Der Blick über die südliche Grenze der Hansestadt hinaus hätte durchaus gutgetan: Das Aus des Bremer Klinikums Links der Weser (LdW) reißt auch eine Lücke in der medizinischen Versorgung im nördlichen Landkreis Diepholz. Immerhin kommt rund jeder sechste Patient, der im LdW behandelt wird, aus den Gemeinden Stuhr und Weyhe oder der Stadt Syke. Auch im Landkreis Verden, gerade für viele Achimer und Oytener, ist das Klinikum eine der meistgewählten Anlaufstellen in medizinischen Fragen.
Früh haben sich Vertreter aus Stuhr und Weyhe klar positioniert. Das LdW müsse unbedingt bleiben, hieß es aus den Gemeinden, Verwaltungen und Kommunalpolitiker machen sich für den Erhalt stark. Mit Recht.
Zweifelsohne leidet nun die medizinische Versorgung des Diepholzer Nordkreises schwer unter der Schließung. Die Wege werden für alle Beteiligten länger. Von Süden kommenden Patienten hat bereits die Anfahrt zum LdW über die Kattenturmer Heerstraße selten Spaß gemacht. Mit dem Auto bis ins Klinikum-Mitte, dem Teile des LdW einverleibt werden sollen, ist es nicht nur weiter, auch die Parksituation lässt zu wünschen übrig. Rettungsdienste haben ebenfalls weitere Wege zu den anderen Bremer Klinikstandorten zurückzulegen. Die Strecken dorthin von Stuhr oder Weyhe aus sind immer noch kürzer als ins nächstgelegene Kreiskrankenhaus.
Dessen Tage übrigens auch gezählt sind. Den Bürgern aus Stuhr, Weyhe und Syke brechen mit der Klinik in Bassum und dem LdW in den kommenden Jahren gleich zwei nahe gelegene Krankenhäuser weg, da mit dem Bau des Zentralklinikums in Twistringen auch die Zeit des Krankenhauses in Bassum abläuft. Eine medizinpolitische Planungskatastrophe.
Das Krankenhaus, das 2028 eröffnet werden und rund 320 Millionen Euro kosten soll, wird dem Nordkreis nicht das LdW ersetzen: "Patienten aus dem nördlichen Landkreisgebiet wird eine echte Alternative in einem ganz neuen und modernen Krankenhaus angeboten werden", heißt von der Kliniken Landkreis Diepholz GmbH. Das ist blauäugig. Denn der Bau in Borwede – heute noch ein etwa neun Hektar großer Acker – ist viel zu weit weg, um auch nur annähernd attraktiv für Stuhrer oder Weyher zu sein. Die einfache Strecke beträgt von Stuhr aus etwa 38 Kilometer, von Weyhe aus sogar fast 40, gemessen ab dem jeweiligen Rathaus. Selbst mit Blaulicht und durchgetretenem Gaspedal ist das keine Option, wenn es brenzlig wird.
Direkt Bremen zugewandt
Auch das "hochwertige und attraktive medizinisch-pflegerische Angebot für planbare Krankenhausaufenthalte", wie es von den Kreiskliniken weiter heißt, macht denjenigen, die an der Grenze zu Bremen wohnen, kaum die Fahrt bis hinter Twistringen schmackhaft. Denn in Stuhr oder Weyhe an den Kreis-Lokalpatriotismus zu appellieren, dürfte nach hinten losgehen: Die Nordkreis-Kommunen sind durch die direkte Nähe ohnehin mehr Bremen als dem Landkreis zugewandt, viele haben ihre Wurzeln in der Hansestadt und sich lediglich vor einigen Jahren ihr Häuschen im grünen niedersächsischen Umland gebaut.
Die wenigsten werden freiwillig bis nach Borwede fahren, nur um sich in "ihrem" Kreiskrankenhaus behandeln zu lassen. Mehr Zulauf aus Stuhr wird mutmaßlich das Klinikum in Delmenhorst erhalten, Weyher, Achimer und Oytener dürften die Kliniken Mitte und Ost ansteuern. Was jedoch nicht die Lösung sein kann: Durch längere Fahrtzeit erhöhen sich die Risiken in der Behandlung.
Ebenfalls nicht bedacht: Seit 2011 gibt es in Bassum keine Geburtshilfe mehr. Viele Kinder, deren Eltern im Landkreis Diepholz wohnen, wurden im LdW geboren. Auch hier ließ Bremen die Nachbarn im Regen stehen, verlagerte bereits 2022 die Geburtshilfe ans Klinikum Mitte. "Andere Bundesländer denken nicht für uns mit", hat es Landrat Cord Bockhop kürzlich zugespitzt. Und er hat recht: Scheinbar kann sich der Diepholzer Nordkreis nicht auf seinen Nachbarn verlassen.