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Landkreis Diepholz Krankenhausreform: Niedersachsen startet Dialog im Syker Theater

Die Krankenhausreform steht an: Niedersachsens Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD) startet den Dialog im Syker Theater. Die genaue Ausgestaltung ist jedoch noch unklar.
12.09.2024, 12:29 Uhr
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Krankenhausreform: Niedersachsen startet Dialog im Syker Theater
Von Sabine Lüers-Grulke

Die neue Krankenhausreform kommt, und das muss sie offenbar auch. Doch wie genau diese aussehen soll, darüber sind sich der Bund als Gesetzgeber mit Initiator Karl Lauterbach und Flächenländer wie Niedersachsen noch nicht einig. Das machte der niedersächsische Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD) am Mittwochnachmittag im Syker Theater deutlich. Dort fand der Auftakt der Dialogveranstaltungen zur Krankenhausreform in acht niedersächsischen Versorgungsregionen statt.

Der Landkreis Diepholz gehört zur Versorgungsregion Oldenburg. Allerdings ist er so groß und bevölkerungsreich, dass er 28 Prozent der Versorgungsregion einnimmt, stellte Erster Kreisrat Jens-Hermann Kleine in seinem Grußwort fest. Von den 23 Krankenhäusern der Versorgungsregion würden nur drei im Landkreis Diepholz liegen – und der erste Spatenstich für das Zentralklinikum sei ja bekanntlich schon getan. Kleine betonte, dass dies "ein freiwilliger Prozess" gewesen sei, der schon sehr langfristig geplant war. Derzeit gebe der Landkreis jährlich 20 Millionen Euro als Defizitausgleich in die drei Krankenhäuser: "Das halten wir aber nicht mehr lange durch."

Krankenhäuser fordern Inflationsausgleich

Andere Krankenhäuser sehen sich vor ähnlichen defizitären Situationen. Der nicht erfolgte Inflationsausgleich für die Jahre 2022 und 2023 war denn auch eines der zentralen Themen des Tages, zu denen Niedersachsens Gesundheitsminister Philippi Vertretungen von Krankenhäusern der Region und weitere Akteure aus dem Gesundheitssystem eingeladen hatte. Mit kurzen Vorträgen beleuchtete zunächst Jürgen Peter, Vorstandsvorsitzender der AOK Niedersachsen, den Zeitstrahl zum geplanten Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG). Helge Engelke, Verbandsdirektor der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft (NKG), äußerte sich zur aktuellen wirtschaftlichen Lage der Kliniken, und Hanno Kummer, Landesleiter des Verbandes der Ersatzkassen, sprach über Reformbedarf angesichts des Fachkräftemangels in den Krankenhäusern.

Das vom Bundesgesundheitsminister Lauterbach vorgelegte KHVVG ist am 15. Mai vom Kabinett beschlossen worden und wird am 25. September im Gesundheitsausschuss angehört. Nach einer zweiten oder auch dritten Lesung am 18. Oktober im Bundestag soll es möglichst am 22. November vom Bundesrat gebilligt werden – oder in den Vermittlungsausschuss gegeben werden. "Der Handlungsdruck ist weiter gestiegen", sagte Peter und betonte: "Wir brauchen Planungssicherheit." Denn die Ziele seien unverändert: Vor allem müsse die flächendeckende Grundversorgung sichergestellt bleiben; Bürger sollten innerhalb von 30 Minuten Fahrzeit ein Krankenhaus erreichen können, in dem sie eine allgemeine Innere Medizin und Chirurgie vorfinden sowie eine Notfallversorgung. "Beides ist gewährleistet", so der AOK-Vorstandsvorsitzende.

Er konkretisierte aber auch die Probleme, die es künftig geben könne, wenn das KHVVG keine Ausnahmen für das flache Land zulasse: Beispielsweise würde neurologische Frührehabilitation derzeit an 21 Standorten in Niedersachsen stattfinden, davon aber 80 Prozent in sechs Kliniken. Von diesen sechs würde nur eines das Kriterium einer angeschlossenen Intensivmedizin erfüllen: "Die Versorgung wäre nicht mehr gesichert" – es sei denn, man dürfe auch Kooperationen eingehen.

