Zwar ziert der Zusatz "Luftkurort" das Ortsschild Bruchhausen-Vilsens, doch eigentlich dürfte in den meisten Köpfen das Wasser das tragende Element der Samtgemeinde sein. Der Kurort ist vielen sicherlich durch die Vilsa-Quelle auf dem Heiligenberg ein Begriff. Der Laubwald in Homfeld im Flecken Bruchhausen-Vilsen ist von Bächen, Schluchten und Spazierwegen durchzogen, was ihn ursprünglich und idyllisch wirken lässt. Die Samtgemeinde hat aber noch weitaus mehr zu bieten als die bekannte Mineralwasser-Marke und naturbelassene Landschaften. Insbesondere findet sich in den einzelnen Gemeinden eine kulturelle Vielfalt, die ihresgleichen sucht und so manchen Großstädter neidisch werden lässt. Doch wie kommt diese zustande? Eine Spurensuche.
Auf der B 6 zieht sich der Vormittags-Verkehr gemächlich durch die Alte Heerstraße. Zwischen Bauernhöfen liegt in Asendorf ganz unscheinbar das Break Out. Das Kulturhaus hatte schon immer den Status eines kleinen Exoten. Seit fast 50 Jahren ist es ein Ankerpunkt für Fans alternativer Musik. Das Einzugsgebiet ist dementsprechend groß. Auch Dominik Wrhel kannte das Break Out aus früheren Tagen. Als die Kultdisco dann zum Verkauf stand, musste er sie einfach weiterführen. Das war 2019, kurz bevor die Corona-Pandemie zur solchen erklärt wurde. Ein denkbar schlechter Zeitpunkt, würden wohl viele sagen. Für Wrhel stimmt das aber nicht unbedingt. "Wir haben von Donnerstag bis Sonntag die Kulturfahne hochgehalten", sagt der Betreiber des Break Out. Die Gäste seien unter anderem aus Bremen und sogar Hannover gekommen. Wegen des Biergartens und der draußen aufgebauten Bühne durfte das Break Out öffnen.
Wrhel sitzt auf einer Ledercouch im Biergarten. Es ist mitten in der Woche, und die umliegenden Plätze sind leer. Sitzmöbel, die an die gute Stube der Großeltern erinnern, bilden kleine Gruppen. Samt, Cord, Leder, verschiedene Muster und Farben aus verschiedenen Jahrzehnten – das Break Out ist ein Ort, an dem sich Vergangenheit und Gegenwart treffen.

Dominik Wrhel hat das Break Out 2019 übernommen.
Wrhel, der im Hauptberuf Großveranstaltungen plant, war mit seiner Familie einst aus Bremen nach Bruchhausen-Vilsen gezogen. Das Break Out ist für ihn ein Herzensprojekt. Über den Wintergarten geht es in den Restaurant-Bereich, worüber auch die Disco zu erreichen ist. Dort finden sich alte Röhrenradios, Instrumente an den Wänden und wieder Ohrensessel mit Retro-Charme. Dominik Wrhel ist gerne auf Flohmärkten unterwegs, um die passende Dekoration zu finden. "Wir sind hier noch lange nicht fertig", sagt er und lacht. Die Gäste sollen sich wohlfühlen. Schließlich sind Discos Orte, an denen Erinnerungen geschaffen werden – an Menschen, einen Zeitabschnitt oder das eine bestimmte Lied. Drinnen und draußen finden Konzerte statt, oft präsentieren sich auch internationale Künstler. DJs legen Musik auf, die bestimmten Jahrzehnten oder Künstlern gewidmet ist, oder verschreiben sich gleich ganz der Rockmusik in ihren unterschiedlichen Facetten.
Dominik Wrhel bietet die Räume auch örtlichen Akteuren an. So finden in der Disco zum Beispiel auch Tanzkurse statt. "Es muss einen offenen Raum geben für alle Generationen, wo man sich ausprobieren kann", sagt der 49-Jährige. Das Break Out ist ein solcher Ort. Doch wie konnte ausgerechnet in Asendorf eine derartige Nischen-Kulturstätte entstehen? Dominik Wrhel erklärt es sich damit, dass vor Jahrzehnten viele Großstädter nach Asendorf zogen, um sich Resthöfe zu kaufen. "Das waren oft sehr alternative Leute", sagt er. Diejenigen waren der klassischen Kultur zumeist weniger zugetan. So könnte sich allmählich der Szenetreff entwickelt haben.

Hier spielt die Musik, beweist ein psychedelisch anmutendes Kunstwerk beim Biergarten des Break Out.
Auf dem Land nehmen Bürger vieles oft selbst in die Hand. In Martfeld kann deren Einsatz sogar Häuser bewegen – und das ist durchaus wörtlich gemeint. Als der Heimat- und Verschönerungsverein (HVV) Martfeld ein kleines Haus, das innerhalb eines Bauernhauses aus dem 18. Jahrhundert zum Vorschein kam, retten wollte, gab es zunächst viele kritische Stimmen. "Der Eigentümer hatte die Erlaubnis, es abzureißen", sagt Anton Bartling, der Vorsitzende des HVV. Die Vereinsmitglieder sahen das Potenzial des Hauses, das eher ein Holzgerippe war, als es freigeschält wurde. So wurde es schließlich 140 Meter weiter auf ein Grundstück der örtlichen Kirchengemeinde verrollt.
Über die kurze, aber aufwendige Reise wurde auch überregional und sogar international berichtet, sagt Bartling stolz, als er am Massivholztisch im Inneren von Pastors Hus sitzt. Das 2022 eröffnete Haus an der Kirchstraße ist nun ein kleines Museum mit Informationstafeln. Allein knapp 700 Besucher habe Pastors Hus im vergangenen Jahr angezogen, berichtet HVV-Sprecherin Susanne Till.

