Der "Sonnenuntergang" im Ratssaal ist ein Meer aus Farben. Auf der 1,50 mal 1,20 Meter großen Leinwand mischen sich Rot, Orange und Gelb mit Grün, Türkis und Blau in mehreren Schichten. "Ich finde es schön, wenn ein Bild nach Urlaub aussieht. Wer meine Werke betrachtet, soll Freude empfinden. Deshalb male ich gerne mit hellen, freundlichen Farben", sagt Roswitha Röttger. Im Rathaus in Schwanewede können Besucherinnen und Besucher ab Donnerstag, 6. April, eintauchen in ihre Farbwelten.
Die 69-Jährige malt mit Acryl und überwiegend abstrakt. Das war nicht immer so. Als junge Frau, während ihrer Lehrzeit zur Einzelhandelskauffrau, entstanden ihre ersten Arbeiten: gegenständlich gemalte Landschaften und Blumenbilder. Sie habe anfangs auch noch viel mit Bleistift und Kohle gearbeitet, erzählt Roswitha Röttger, die in Bodenburg bei Hildesheim geboren wurde.
Künstlerischer Neuanfang
Durch Heirat und Familiengründung ließ sie die Kunst viele Jahre ruhen. 2009 zog sie nach Bremen-Blumenthal um. Der persönliche war auch ein künstlerischer Neuanfang. Roswitha Röttger entdeckte das Acryl für sich. "Ich wollte bunter malen", sagt sie. "Das Mischen der Farben und die Möglichkeit, mehrschichtig zu arbeiten, das ist für mich das Interessante am Acryl." Mit der neuen Maltechnik entwickelte sie zugleich einen neuen Malstil, weg vom rein Gegenständlichen hin zum Abstrakten. Wobei sie in manchen ihrer Arbeiten das eine durchaus mit dem anderen verbindet. Ihre "zweite Malphase" nennt es die Künstlerin, so heißt auch der Titel ihrer Ausstellung im Rathaus.
Die Arbeiten in den Fluren im Erd- und Obergeschoss sowie im Ratssaal stammen aus den vergangenen sechs bis sieben Jahren und spiegeln die künstlerische Neuorientierung wider. Da gibt es Bilder, in denen das Farbenspiel im Mittelpunkt steht und sich eine Form nur erahnen lässt. Eher gegenständlich-plakativ gemalt sind fünf Tulpen. Einige ihrer Werke stellt die Künstlerin auch schon mal auf den Kopf. So geschehen bei einem Wiesenbild. Der ursprünglich untere blaue Bildrand passe besser als Himmel, deshalb habe sie das Bild kurzerhand gedreht, erklärt Roswitha Röttger. Das sei das Spannende an der Abstraktion: "Man entdeckt beim Malen plötzlich Sachen, die man nicht erwartet hat." So erinnert ein anderes auf den Kopf gestelltes Werk im Ratssaal den Betrachter jetzt an zwei Baumstämme, zwischen denen der Mond hindurchscheint.
Malen mit dem Spachtel
Wie bei ihren vielen Bilder hat Roswitha Röttger auch hier mit dem Spachtel gearbeitet. "Vor allem Baumstämme lassen sich gut mit dem Spachtel malen. Indem ich damit gleichzeitig mehrere Farbe über die Leinwand ziehe, ergeben sich Licht- und Schatteneffekte", erklärt die Künstlerin. "Auch Wellen lassen sich schön mit dem Spachtel malen, nur Wolken am Himmel nicht."
Die Künstlerin experimentiert auch gerne mit Materialien. Einer Symphonie aus verschiedenen Grüntönen gibt ein übermaltes Papiertuch Struktur. Für ein anderes Bild streute sie Marmormehl auf die feuchte Farbe, beim Trocknen bildeten sich feine Rissstrukturen. Neben der Treppe im Obergeschoss hängt eine Collage, die auf das Märchen der Bremer Stadtmusikanten Bezug nimmt: Es zeigt Esel, Hund, Katze und Hahn auf ihrem Weg durch den mondscheinhellen Wald.
Neueren Datums sind Bilder, in denen die Künstlerin Sprüche einbindet. "Follow your Dreams" ist da in einem poppig anmutenden Farbenrausch zu lesen, schemenhaft sind schwarze Silhouetten zu erkennen. "Das Leben ist ein Spiel, aber alle halten es für das richtige Leben" heißt es auf dem Rahmen eines Bildes, in dem die Malerin die guten und schlechten Ereignisse im Leben als helle und dunkle Punkte darstellt – wobei die hellen überwiegen. "Es gibt so viele tolle Sprüche", meint Roswitha Röttger. Die Verbindung mit ihrer Malerei will sie weiter ausbauen und Spruchweisheiten als Vorlage für Aquarelle nehmen.