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Baubeginn im Kreis Osterholz Buddeln fürs Breitband in den Dörfern

Mit Verspätung hat am Dienstag der geförderte Breitbandausbau für 1600 Haushalte in dünn besiedelten Gebieten des Landkreises Osterholz begonnen. Die staatlichen Zuschüsse summieren sich auf 20 Millionen Euro.
21.06.2023, 05:00 Uhr
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Buddeln fürs Breitband in den Dörfern
Von Bernhard Komesker

Landkreis Osterholz. Im Landkreis Osterholz beginnt nächsten Monat eine weitere Runde des geförderten Breitbandausbaus – drei Jahre nach der Mittelzusage aus Hannover. Gut 1600 Privatadressen in entlegenen, dünn besiedelten Gebieten der sieben Kreis-Kommunen erhalten damit im Laufe der nächsten zwei Jahre gigabitfähige Internet-Anschlüsse. Pünktlich zum symbolischen Spatenstich am Ortsrand von Garlstedt, wo die Arbeiten beginnen werden, fielen dazu am Dienstagmorgen ein paar Regentropfen vom Himmel, was die Stimmung der Bürgermeister und Landkreis-Vertreter zusätzlich anhob. Vertreter des Oldenburger Netzanbieters EWE und des beauftragten Verlegetrupps aus Verden waren ebenso zugegen wie Abgesandte des Bundesbüros für die Fördermittel, Atene-Kom, und des niedersächsischen Ministeriums für Digitalisierung. 

Was ist das Besondere des Projekts?

Der Ausbau wird mit staatlichen Mitteln massiv gefördert. Das ist überall dort nötig, wo der Markt nicht funktioniert: In der Fläche sind weite Wege zurückzulegen und relativ wenige Anschlussnehmer zu gewinnen. Die aktuelle Ausbaurunde – es ist die kreisweit vierte seit 2008 – summiert sich nach Angaben des EWE-Projektleiters Frank Pippel auf 230 Tiefbau-Kilometer. Jana Lindemann, Leiterin des Amtes für Kreisentwicklung, beziffert die damit verbundene Wirtschaftlichkeitslücke auf ungefähr 20 Millionen Euro. Die Hälfte davon gibt es als Bundeszuschuss, ein Viertel kommt vom Land und das verbleibende Viertel teilen sich zu gleichen Teilen der Landkreis und die jeweilige Kommune. 315 der 1600 Adressen liegen beispielsweise in den Dörfern um Osterholz-Scharmbeck, so Bürgermeister Torsten Rohde.

Was sind die Rahmenbedingungen?

Um Identifizierung und Auswahl der Adressen hat sich das Breitbandkompetenzzentrum im Zusammenspiel mit den Kommunen gekümmert, bevor Anfang 2022 EWE den Zuschlag erhielt. Wegen des Wettbewerbsrechts der Europäischen Union kommen für die sogenannte Weiße-Flecken-Förderung nur Adressen mit Download-Geschwindigkeiten von weniger als 30 Megabit pro Sekunde in Betracht. Die europaweite Ausschreibung hatte einen zweiten Anlauf erfordert, nachdem der geförderte Ausbau im Vorjahr zunächst nur für Schulen und Gewerbegebiete im Kreisgebiet geglückt war. Für die EWE wird die Sache auch deshalb interessant, weil sie im Zuge der Arbeiten 21 Mobilfunkmasten gigabitfähig anbinden kann und für weitere 1300 Adressen entlang der Ausbaustrecke eine Mitverlegung möglich ist.

Was bedeutet der Ausbau für die Kunden?

Der Hausanschluss für die 1600 geförderten Adressen ist kostenlos; diese Haushalte zahlen allein für die Nutzung – wenn sie denn mit Breitbandtempo surfen wollen. Sie sind dabei vertraglich auch nicht an EWE gebunden; vielmehr muss der Netzbetreiber auch andere Online-Anbieter zu deren Tarifen diskriminierungsfrei zulassen. Anders sieht es bei der Mitverlegung aus, wo für den Anschluss ebenso Kosten entstehen wie für die etwaige Nutzung. Die EWE-Vertriebsabteilung werde im Ausbaugebiet der jeweiligen Kommunen demnächst mit der Vorvermarktung beginnen, kündigt Pippel an. Geplant seien Postwurfsendungen und Hausbesuche. 

Was machen die anderen Anbieter?

An einigen Stellen im Kreisgebiet verlegt derzeit das Unternehmen Glasfaser Nordwest ebenfalls neue Lichtwellenleiter. Dabei handelt es sich um einen rein eigenwirtschaftlichen Ausbau, der nicht staatlich gefördert wird. Glasfaser Nordwest ist ein Joint Venture aus EWE und Telekom, die neben weiteren Anbietern permanent auch eigene Ausbauten in Deutschland vornimmt – leitungsgebunden und im 5G-Netz. Auf die sogenannten Grauen Flecken im Landkreis, wo aktuell und in absehbarer Zeit nur mit 30 bis 100 Megabit pro Sekunde gesurft werden kann, hat es unterdessen die Deutsche Glasfaser abgesehen. Insgesamt handelt es sich dabei um 20.500 Haushalte, die derzeit bei einer sogenannten Nachfragebündelung umworben werden (wir berichteten).

Wie steht es um die Nachfrage?

Landrat Bernd Lütjen beobachtet landauf, landab ein wachsendes Interesse, zumal der Bandbreite-Bedarf durch Streamingdienste und andere Anwendungen weiter steigt. Breitband gilt heute als Teil der Infrastruktur, ein Standortfaktor. Die Deutsche Glasfaser hat bei der Nachfragebündelung mittlerweile zugesagt, in den nächsten zwei Jahren Glasfaser in Axstedt, Grasberg, Hambergen, Lilienthal, Lübberstedt, Vollersode und Worpswede verlegen zu lassen. In Ritterhude und Osterholz-Scharmbeck endet das Verfahren am 8. Juli: Wenn bis dahin in den beiden Ausbaugebieten jeweils 33 Prozent der möglichen Anschlussnehmer einen Vorvertrag mit zweijähriger Nutzung unterschreiben, wird ohne Anschlusskosten ausgebaut. Am Freitag hatte der Anbieter nach eigenen Angaben jeweils 29 Prozent beisammen. In Beckedorf, Leuchtenburg und Löhnhorst sowie in Neuenkirchen enden vergleichbare Verfahren am 30. September.

Besteht Aussicht auf flächendeckend Gigabit-Anschlüsse?

Im Landkreis Osterholz in absehbarer Zeit kaum, zumindest nicht per Glasfaser. Im Mobilfunknetz sind beim 5G-Standard immerhin Bandbreiten zwischen 0,5 und 1,5 Gigabit pro Sekunde möglich. Doch ein Glasfaser-Anschluss für die viel zitierte "letzte Milchkanne" würde aus Sicht der Kreisverwaltung unverhältnismäßig teuer. Schon jetzt sei der Aufwand beachtlich: Auf den einzelnen Anschluss der aktuellen Ausbaurunde entfallen umgerechnet 12.500 Euro an Steuermitteln. In Holste oder anderen entlegenen Winkeln wäre der Förderbedarf noch höher; bei knappen kommunalen Kassen ein Kraftakt. Gleichwohl, so heißt es aus dem Kreishaus, sieht sich die Behörde in der Pflicht, für die digitale Teilhabe möglichst aller Menschen im Kreisgebiet zu sorgen. Die am Dienstag begonnene Buddelei markiert demnach eher eine Ausbauetappe als das -ende.

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