Hoffen auf Ausnahmeregelungen für ländliche Räume

Ähnliches schilderte Peter auch zur Kinderchirurgie: Nach dem KHVVG würden künftig immer fünf Fachärzte pro Krankenhaus gebraucht, wenn dieses weiterhin offiziell die Leistungsgruppe Kinderchirurgie anbieten wolle. "Dann wäre das in Niedersachsen aber nur noch Auf der Bult in Hannover möglich", sagte er und hoffte, dass möglicherweise auch drei Ärzte künftig für eine Leistungsgruppe reichen.

Hanno Kummer, Landesleiter des Verbandes der Ersatzkassn, bezifferte den Fachkräftemangel genauer: Zwar sei die Zahl der Ärzte hierzulande von rund 8500 innerhalb von 20 Jahren auf gut 14.000 "deutlich gestiegen – um 66 Prozent". Die Arztdichte in Deutschland sei mit 4,5 Ärzten pro 1000 Einwohner "überdurchschnittlich hoch", dennoch würden jedes Jahr mehr Fachkräfte fehlen. Wenn künftig die Fachabteilungsstruktur in den Krankenhäusern durch die Aufteilung in Leistungsgruppen ersetzt werde, ergebe sich "eine deutliche Lücke im Personal: Etwa die Hälfte fehlt".

"Überbordende Bürokratie" beklagt

"Konzentration allein löst noch kein Fachkräfteproblem", war sich Helge Engelke, Verbandsdirektor der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft, sicher. Er beklagte zudem die "überbordende Bürokratie": "Wir dürfen uns nicht selbst zu Tode regulieren." Kein Euro werde ohne gründliche Prüfung verteilt. Doch das Fallzahlen-getriebene Abrechnungssystem funktioniere spätestens seit der Corona-Pandemie nicht mehr: "Man muss auch Dinge vorhalten." Daher brauche man die Reform, auch wenn das KHVVG aktuell noch Mängel habe. Die Qualitätskriterien seien seiner Meinung nach zu hoch angesetzt: "Wir haben schon die Qualität, die muss nicht erst hergestellt, sondern gesichert und weiterentwickelt werden."

Mit einem sogenannten Grouper, einem Programm, das zur technischen Berechnung der diagnosebezogenen Fallpauschalen genutzt wird, sollen laut Lauterbach die über 16 Millionen Krankenhausfälle im Jahr 2023 ausgewertet werden, damit Leistungsgruppen für die Krankenhausplanung zugeteilt werden können. In welchem Umfang ein Standort zur Bevölkerungsversorgung beitrage und wie die Verteilung beim Vorhalten von Leistungen erfolgt und letztendlich vergütet wird, könne aber wohl erst ein neues IT-Tool simulieren, von dem die Betroffenen erst am Vortag erfahren hatten. Denn die Krankenhäuser sollen künftig nach Leistungsgruppen, die sie beantragen, und Fallmengen bezahlt werden. Derzeit gibt es Fallpauschalen für jede Operation.

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Philippi versuchte anschließend, den Reformprozesses auf Bundesebene und den Fahrplan für Niedersachsen politisch einzuordnen: "Niemandem ist damit geholfen, wenn Angebote im ländlichen Raum wegfallen." Deshalb benötige man in Niedersachsen "mehr Beinfreiheit: Wir müssen das selbst steuern." Notfalls müsse eine Klinik durch die Endoprothetik eventuell "auch mal die Geburtshilfe querfinanzieren". Wenn das Problem wie bisher nicht politisch gelöst werden könne auf Bundesebene, "und die bundesweite Reform nicht kommt, macht Niedersachsen was Eigenes", versprach der Minister. "Wir haben einen Plan B und sind nicht abhängig vom Bund."

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