Sollte es auch für Fahrräder eine Kennzeichnungspflicht geben? Sollte ehrenamtlich Tätigen ein staatlicher Zuschuss zum Erhalt einer Fahrerlaubnis gewährt werden? Auf der Bühne der Aula der Riesschule entflammten über diese Fragen am Donnerstag hitzige Debatten – jedoch nicht, weil die jeweils Beteiligten persönlich von diesen betroffen wären oder es in den Debatten gar um eine verbindliche Entscheidungsfindung gegangen wäre.
Stattdessen ging es für die Beteiligten um den Einzug ins Landesfinale des bundesweit ausgetragenen Wettbewerbs „Jugend debattiert“, dessen Regionalfinale in diesem Jahr am Ritterhuder Gymnasium ausgetragen wurde. „Normalerweise gibt es im Vorfeld des Regionalfinales eine regionale Hin- sowie eine Rückrunde. Da in diesem Jahr aus verschiedenen Gründen jedoch nur vier Schulen mit jeweils zwei Teilnehmern pro Altersgruppe vertreten sind, gab es keine entsprechenden Vorrunden“, erklärt Birgit Loeper, Fachlehrerin und Schulkoordinatorin des Wettbewerbs.

Im Regionalfinale der Altersgruppe 1 traten Emma Bartz aus Ritterhude und Johanna Preibisch aus Osterholz-Scharmbeck gegen Lotta Meyer aus Ritterhude und Malin Tamson aus Achim (von links) an.
Stattdessen fanden die Halbfinalrunden direkt vor dem Regionalfinale statt: So debattierten die jeweiligen, bereits im Vorfeld ermittelten Schulrepräsentanten beider Altersgruppen der Gymnasien Ritterhude, Osterholz-Scharmbeck und Achim sowie der IGS Lilienthal je parallel in vier separaten Klassenräumen um den Einzug ins Regionalfinale in der Aula.
Wie auch das Regionalfinale selbst wurden diese Vorrunden jeweils von einer vierköpfigen Jury, bestehend aus Fachlehrern und Vorjahressiegern, anhand der „Sagü“-Kriterien bewertet. Was es mit diesem Kürzel auf sich hat, erklärt Helke Kessler, Regionalkoordinatorin des Wettbewerbs und Fachlehrerin am Achimer Cato-Bontjes-van-Beek-Gymnasium: „Sagü steht für Sachkenntnis, Ausdrucksfähigkeit, Gesprächsfähigkeit und Überzeugungskraft.“
Vorbereitung und Spontanität
Wie auch im Falle der jeweiligen "Debattiertandems" erfolgt die Zusammensetzung der Juroren im Regelfall überaus kurzfristig „Sofern es möglich ist, versuchen wir natürlich zu vermeiden, dass die beteiligten Fachlehrer die jeweiligen Leistungen der eigenen Schüler bewerten müssen“, begründet Loeper.
Welche Themen in den Halbfinal- und Finalrunden wortwörtlich zur Debatte stehen, wurde den Teilnehmern bereits zehn Tage zuvor mitgeteilt, damit diese sich das Wertungskriterium Sachkenntnis in eigenverantwortlicher Vorbereitung aneignen konnten. „Wenn man in derartigen Debatten mit Statistiken und absoluten Zahlen argumentiert, müssen diese natürlich zuvor recherchiert werden“, begründet Kessler. Welches Thema im Halb- und welches im Finale debattiert wird, wissen die Schüler im Vorfeld jedoch ebenso wenig wie den Umstand, ob sie in der Debatte die jeweilige Pro- oder Contra-Seite vertreten werden: Beides wird ebenso kurzfristig ausgelost wie die Zusammensetzung der Tandems.
Denn dies ist das grundlegende Wesen des Wettbewerbs, bei dem die Teilnehmer innerhalb weniger zugestandener Redeminuten nötigenfalls auch mal möglichst glaubwürdig gegen ihre jeweils eigene Überzeugung argumentieren müssen – insbesondere im Falle aktueller Kontroversen wie der diesjährigen Halbfinalfrage, ob extreme Parteien von öffentlichen Diskussionsrunden ausgeschlossen werden sollten.

Carla Genath aus Osterholz-Scharmbeck und Tessa Müller aus Ritterhude.
Eine Frage, die die Ritterhuder Gymnasiastin Emma Wenzig in den Halbfinalrunden möglichst überzeugend argumentativ verneinen musste. „Derartige Debattenführungen sind immer eine Herausforderung an sich selbst", sagt sie, "da man ständig in eine neue Lage kommt, wechselnde Themen propagieren oder kritisieren zu müssen, bei denen die jeweils zugeloste Position auch mal der eigenen Überzeugung zuwiderläuft oder sogar das Thema selbst nicht unbedingt dem eigenen Interesse entspricht.“
Wie auch die weiteren Teilnehmer begreift Wenzig entsprechende Debatten als eine Mischung aus fast schon sportlicher Herausforderung als auch der Wissens- und auch Perspektivenerweiterung: „Natürlich gibt es in diesen Debatten auch immer überzeugende Gegenargumente, bei denen man denkt, ,Stimmt – so habe ich die Sache bislang noch gar nicht gesehen'. Wenn dann eine Debatte für einen selbst gut verläuft und man überzeugen kann, ist es aber natürlich auch immer ein kleines Erfolgserlebnis.“
Ein solches blieb der angehenden Abiturientin jedoch an diesem Tag verwehrt: Wenzig schied bereits nach dem Halbfinale aus. „Ich war einfach zu nervös und auch das Thema war nicht unbedingt meins“, analysierte die Schülerin anschließend selbstkritisch.
Achimerinnen triumphieren
Dass es jedoch nicht immer an derartigen Gründen liegt und trotz definierter Bewertungskriterien manchmal auch einfach – je nach Perspektive – ein wenig Glück im Spiel ist, zeigte sich auch anhand der abschließenden Regionalfinalrunden: Trotz ausformulierter Begründungen stieß nicht jede Juryentscheidung auf allgemeines Verständnis bei Teilnehmern und Lehrkräften gleichermaßen.
Doch auch dies zählt zum Wesen des Wettbewerbs – und zur Disziplin des Debattierens: „Ich glaube, es hilft enorm im Alltag, wenn man Sachfragen aus verschiedenen Perspektiven betrachten und sich in verschiedene Positionen reindenken kann“, befindet Johanna Preibisch. Die Schülerin des Gymnasiums Osterholz-Scharmbeck verpasste in der Finalrunde der Altersgruppe 1 nur knapp den Einzug ins Landesfinale gegen Malin Tamson aus Achim. In der Altersgruppe 2 qualifizierte sich Antonia Lacobsen aus Achim gegen die Zweitplatzierte Tessa Müller aus Ritterhude.