Um 11 Uhr schrillten nicht nur die Sirenen, sondern auch sämtliche Handys: Der fünfte bundesweite Warntag am Donnerstag ist im Landkreis Diepholz laut Landkreissprecherin Mareike Rein planmäßig verlaufen. Sämtliche vorgesehenen Warnmittel – darunter Cell Broadcast, Warn-Apps wie Biwapp sowie Radio- und Fernsehsender – seien erfolgreich ausgelöst worden, berichtete Rein. Zusätzlich seien die sieben mobilen Warndiensteinheiten mit Lautsprecherfahrzeugen in den Städten Syke, Twistringen, Diepholz und Sulingen unterwegs gewesen, außerdem in der Gemeinde Weyhe sowie in den Samtgemeinden Bruchhausen-Vilsen, Lemförde und Schwaförden.

Nils Marquardsen ist Geschäftsführer der Dedecc GmbH in Weyhe.
Warum die Auswahl der Einsatzorte der Lautsprecherwagen dieses Mal anders erfolgte als 2024 – beispielsweise fuhr an diesem Warntag kein Lautsprecherwagen durch Bassum, wie voriges Jahr –, erklärte Mareike Rein auf Nachfrage des WESER-KURIER damit, dass dies jedes Jahr bewusst unterschiedlich geschehe: "Ziel ist es, möglichst viele Menschen im Landkreis Diepholz mit den Lautsprecherwarnungen vertraut zu machen und so das Bewusstsein für die Warnsysteme zu stärken." Daher würden die Fahrzeuge nicht immer in denselben Kommunen eingesetzt, sondern die Gebiete wechseln von Jahr zu Jahr. Auf diese Weise könnten nach und nach viele Bürger die Funktionsweise der mobilen Warnung im Rahmen der Übungen kennenlernen.
Durch die kombinierte Aktivierung aller Warnsysteme konnte die Belastbarkeit der technischen Infrastruktur überprüft werden, so Rein. Gleichzeitig werde mit dem bundesweiten Warntag die Bevölkerung für den Ernstfall sensibilisiert. Der Landkreis bewerte den Warntag daher insgesamt "als gelungenen Testlauf für den Bevölkerungsschutz".
Lob für den "Warnmittelmix" des Landkreises
Nils Marquardsen, Geschäftsführer der auf Krisenmanagement spezialisierten Dedecc GmbH aus Weyhe, bewertet den Warntag ebenfalls als gelungen: "Das hat im Landkreis gut funktioniert." Er habe im Homeoffice in Weyhe sowohl die Durchsagen der Lautsprecherwagen gehört als auch auf sämtlichen digitalen Kanälen die Probewarnung empfangen.
Die technischen Aspekte der Prävention habe der Landkreis im Griff, jetzt gelte es auf der sogenannten "letzten Meile", dass sich die Bürger auch selbst kümmerten: "Wo kann ich hingehen, wenn etwas passiert, wo sind die Katastrophen-Leuchttürme? Habe ich Notfallvorräte im Haus?" Krisenmanager Marquardsen lobte den "Warnmittelmix" des Landkreises, doch: "Eine hundertprozentige Erreichbarkeit der Bevölkerung kann es nicht geben." Selbst Sirenen würde "derjenige, der mit Kopfhörern im Keller hockt, nicht hören".
Antrag auf Digitalisierung veralteter Sirenen abgelehnt
Noch am Dienstagnachmittag hatte der Ausschuss für Bevölkerungsschutz, Verkehr und Sicherheit des Landkreises Diepholz bei seiner Sitzung im Kreishaus in Syke darüber debattiert, ob die vorhandenen Systeme ausreichen würden, um die Bevölkerung flächendeckend warnen zu können. Anlass war ein Antrag der Unabhängigen Wählergemeinschaft (UWG), "schnellstmöglich digitale Sirenen zur flächendeckenden Warnung der Bevölkerung im Katastrophenfall zu planen und aufzustellen". Diesem Antrag stimmten außer der UWG nur die Abgeordneten der SPD-Fraktion zu, sodass der Antrag mit acht zu sechs Stimmen knapp abgelehnt wurde.
Uwe Helms (UWG) hatte den Antrag mit dem Verweis auf Luftangriffe auf die Ukraine damit begründet, dass im Krisenfall nicht alle Bürger hierzulande über die Warn-Apps auf den Mobiltelefonen erreichbar sein könnten, weil manche Leute – insbesondere ältere Menschen – gar keines hätten oder diese eben auch nachts ausschalten würden. Auch Lautsprecherwagen müssten erst besetzt werden, was Zeit koste. Russische "Raketen wären in einer Stunde hier", warnte Helms und plädierte für die Nutzung des "Sirenenförderprogramms 2.0" des Landes Niedersachsen. Dadurch könnten Zuschüsse von bis zu 75 Prozent für die Aufrüstung veralteter Sirenen fließen.
Bund für Bevölkerungsschutz zuständig
Erster Kreisrat Jens-Hermann Kleine erläuterte den Ausschussmitgliedern, warum der Landkreis erstens nicht zuständig sei und zweitens die Fördergelder "höchstens für eine Sirene pro Landkreis reichen" würden: Schon allein Twistringen hätte aber 21 Sirenen, hatte Helms gezählt. Ohnehin würde "hier im Landkreis keine Kommune eine Förderung erhalten, weil die Bedingungen nicht erfüllt werden", sagte Kleine. Denn es gebe weder kerntechnische Anlagen noch durch Sturmflut oder Hochwasser gefährdete Bereiche. Und für den Schutz der Bevölkerung sei seit der Nachkriegszeit der Bund zuständig, nicht die Landkreise oder Kommunen.
Heinz-Jürgen Michel (Grüne) und Heiner Lampe (CDU) schlossen sich Marco Genthes (FDP) Meinung an: "Sirenen sind eine Technik des letzten Jahrhunderts." Heute seien die Leute vernetzt. Auch Michael Schnieder (AfD) befand, man solle anderweitig investieren. Nur Friedrich Iven (SPD) sprach für seine Fraktion, dass man "reiflich überlegt" habe: "Zivilschutz kostet eben Geld."