir uns erheblich verbessern“, sagt Struthoff über seine Partei. Gleiches gilt jedoch nicht für die Europawahl, verglichen mit 2014 verzeichneten die Christdemokraten ein Minus von 5,26 Prozent. Bedenken bei einem vorzeitigen Abgang Bovenschultes hätte Struthoff für die Gemeinde Weyhe nicht. Sie sei immerhin schon einmal nach dem plötzlichen Tod des Gemeindedirektors Dietrich Schütte 1995 vorübergehend führungslos gewesen: „Die wissen hier alle, was sie zu tun haben.“
Für Frank Seidel, Fraktionsvorsitzender der Weyher SPD, ist die Europawahl nur ein bedingtes Stimmungsbarometer für die politische Arbeit vor Ort. „Die Leute wissen schon genau, was sie wann wählen“, sagt Seidel. Dass der Diepholzer Landrat Cord Bockhop mit fast 90 Prozent der Stimmen wiedergewählt wurde und sich derart überlegen gegen Harald Wiese von der AfD durchsetzen konnte, freut den Sozialdemokraten. „Dass es keinen massiven Rechtsruck gab. Das stand ja auch im Raum“, erklärt er. Ein Plus von 2,28 Prozent der Stimmen gab es für die AfD übrigens insgesamt bei der Europawahl aus Weyhe.
Von den im Weyher Gemeinderat vertretenen Fraktionen sind Grüne (+12,74 Prozent) und FDP (+3,14 Prozent) die Gewinner der Europawahl. Annika Bruck, Fraktionschefin der Grünen mit Ambitionen auf das Weyher Bürgermeisteramt, nennt es ein „tolles Ergebnis“. Für sie sei es auch der Lohn für konsequenten Einsatz für Umwelt- und Artenschutz in Weyhe, etwa in Bezug auf die kritische Haltung der Fraktion gegenüber der Erweiterung des Gewerbegebietes Dreye-West III. „Wir sind die einzigen, die sagen, so kann das nicht laufen.“ Bruck sagt aber auch mit Blick auf das insgesamt gute Abschneiden der Grünen: „Es war eine Klimawahl.“ Auch Antje Sengstake, Chefin der FDP-Fraktion, sieht sich durch die Ergebnisse der Europawahl darin bestätigt, mit ihrer umweltpolitischen Schwerpunktsetzung in Weyhe einen Nerv zu treffen.