Grasberg. Überflutete Wiesen und hohe Pegelstände in der Wörpe – die Kritikerinnen und Kritiker der Pläne zum Bau eines neuen Gewerbegebiets am Grasberger Ortsrand haben in den vergangenen Wochen literweise Argumente sammeln können, warum Politik und Verwaltung in der Gemeinde von diesem Vorhaben noch einmal Abstand nehmen sollten. Jetzt gehen die Vertreter von Bündnis90/Die Grünen abermals in die Offensive: In mehreren ähnlich lautenden Schreiben rufen sie die Verwaltungsspitzen des Landkreises Osterholz und der Gemeinde Lilienthal, die Mitglieder des Kreis- und des Gemeinderats sowie das Ortsamt und des Beirats in Borgfeld dazu auf, sich in die laufende Diskussion einzubringen. Die Hoffnung dahinter ist offensichtlich: Die Nachbarn sollen Grasberg Druck machen.
Dabei ist die Messe in dieser Sache so gut wie gelesen – die Mehrheit des Grasberger Gemeinderats steht hinter dem Vorhaben, den Flächennutzungsplan und den Bebauungsplan für das neun Hektar große Areal zwischen der Wörpedorfer Straße und der Wörpe bis Ende des Sommers zu ändern. Dadurch sollen nach jahrelangen Debatten die Verlegung des örtlichen Edeka-Markts und die Schaffung neuer Gewerbeflächen durch die Schausberger-Gruppe ermöglicht werden. Läuft alles nach Plan des Investors und der Verwaltung, dann ist ab Herbst der Weg frei, um die Baumaschinen rollen zu lassen.
Blutige Nase
Erst kurz vor Weihnachten hatte sich der grüne Ratsfraktionschef Jörn Schumm im Planungsausschuss der Gemeinde eine blutige Nase geholt, als er darauf hinwies, dass es angesichts des Klimawandels nicht klug wäre, ein Gewerbegebiet in der Nachbarschaft eines Flusses und eines Überschwemmungsgebiets zu bauen, damit in der Runde aber isoliert war. Kaum eine Woche später kam das Wasser und unterstrich die Argumente derer, die das Gewerbegebiet an der Wörpedorfer Straße ablehnen.
Doch auch ohne das Hochwasserereignis hätten die Grasberger Grünen Bedenken angemeldet. Ihre Kritik richtet sich derzeit auf ein nach ihrer Einschätzung zu klein geplantes Regenrückhaltebecken. Die Anlage war erst in die Planungen integriert worden. Der Landkreis Osterholz hatte zuvor verfügt, dass die Einleitung des Niederschlagswassers aus einem künftigen Gewerbegebiet in die Wörpe das anliegende Naturschutzgebiet nicht beeinträchtigen darf. Denn wo gearbeitet wird und Lastwagen fahren, werden Stoffe frei, die in einem Fluss nichts zu suchen haben. So soll das Regenrückhaltebecken so angelegt werden, dass es Wasser aufnehmen, filtern und dann dosiert an die Wörpe abgeben kann.
Zu klein oder nicht?
Aus Sicht der Grünen ist dieses Becken aber viel zu klein geplant. Ratsherr Thomas Malohn hat eigene Berechnungen angestellt und geht mittlerweile davon aus, dass die Vorgaben des Landkreises mit der geplanten Anlage nicht eingehalten werden können und "es durch die üblichen Umweltbedingungen hier zu einer deutlichen Überlastung des geplanten Entwässerungskonzeptes kommt". Die angrenzenden Schutzflächen und die Überflutungsflächen könnten somit "in ihrer Funktion beeinträchtigt werden", heißt es in einer Bewertung, die Malohn verfasst hat.
Diesen Punkt hatten Jörn Schumm und weitere Fraktionsvertreter auch schon in der Ausschusssitzung vor Weihnachten im Grasberger Rathaus vorgebracht, waren damit aber nicht durchgedrungen. Laut Dagmar Renneke vom mit der Planung des Gewerbegebiets "Grasberg-West" beauftragten Institut Instara entspreche das vorgesehene Regenrückhaltebecken "gängigen Normen" und sei somit richtig bemessen.
Hoffnung auf Nachbarschaftshilfe
Schumm und Fraktionskollegen sehen das völlig anders. Sie haben in ihren Szenarien Starkregenereignisse, wie im Juni vergangenen Jahres in Hüttenbusch, aber auch Niederschlagsmengen aus dem vergangenen Sommer oder den Tagen rund um Weihnachten zugrundgelegt und kommen zu dem Ergebnis, dass die Rechnung der Planer nicht aufgeht. Die Folge wäre, dass Oberflächenwasser aus dem Gewerbegebiet, das eigentlich im Regenrückhaltebecken landen soll, ungereinigt über Verkehrs- und Grundstücksflächen, in die Flächen des Überschwemmungsgebiets und in Naturschutzflächen abzufließen droht.
Ihre Berechnungen hat die Fraktion den Adressaten in der Kreisverwaltung, aber auch im Grasberger Rathaus, im Borgfelder Beirat und in Politik und Verwaltung in Lilienthal zugeschickt. Jörn Schumm hofft, dass die Nachbarn die Pläne auch im Sinne ihrer Bürgerinnen und Bürger ablehnen und ihre Bedenken im Rahmen des Beteiligungsverfahrens einreichen. Der Plan liegt seit Montag im Grasberger Rathaus aus und ist auch online einsehbar. Stellungnahmen können bis zum 1. März abgegeben werden.