Blicken in die Geschichte: Anton Bartling und Susanne Till. Im Vordergrund ist das Modell des Bauernhauses zu sehen, in dessen Inneren Pastors Hus versteckt war.
Das Haus von 1535 macht nicht nur wegen der aufwendigen Restauration etwas her, es hat auch eine interessante Geschichte: Der erste evangelisch-lutherische Pastor im Ort, Otto Homfeld, hatte es für seine Frau bauen lassen für den Fall seines Ablebens. Er wollte sicherstellen, dass seine Familie weiterhin ein Dach über dem Kopf hat. Fast 400.000 Euro hat die Wiedergeburt des Einraumwohnhauses gekostet. Der HVV hatte die Summe mithilfe von Spenden und Sponsoren stemmen können.
Große Einsatzbereitschaft findet sich überall in Bruchhausen-Vilsen, so Bartling. Das habe er schnell gemerkt, als er vor mehr als 40 Jahren in das Drei-Mühlen-Dorf Martfeld gezogen war. "Es war sehr leicht, Kontakt zur Bevölkerung zu finden", sagt er. Der HVV ist in Martfeld omnipräsent. Die Arbeitsgruppen decken viele gesellschaftliche Bereiche und alle Altersgruppen ab. "Martfeld ist eigentlich der HVV", sagt Bartling. Findet etwas statt, ist meist auch der Verein in irgendeiner Form involviert – von der Geschichtswerkstatt bis zur Ferienkiste. "Es ist ein Kern da, der nicht völlig überaltert ist. Wir haben uns schon früh auch für Nichtmitglieder geöffnet. Jeder kann bei Projekten mitmachen", nennt Bartling eine weitere Besonderheit. Durch den HVV war auch ein Bürgerradweg als Lückenschluss Richtung Hoya auf den Weg gebracht worden. Auch die Fehsenfeldsche Mühle auf der gegenüberliegenden Straßenseite von Pastors Hus liegt in HVV-Hand. Diese ist zur "Kaffee-Mühle" immer am letzten Sonntag im Monat von April bis Oktober in der Zeit von 14.30 bis 17 Uhr geöffnet. Parallel und dann bis 17.30 Uhr können sich Interessierte auch Pastors Hus ansehen.
Eule als Namensgeber und Maskottchen
Die Gemeinde Schwarme hat mit der Eule ebenfalls einen in allen gesellschaftlichen Bereichen aktiven Verein – ob Back-, Theater- oder Musikgruppe oder der etwas aus der Reihe fallende Dackelstammtisch. Letzterer findet dreimal jährlich statt, zu den Treffen kommt sogar Besuch aus Berlin mit dem Wohnmobil angereist, sagt Hans-Jürgen Suling, der zweite Vorsitzende des Vereins. Mit Robberts Huus haben Vereinsmitglieder ein denkmalgeschütztes Bauernhaus restauriert. Seit 2002 dient es als Kultur- und Veranstaltungszentrum, wo unter anderem das Karaokesingen "Eulen heulen" oder das Dielenquiz stattfinden. "Die Eule war entstanden, weil Leute mit unterschiedlichen Interessen einen gemeinsamen Dachverein suchten", erinnert sich Suling, der seit den Anfängen 1992 dabei ist.
Der Vereinsname steht übrigens für Heimat-, Umwelt- und Kulturverein, worin sich der Name Eule lesen lässt. Das Tier ist aber auch in Wirklichkeit mit dem 203 Mitglieder starken Verein verbunden – der Eulenturm, ein alter Trafo-Turm unweit von Robberts Huus, beherbergt derzeit ein Eulenpärchen mit vier Jungtieren.
Kleinbahn und Nahtourismus
Wer an die Samtgemeinde Bruchhausen-Vilsen denkt, dem kommt sicherlich auch die Museumseisenbahn in den Sinn, die vom Flecken bis nach Asendorf fährt. Mit dem Kaffkieker steuert noch ein weiteres historisches Schienenfahrzeug Bruchhausen-Vilsen an. Vor allem ist die Samtgemeinde auch fest mit dem Brokser Heiratsmarkt verbunden, der als eines der größten Volksfeste Norddeutschlands gilt.
Seit einigen Jahren wächst auch der Tourismus. Dazu trägt unter anderem der Wohnmobilstellplatz mit 40 Plätzen bei, der seit 2006 in unmittelbarer Nähe zu Museumseisenbahn und Wassererlebnispark zu finden ist. "Der ist wirklich gut besucht", sagt Melanie Blohm vom Tourismus-Service der Samtgemeinde. Allein 2024 verzeichnete der Stellplatz 1607 Ankünfte und 2431 Übernachtungen. Insgesamt hatte es im Flecken im vergangenen Jahr 45.444 Übernachtungen gegeben (einbezogen sind Betriebe mit mindestens zehn Betten und Campingplätze mit mindestens zehn Stellplätzen). Ein weiteres Tourismus-Aushängeschild laut Blohm: Bruchhausen-Vilsen wurde vom Niedersächsischen Wirtschaftsministerium als besonders kinder- und familienfreundlich ausgezeichnet und trägt die Zertifizierung "Kinderferienland Niedersachsen". Auch bei den Kleinen ist die Samtgemeinde also ganz groß.