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Planverfahren in Ritterhude Historisches Gräberfeld durchkreuzt Gewerbe-Pläne

Die Gemeinde Ritterhude will neue Gewerbeflächen ausweisen. Bislang war ein Areal am Heidkamp-Süd dafür favorisiert. Doch nun ist plötzlich die Fläche Heidkamp-Nord zum Favoriten geworden. Dies sind die Gründe.
14.06.2023, 05:00 Uhr
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Historisches Gräberfeld durchkreuzt Gewerbe-Pläne
Von Brigitte Lange

Ritterhude. Wenn es um die Schaffung neuer Gewerbeflächen in Ritterhude geht, ist die nicht mehr benötigte Friedhofserweiterungsfläche in Ihlpohl von der Verwaltung bislang als bester Kandidat gehandelt worden. Die 2,6 Hektar zwischen Heidkamp und Lesumer Straße liegen nicht nur verkehrsgünstig an der A 27, sondern sie gehören auch der Kommune. Heftiger Gegenwind kam dazu stets aus der Bevölkerung. Auch viele Politiker votierten dagegen. Nun die Kehrtwende, die viele Ihlpohler und Platjenwerber aufhorchen lässt: Die Verwaltung empfiehlt, Bebauungspläne für die Friedhofserweiterungsfläche nicht länger zu verfolgen. Eine andere Fläche soll nun zügig vorangetrieben werden. 

Dabei hatte sich der Rat erst jüngst darauf verständigt, dass das Grundstück südlich des Heidkamps zum Standort für die Feuerwehren Platjenwerbe und Ihlpohl werden soll. Uneinig waren sie sich zwar noch, ob auf dem verbleibenden Gelände Gewerbe angesiedelt werden oder ob es als "grüne Lunge" erhalten bleiben sollte. Um zumindest den Bau des Feuerwehrhauses anzuschieben, hatten sie aber das Verfahren auf die nächste Stufe gehoben: die frühzeitige Behördenbeteiligung.

Nicht kalkulierbar

Deren Ergebnis stellt nun alles auf den Kopf. So teilte die beim Landkreis Osterholz angesiedelte Untere Waldbehörde mit, dass es sich bei den Bäumen auf der Fläche um eine gut 1,5 Hektar großes Wald-Gebiet handele. Sollte dieser gerodet werden, müsste für den Eingriff in die Natur ein "Waldausgleich" geschaffen werden. Heißt: An anderer Stelle müssten drei Hektar Wald angelegt werden, teilte Bauamtsleiter Michael Keßler dem Bauausschuss mit. 

Außerdem hatte die Untere Denkmalschutzbehörde (Landkreis) darauf hingewiesen, dass es Aufzeichnungen über ein Gräberfeld mit Urnen aus der vorrömischen Eisenzeit (500 vor Christus) im Grenzbereich zwischen Platjenwerbe, Ihlpohl und Bremen gebe. Dokumentierte Funde reichten bis 200 Meter an die Fläche Heidkamp-Süd heran. "Aufgrund dieser Fundstellen ist mit weiteren archäologischen Strukturen im Boden zu rechnen", teilte die Landkreisbehörde den Ritterhudern mit. Daher müssten die 2,6 Hektar untersucht, die Funde dokumentiert, ausgegraben und geborgen werden. 

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Michael Keßler erklärte, dass dafür Gräben von ein bis 1,5 Metern Tiefe in einem Abstand von vielleicht einem Meter zu einander angelegt werden müssten. Das bedeute, dass der Wald für die archäologische Untersuchung gerodet werden müsste. Dabei sei die Wahrscheinlichkeit groß, dass beim Entfernen der Wurzeln die vermuteten Funde beschädigt würden.

"Was das am Ende alles kostet, konnte uns keiner sagen", berichtete Keßler. Die einschlägigen Firmen hätten sich bedeckt gehalten. "Uns kommt das jedoch sehr schwierig und sehr teuer vor." Ganz egal, was die Grabungen ergäben, für den gefällten Gehölzbestand müssten sie in jedem Fall einen Ausgleich schaffen. Daher spricht sich die Verwaltung nun dafür aus, die Planungen für den Heidkamp-Süd aufzugeben. Die Kosten seien unkalkulierbar.

