Die Forderungen nach einer härteren Gangart der Gerichte, gern einhergehend mit dem Vorwurf der "Kuscheljustiz", sind oft populistisches Getöse. Dann aber gibt es Urteile, die dem juristischen Laien kaum plausibel zu machen sind. Wenn eine Autofahrt im Vollrausch zwei Menschen das Leben kostet, der Angeklagte aber eben ob seiner schwer desolaten Verfassung zum Unfallzeitpunkt mit einer Bewährungsstrafe – man kann es nicht anders sagen – davonkommt, stößt das auf breites Unverständnis. Das Verdener Urteil zum verheerenden Unfall in Westerbeck aus dem Juni 2020 ist eines, das eine Diskrepanz zwischen Recht und Gerechtigkeit erscheinen lässt.
Es ist weniger die Frage, was denn überhaupt eine gerechte Strafe sein kann für das Auslöschen zweier Leben und das Leid, das über Freunde und Familien durch diese gänzlich sinnfreie Tat gekommen ist. Es ist vielmehr die Schlussfolgerung, die man aus diesem Urteil ziehen kann: Je bedröhnter man sich ans Steuer setzt, desto besser die Aussichten, als schuldunfähig zu gelten und damit kaum zur Rechenschaft gezogen zu werden. Dieses Signal ist fatal.
Auf der einen Seite gibt es Vorstöße, bei Unfällen nach illegalen Autorennen gar eine Mordabsicht zu unterstellen. Auch diesen Fahrern könnte man durchaus einen Rausch attestieren – wenn es keine Drogen sind, dann zumindest Adrenalin. Auf der anderen Seite gibt es keine Forderung danach, dass jemand, der sich willentlich berauscht, nicht auch dafür sorgen muss, dass er in diesem Zustand andere nicht schädigt. Wer etwa Waffen zur Hand hat – und ein Auto kann ebenso eine Waffe sein wie das Küchenmesser –, muss doch wenigstens sicherstellen, dass er sie nicht benutzen kann, indem er sie etwa einem Dritten übergibt, bis er wieder nüchtern ist.
Regelmäßig berichtet die Polizei über angebliche Drogenfahrten, bei denen jemand am Steuer saß, der manchmal 24 Stunden oder länger zuvor einen Joint geraucht hatte. Er oder sie stehe unter Drogeneinfluss, heißt es dann, weil entsprechende Substanzen eben noch im Körper nachweisbar sind. Psychoaktiv sind sie aber aller Erfahrung nach dann schon lange nicht mehr. Mit der Cannabis-Freigabe muss auch dringend eine Grenzwertdiskussion geführt werden.
Die braucht es beim Alkohol nicht mehr, und doch gibt es auch dort auf die Frage der Verhältnismäßigkeit keine befriedigende Antwort. Strafe soll immer auch abschrecken und so weitere Taten verhindern. Ob man damit aber Menschen erreicht, die beim Ausleben ihrer Exzesse keinerlei Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, ist sowieso mehr als fraglich.