Wenn Wichernstift-Vorstand Mario Behrends Besucher über die Baustelle der neuen Kinder- und Jugendpsychiatrie führt, die gegenwärtig auf dem Gelände entsteht, dann zitiert er gern die Verantwortlichen des Niedersächsischen Landesamtes für Bau und Liegenschaften (NLBL): "Im Wichernstift entsteht mindestens die modernste Kinder- und Jugendpsychiatrie in Niedersachen, wenn nicht deutschlandweit." Auch eine Besuchergruppe der FDP um Bundestags-Fraktionschef Christian Dürr, die Landtagsabgeordnete Susanne Schütz sowie Landtagskandidatin Imke Haake zeigte sich am Freitag einigermaßen beeindruckt von dem 4000-Quadratmeter-Bau, in dem 51 vollstationäre Plätze in vier Stationen sowie einem Intensivbereich entstehen.
In der Tat lässt bereits der Rohbau erahnen, dass das Gebäude deutlich über die Zweckmäßigkeit eines schnöden Funktionsbaus hinausgeht. "Der Architekt ist ein Ästhet. Schon das Gebäude ist ein therapeutischer Ansatz", kommentierte Behrends. So seien die Sichtachsen etwa so gestaltet, dass es keine toten Winkel mehr gebe, was insbesondere bei der Besetzung von Nachtwachen ein großer Vorteil sei. Zurzeit ist die Kinder- und Jugendpsychiatrie ja noch in einem ehemaligen Lehrlingsheim untergebracht, einem Ensemble aus Reihenhäusern, bei denen die Mitarbeiter einen äußeren Gehweg nutzen müssen, wenn sie von einer Station zur anderen gelangen wollen.
Auch zum Thema Lichtsteuerung hätten die Wichernstift-Verantwortlichen laut Behrends in der Bauphase einiges gelernt. So werde das Licht morgens eher grell und kalt sein, um den Kreislauf aller Beteiligten in Schwung zu bringen, und im Tagesverlauf dann immer wärmer und rötlicher werden. "Die Fenster werden allesamt durch Roboter eingesetzt. Die kann kein Mensch mehr tragen", nannte der Wichernstift-Vorstand ein weiteres Beispiel. Eine Besonderheit ist auch die Betonkernaktivierung über Wärmepumpen, die ihren Beitrag dazu leistet, die Energiebilanz zu optimieren.
"Die Kinder- und Jugendpsychiatrie gewinnt immer mehr an Bedeutung, die Wartelisten füllen sich", skizzierte Behrends die allgemeine Situation. Und das bei einem immer gravierender werdenden Mangel an Fachkräften. In der Klinik werden unter anderem Essstörungen oder Folgen von Mediensucht therapiert, nicht aber Drogensucht. Das sind aber eher die leichteren Fälle. "Es gibt auch Patienten, die einen Wachschutz rund um die Uhr benötigen", erläuterte der Wichernstift-Vorstand.
Ursprünglich waren die Bauherren zwar mal davon ausgegangen, dass die neue Kinder- und Jugendpsychiatrie bereits in diesem Sommer eröffnet werden könnte, doch Verzögerungen im Baufortschritt sind angesichts der Corona-Pandemie und der aktuellen Materialengpässe inzwischen alltäglich. "Schon bei den Erdarbeiten haben wir alte Fundamente gefunden, mit denen keiner mehr gerechnet hatte", berichtete Behrends von weiteren Unwägbarkeiten. Im Augenblick gehe er von einer Eröffnung im ersten Quartal 2023 aus. "Das ist aber nur eine Wasserstandsmeldung", fügte er einschränkend hinzu.
Die Baukosten in Höhe von 27 Millionen Euro seien zum Glück stabil. Das Land Niedersachsen beteiligt sich mit 21,3 Millionen Euro an dem Projekt. Noch heute schwärmt Behrends von der Zusammenarbeit mit dem Landesamt in Hannover. So manches Mal hätten er und sein inzwischen in Ruhestand befindlicher Kollege Wolfgang Walter sich gewundert, wie reibungslos das alles gelaufen sei.
Für die Nachnutzung der alten Psychiatrie-Gebäude gebe es zwar eine Menge Ideen, aber noch keine Entscheidung. Eventuell zeichnet sich ab, dass einige Bereiche der Jugendhilfe dort einziehen könnten. Die Tagesklinik werde weiter als solche genutzt.