Diejenigen, die sich damit auskennen, sagen unisono: Wenn es ihn nicht schon gäbe, dann müsste man ihn erfinden – den einjährigen Kursus der Jugendwerkstatt (Juwe), in dem junge Erwachsene auf dem zweiten Bildungsweg ihren Hauptschulabschluss nachholen können. Seit dem Schuljahr 2018/19 haben bislang 110 Teilnehmer aus 14 verschiedenen Herkunftsländern ihre Abschlussprüfungen geschafft. Die 16- bis 26-Jährigen werden in der Lern- und Vorbereitungsphase von erfahrenen Pädagogen, Praxislehrern und Sozialarbeitern angeleitet und betreut. Volkshochschule, Lernhaus und die Bildungsstätte Bredbeck ziehen dabei an einem Strang, bei Bedarf unterstützt von Jobcenter, Jugend- oder Sozialamt.
Bredbeck-Mitarbeiter Alexander Starostin arbeitet in dem Angebot an einer Schnittstelle: Neben dem schulischen Unterricht in Deutsch, Mathematik und Biologie gibt es nicht nur praxisorientierte Einheiten in Werkstätten und Kulturprojekten sowie sportlichen Aktivitäten. Hinzu kommen auch vier begleitende Blockseminare in Bredbeck; diese sollen die Entwicklung von Lernstrategien, Selbstwirksamkeit und Sozialkompetenz fördern und die berufliche Orientierung unterstützen. Eine der Einheiten ist als Kreativwoche konzipiert, bei der die Teilnehmer auch Themen wie Heimat, Identität und Zugehörigkeit künstlerisch bearbeiten. Die Theaterstücke, Filme oder Kleidungsstücke, die dabei entstehen, haben mit der eigenen Biografie zu tun, mit Heimat, Identität und Zugehörigkeit. "In der Abschlusspräsentation geht es darum, aus der eigenen Komfortzone herauszukommen", erklärt der Pädagoge.
Alphabetisierung und praktische Arbeit
Der Jahrgang 2024/25 hat Starostin zufolge nun erstmalig von einer Weiterentwicklung des Konzepts profitiert: Mittwochs ist für die Kursteilnehmer Praxistag in Bredbeck. Statt in den Juwe-Räumen an der Sandbeckstraße in Osterholz-Scharmbeck hospitieren sie in der Bildungsstätte in Küche, Technik und Hauswirtschaft Die Auswertung aus den Vorjahren habe gezeigt, wie nützlich und sinnvoll es sei, den Unterrichtsstoff mit praktischen Erfahrungen zu kombinieren, so Starostin. Eine weitere mittlerweile bewährte Neuerung, die vor vier Jahren eingeführt wurde, sei das sogenannte World-Café – ein Erfahrungsaustausch mit den Absolventen früherer Jahrgänge, der nach Einschätzung des Bredbeck-Pädagogen besonders inspirierend und motivierend auf die aktuellen Teilnehmer wirke.
Das World-Café wiederum ist stets Teil des finalen Block-Seminars im Mai, bei dem sich die Kursteilnehmer in Bredbeck intensiv auf ihre Abschlussprüfungen vorbereiten; diese entsprechen denen einer staatlichen Schule und werden am Campus abgenommen. Die Teilnehmer durchlaufen Coachings und sprechen über Prüfungsängste und Zukunftssorgen. Weil es sich vielfach um junge Männer und Frauen handelt, die Deutsch erst als Fremdsprache gelernt haben, steht Englisch nicht auf dem Stundenplan, weshalb die Zeugnisse die einfache Berufsausbildungsreife bescheinigen und nicht die erweiterte, erklärte Starostin im Werksausschuss der Bildungsstätte. Die Durchfallquote sei niedrig, und im nächsten Lehrgang, der nach den Ferien startet, werde es nun eine weitere Neuerung geben: Erstmalig werde der Kursus kombiniert mit einem Lehrgang Grundbildung und Alphabetisierung, der von der N-Bank bezuschusst werden soll.