Ritterhude. Die Wut und die Enttäuschung mussten einfach raus. Beides entlud sich bei Maik Tiganj mit einem Tritt gegen eine Wasserkiste. Ein paar leere Flaschen flogen an der Seitenlinie umher. Allein: Glücklicher sah der Angreifer der TuSG Ritterhude nicht aus, als er in Richtung Kabinen davonstapfte. Wer in die Gesichter der Hammestädter blickte, entdeckte ausschließlich Leere, Frust und Fassungslosigkeit nach diesem erneuten Tiefschlag. Die 1:2 (0:1)-Niederlage gegen Aufsteiger SV Anderlingen stürzt die TuSG noch tiefer in die Krise.
In der Schlussphase war noch einmal Hoffnung bei den Gastgebern aufgekeimt, wenigstens einen Punkt mitnehmen zu können. Nachdem Noah Hilse nach einem Angriff über die drei Joker Cem Yildirim, Eugen Zilke und Mirco Dressler verkürzt hatte, erhöhte die TuSG den Druck (74.). Flanke auf Flanke flog in den Anderlinger Strafraum, doch wirklich gefährliche Abschlüsse blieben Mangelware. Den Willen konnte man der Elf von Trainer Richard Sass nicht absprechen, aber die Verunsicherung war während der gesamten Spielzeit greifbar. "Das kannst du den Jungs auch gar nicht vorwerfen", wusste der Coach. Woher sollte das Selbstvertrauen beim Schlusslicht auch kommen?
Die Gäste, zuvor mit nur einer Niederlage aus sechs Spielen, zeigten über weite Strecken der Partie, wie viel Sicherheit Erfolgserlebnisse verleihen. Sie spielten einfachen Fußball, machten das aber mit großer Klarheit und stimmiger Zusammenarbeit. Der Aufsteiger agierte aus einer guten Ordnung, ging nicht zu sehr ins Risiko und war aggressiv, aber nicht unfair in den Zweikämpfen. Anderlingen besaß die Stabilität, die den Gastgebern abging. Ritterhude wurde nicht dominiert, fand aber selbst kaum ein Durchkommen. Und immer wieder schlichen sich Fehler ein. Wie vor dem ersten Gegentreffer, als Henrik Dargel unter Druck angespielt wurde, den Ball nicht behaupten und sich nur mit einem Foul helfen konnte. Ole Lemmermann verwandelte den Freistoß direkt (19.). "Und dann läufst du wieder einem Rückstand hinterher und der Kopf fängt an zu blockieren", sagte Sass.
Die Folge: "Dann funktionieren die einfachsten Dinge nicht mehr." Das war dem TuSG-Spiel deutlich anzusehen. Bis auf eine Chance durch Janluca Grove blieb sie vor dem Anderlinger Tor lange blass (24.). "Jeder hatte Angst, einen Fehler zu machen", erkannte Sass. "Und dann passieren diese Fehler. Einfache Fehler." Anderlingen wusste die zu bestrafen: Der ehemalige Hagener Lucas Heins war wenige Minuten nach dem Seitenwechsel nach einer Hereingabe des starken Andre Steffens per Kopf erfolgreich (48.). Ritterhude schaute nur zu. Und hätte Kevin Meier im Tor nicht stark gegen Linus Brunckhorst pariert, wäre die Partie wohl frühzeitig entschieden gewesen (61.). Es war ein Konter über fünf Stationen, schnell und direkt vorgetragen. Diese Klarheit ging den Ritterhudern zu häufig ab. Sie suchten oft die (zu) komplizierte Lösung.
Doch die Sass-Elf steckte nicht auf – diesen Willen musste man anerkennen. Dass Noah Hilse Pech mit einem Pfostentreffer hatte, passte allerdings ins Bild der glücklosen Gastgeber (67.). "Wenn du weiter oben stehst, geht der rein", haderte der Trainer. Sein Team rannte nach dem Anschlusstor an, konnte aber keinen Dauerdruck erzeugen, obwohl Anderlingen in dieser Phase zum ersten Mal selbst wenig souverän wirkte. "Wir haben es dann nicht konzentriert genug gespielt. Wir waren ein bisschen kopflos, haben uns von der Hektik anstecken lassen", erklärte Sass. Mehrfach verstolperte seine Elf den Ball oder verlor ihn durch Stockfehler. Kurz vor Schluss setzte sich Anderlingen an der Ritterhuder Eckfahne fest und holte wertvolle Sekunden heraus, weil die Gastgeber mehrfach schlecht anliefen. Es war auch die Summe der kleinen Fehler, die zur Ritterhuder Niederlage führte – der achten im elften Spiel.
Jetzt, so Sass, sei die gesamte Mannschaft gefordert. "Die wichtigen Spieler müssen sich zeigen und auch die – ich sage mal – ängstlichen mitnehmen." 20 Punkte will der Trainer bis zur Winterpause auf dem Konto haben. "Dann sind wir mittendrin", sagte er. Noch sei er positiv gestimmt, schob er hinterher. 15 Zähler fehlen bis zu dieser Marke noch, was noch deutlicher macht, wie gut drei Punkte der TuSG gegen Anderlingen zu Gesicht gestanden hätten.