Die Bioabfallvergärungsanlage, die in Pennigbüttel entstehen soll, kommt einfach nicht voran. Jedenfalls nicht wahrnehmbar. Das klimafreundliche Leuchtturmprojekt der Landkreise Osterholz, Verden und Cuxhaven sowie der kreisfreien Stadt Cuxhaven gärt vielmehr weiter vor sich hin. Christof von Schroetter, Chef der Kommunalen Entsorgungsanstalt Nord-Niedersachsen (Kenn), wirkte entsprechend angesäuert, als er den Osterholzer Kreistagsausschuss für Abfallwirtschaft jetzt über den Stand der Dinge informierte.
Nach eigenen Angaben musste der Kenn-Vorsitzende – zugleich Geschäftsführer der Abfallservice Osterholz GmbH (Aso) – mit immer neuen Genehmigungsauflagen des Cuxhavener Gewerbeaufsichtsamts (GAA) ringen. Der Betriebsbeginn werde nun für Anfang 2027 angepeilt, sagte von Schroetter.

Geschäftsführer der Aso und Vorstand der Kenn: Christof von Schroetter.
Die geplante Anlage ist ausgelegt auf eine Jahresmenge von bis zu 40.000 Tonnen organischen Abfall, der aus den braunen Biotonnen stammt. Bis zu 1,3 Millionen Kubikmeter Biomethangas lassen sich daraus per Fermentation alljährlich gewinnen. Doch noch ist es nicht so weit. "Wir haben vier Jahre verloren – zwei durch die Standortsuche und zwei durch das Genehmigungsverfahren", sagte der Kenn-Chef und ließ die Ereignisse Revue passieren.
Verschärfte Umweltauflagen
Es war am 27. September 2021 bei der Antragskonferenz mit dem GAA, als der Traum vom favorisierten Gaswerk-Standort in Heilshorn platzte. Die Planungsunterlagen waren vorbereitet – und konnten nun großteils ins Altpapier, denn sieben Wochen zuvor hatte das Bundesumweltministerium die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (kurz TA Luft) verschärft, die am 1. Dezember 2021 dann auch planmäßig in Kraft trat. Damit war der ausgeguckte Gewerbepark A 27 über Nacht aus dem Rennen.
Die Kommunen und von Schroetter holten Plan B wieder aus der Schublade. Aus Platzgründen hatten sie den eigentlich schon verworfen: das Pennigbütteler Aso-Gelände. Eine Machbarkeitsstudie zeigte Anfang 2023 auf, dass es dort auch unter den neuen TA-Luft-Bedingungen tatsächlich funktionieren dürfte, wenn einige Flächen und Gebäude des Entsorgungszentrums anders genutzt und umgebaut sowie vorhandene Leitungen umgelegt werden.
Vorverfahren wird zum Flop
Um nicht erneut so spät noch Schiffbruch zu erleiden, bemühten sich von Schroetters Planer ab September 2022 beim GAA zunächst nur um einen Vorbescheid nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz. "Und dann ist das Verfahren so ausgeufert, dass es fast schon einer vollständigen Genehmigung gleichkam", so von Schroetter. Im April 2023 riss den Antragstellern der Geduldsfaden: Die Kenn widerrief den Vorgang, und am 31. Juli 2023 reichte von Schroetter den finalen, eigentlichen Genehmigungsantrag ein.

Ende 2018 gingen diese drei Männer mit der Idee einer Bioabfallvergärungsanlage erstmalig an die Öffentlichkeit (von rechts): der Leiter der Kreisabfallwirtschaft Werner Schauer, Aso-Geschäftsführer Christof von Schroetter, der mittlerweile auch Kenn-Vorstand ist, und Michael Zahlten von der Umwelt-Beratungsgesellschaft Joma aus Hamburg.
Im April 2024 erging der Bescheid, dass alle nötigen Unterlagen in Cuxhaven vorlägen, wo sie nun geprüft würden. "Ich rechne mit einer Genehmigung Ende des Jahres, sodass wir dann auch den ersten Spatenstich setzen können", sagt der erste Mann der Kenn. Derzeit werde die Ausschreibung der Bauaufträge vorbereitet, und dann lässt sich auch überblicken, wie viel Geld der Zeitverlust ungefähr gekostet haben wird. Eine grobe Schätzung will von Schroetter auf der nächsten Ausschusssitzung am 12. September vorlegen.
Zeitverlust hat Geld gekostet
19 Millionen Euro waren bei der Kenn-Gründung Mitte 2020 mal als Investitionssumme für den Standort Heilshorn genannt worden. Nach dem bundesweiten Baupreisindex hat sich die Herstellung gewerblicher Betriebsgebäude seither um gut ein Drittel verteuert. Wenn es keine Lieferkettenprobleme gibt, könne die Anlage in der zweiten Jahreshälfte 2026 hochgefahren werden und Anfang 2027 in den Regelbetrieb gehen. "Das ist jetzt ein hoffentlich belastbarer Zeitplan."
Notgedrungen haben die vier Träger des kommunalen Entsorgungsbetriebs inzwischen auch geregelt, wo der Inhalt ihrer Biotonnen bis dahin bleiben soll. Mangels eigener Kapazitäten lässt man weiter deponieren und kompostieren. "Engpässe gibt es bis Ende 2026 nicht." Um nicht noch mehr Zeit zu velieren, konzentriert sich der erste Bauabschnitt von Schroetter zufolge auf die Pflicht: Die Aufbereitung der bei der Vergärung entstehenden Gase, die ins Erdgasnetz eingespeist werden, während die Gärreste zu Biokompost veredelt werden, was ohnehin von Anfang an in Pennigbüttel erfolgen sollte.
Die Kür wird vorerst vertagt
Hingegen bleibt die Installation einer Wasserstoff-Ausbaustufe sowie die Abscheidung und Verdichtung von Bio-CO2 zu Trockeneis vorerst nur – oder immerhin weiter – eine Option. In der gegenwärtigen Phase hätte die Kür ein weiteres Jahr zusätzlich gekostet, so von Schroetter. "Wir behalten das in der Hinterhand", sagte er. Dem Vernehmen nach gibt es interessierte Werften in Bremerhaven, die das Trockeneis der Kenn für die Reinigung von Schiffsrümpfen nutzen möchten.
Konkreter ist bereits die geplante Fotovoltaik-Nutzung: Drei Hallendächer auf dem Aso-Gelände werden gleich während der Bauphase 2025/26 mit Solarmodulen bestückt. Mehr als die Hälfte ihres Betriebsstroms soll die Bioabfallvergärungsanlage überdies vom geplanten Solarpark beziehen, der zwei Kilometer nördlich auf der ehemaligen Deponie Sandhausen entstehen soll. "Wir werden das Entsorgungszentrum über ein eigenes Kabel anbinden", kündigte von Schroetter an. Die Energiekosten behalte man damit weitgehend im Griff.