Bedenkzeit für Guttmann

Wilfried Guttmann (FDP) mochte das nicht ad hoc akzeptieren. Er riet, die Kosten noch mal genauer zu betrachten. Schließlich müsse die Gemeinde mit ihren knappen Flächen-Ressourcen achtsam umgehen. Der Ausschuss entschied daher, die Abstimmung über die Pläne für die Friedhofserweiterungsfläche zurückzustellen. 

Das voraussichtliche Aus für den Heidkamp-Süd wirft indes die Frage auf, wo die Feuerwehren Ihlpohl und Platjenwerbe denn dann hinsollen. Vorschlag der Verwaltung: auf die Fläche Heidkamp-Nord. Und zwar im süd-westlichen Teil des gut 4,5 Hektar großen Grundstücks, mit direkter Zufahrt auf den Heidkamp. Der nicht-öffentlich tagende Verwaltungsausschuss hatte bereits vor geraumer Zeit ein Bauleitverfahren für diese Fläche mit dem Ziel angeschoben, dort Gewerbe anzusiedeln. Aber auch dort regt sich Widerstand. So hat die Baumschutzgruppe Platjenwerbe ein Register der dort wachsenden Bäume und Wallhecken erstellt, die für eine Bebauung gefällt werden müssten (wir berichteten). 

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Die Verwaltung verwies darauf, dass nirgendwo mehr gebaut werden könne, wenn keine Bäume mehr gefällt werden dürften. Weiter berichtete Bauamtsleiter Michael Kessler, dass die Verwaltung die Flächen in der Gemeinde, die noch zu Gewerbegebieten umgewandelt werden könnten, nach Klimaschutzaspekten eingestuft habe. Heidkamp-Nord schnitt dabei am besten ab, da es direkt an der Autobahn liegt. Lieferanten, Mitarbeiter und Kunden von Firmen hätten kurze Wege. Jeder andere Standort bedeute längere Fahrten für sie und damit einen höheren CO2-Ausstoß.

Außerdem müssten Firmen ihre Gebäude heutzutage mit Fotovoltaikanlagen ausrüsten. Auch sehen die Planungen vor, dass an den Neubauten Vogelhäuser angebracht werden müssen. So könne am Ende sogar die CO2-Bilanz für diese Fläche positiv ausfallen, hätten die Klimamanager der Gemeinde geschätzt, berichtete Keßler. 

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Ein notwendiger Lärmschutzwall, dessen Ausmaße die Anwohner ebenfalls umtreibt, wurde bereits überarbeitet, erfuhren die Teilnehmer der Sitzung weiter. Statt zehn Metern soll der Wall jetzt 7,5 Meter messen und nicht mehr fünf, sondern drei Meter hoch werden. Eine zwei Meter hohe Mauer wird oben auf der Wall-Krone errichtet.

Reaktionen aus dem Publikum zeigten, dass die Bürger nicht überzeugt waren. Unter den Politikern gehen die Meinungen auseinander. Zwar stimmten – bei zwei Gegenstimmen der Grünen – die übrigen sieben Ausschussmitglieder dafür, das Verfahren weiter zu verfolgen. Es müsse schließlich zügig ein Standort für die Feuerwehr gefunden werden. Aber während SPD und FDP am Heidkamp-Nord auch Gewerbe ansiedeln wollen, lehnen die übrigen Fraktionen dies ab. Was die Feuerwehr betrifft, so schlugen Bürgerfraktion und CDU vor, deren Standort von Süd-West, nach Süd-Ost zu verschieben. Dadurch könnten nicht nur viele Bäume bewahrt werden, auch der Abstand zur Wohnbebauung würde so vergrößert. Der Entwurf geht nun in die öffentliche Beteiligung.

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